Politik | Volksbegehren

„Es wäre die Krönung“

Stephan Lausch über die Unterschriftensammlung zur Einbringung des Gesetzes zur direkten Demokratie, unaufmerksame Medien und das Doppelspiel der SVP.
Lausch, Stephan
Foto: Youtube
Salto.bz: Herr Lausch, die Initiative für mehr Demokratie muss bis zum 11. August Mittag 8.000 Unterschriften sammeln, damit das geplante Gesetz zur direkten Demokratie als Volksbegehren im Landtag eingebracht werden kann. Wie viele Unterschriften fehlen noch?
 
Stephan Lausch: Es werden zwar nur 8.000 verlangt, aber wir brauchen einen gewissen Spielraum. Deshalb müssen wir auf jeden Fall rund 10.000 Unterschriften sammeln. Das haben wir noch nicht erreicht. Aus Erfahrung wissen wir, dass die meisten Menschen erst in den letzten zwei Wochen unterschreiben gehen. Deshalb sind wir voller Hoffnung. Wir sind derzeit dabei, im gesamten Land die Menschen zu mobilisieren. Das Problem ist aber die Information.
 
Sie beklagen sich, dass die Medien die Initiative boykottieren?
 
Es hat sehr viel gebraucht bis RAI Südtirol im Fernsehen einen Bericht gebracht hat. Wir haben dafür zum Landesbeirat für Kommunikationswesen gehen müssen. Auf einen Beitrag im Mittagsmagazin warten wir immer noch. Auch die Dolomiten sind bisher sehr halbherzig mit den Informationen umgegangen. Es liegt also ganz sicher bei den Medien. Es liegt aber auch an den Leute, die in Urlaubsstimmung sind und sich in dieser Jahreszeit einfach weniger interessiert zeigen. Es ist einfach schwieriger geworden über die Medien an die Menschen heranzukommen.
Wir wollen, dass der Prozess, der vor über zwei Jahren vom zuständigen Gesetzgebungsausschuss eingeleitet wurde, würdig zu Ende gebracht wird.
Sie wollen mit diesen Volksbegehren den Südtiroler Landtag unter Zugzwang bringen?
 
Wir wollen eigentlich nichts anderes erreichen, als dass der Prozess, der vor über zwei Jahren vom zuständigen Gesetzgebungsausschuss eingeleitet wurde, würdig zu Ende gebracht wird. Es wurde sehr viel in dieses Gesetz zur Volksabstimmung investiert. Es haben sich Hunderte von Menschen und über sechzig Organisationen an diesem partizipativen Prozess beteiligt. Am Ende kam ein Gesetzvorschlag zustande, der von den Einbringern Magdalena Amhof, Brigitte Foppa und Sepp Noggler als Kompromiss definiert wurde. Es ist ein Kompromiss mit dem auch wir leben können.
 
Das Problem dabei: Der Vorschlag wurde bisher offiziell im Landtag nicht eingebracht?
 
Das stimmt, der Vorschlag wurde bisher blockiert. Deshalb haben jetzt auch 35 Organisationen beschlossen, den Vorschlag als Volksbegehren einzubringen. Schaffen wir die 8.000 Unterschriften, muss der Landtag jenen Gesetzentwurf, den er selbst ausgearbeitet hat, noch innerhalb dieser Legislatur behandeln. Man kann das Ganze also nicht mehr auf den Sankt-Nimmerleinstag-Tag verschieben.
 
Verstehen Sie, warum die SVP einen Gesetzentwurf, der von ihren eigenen Abgeordneten maßgeblich gestaltet wurde, im Nachhinein auf die lange Bank schieben will?
 
Der Grund liegt auf der Hand. Dieser Gesetzesvorschlag zeichnet sich durch eine klare Anwendbarkeit aus. Etwa durch die Herabsetzung des Quorums von 40 auf 25 Prozent. Oder es braucht nicht mehr 25.000 Unterschriften, um eine Volksabstimmung zu erwirken, sondern nur mehr 8.000. Die politische Vertretung muss also davon ausgehen, dass wenn dieses Gesetz durchgeht, Volksabstimmung tatsächlich stattfinden werden. Das war bisher nicht der Fall.
Wenn dieses Gesetz durchgeht muss die politische Vertretung davon ausgehen, dass Volksabstimmung tatsächlich stattfinden werden. Das war bisher nicht der Fall.
Ist es die Angst der Politik vor den Wutbürgern?
 
Die Wutbürger produziert man gerade dadurch, dass man den Menschen nicht die Möglichkeit gibt, mitzubestimmen. In der Schweiz gibt es keine Wutbürger. Denn wenn die Bürger die Chance haben auf eine vernünftige Weise mitzureden, dann entstehen weder Wutbürger noch Gewalt. Das sind Phänomene, die dann entstehen, wenn sich die Menschen ohnmächtig gegenüber der Politik fühlen. Wenn die politische Führung also Angst vor dem Volk hat, dann ist das eine sehr kurzsichtiges Verhalten.
 
Will die SVP dieses Gesetz auf Eis legen, weil in 14 Monaten Landtagswahlen anstehen?
 
Diesen Eindruck haben wird. Der Gesetzesvorschlag wurde im Oktober vorgestellt, bis heute hat sich aber nichts getan. Uns wurden auch gesagt warum: Bestimmte Kräfte innerhalb aber auch außerhalb der SVP wollten verhindern, dass dieses Gesetz so verabschiedet wird. Das ist der Beweis, dass die parlamentarische Demokratie und das angeblich freie Mandat nicht funktionieren. Denn sonst hätten die drei Landtagsabgeordnete, die den Entwurf geschrieben haben, diesen einfach im Landtag eingebracht. Auch ohne Zustimmung der Fraktion.
 
 
Die Wutbürger produziert man gerade dadurch, dass man den Menschen nicht die Möglichkeit gibt, mitzubestimmen.
 
Hat die Initiative versucht mit Magdalena Amhof und Sepp Noggler vorab zu reden?
 
Natürlich. Wir haben bereits im Februar offen zu den Einbringern gesagt, wenn sie den Gesetzentwurf nicht bis Mai einbringen, dann werden wir den Vorschlag als Volksbegehren weiterbringen. Da bis Mai nichts passiert ist, sind wir gestartet. Man hat uns nicht erklärt, warum man so zögert. Sicher ist, dass jetzt einige froh sind. Denn nun ist auch in der Volkspartei klar, dass der Entwurf behandelt werden muss und nicht in einer Schublade verschwinden kann. Das war bisher innerhalb der SVP nicht so klar.
 
Brigitte Foppa könnte für die Grünen den Entwurf einbringen?
 
Natürlich. Aber dann ist es ein Entwurf der Opposition mit weit weniger Gewicht. Man wollte aber einen anderen Weg gehen. Einen gemeinsamen Entwurf von politischer Mehrheit und Minderheit erarbeiten. Das ist ja das Schöne an diesem Vorschlag. Es soll nicht nur ein Vorschlag der Opposition sein. Geht das mit den Unterschriften gut, dann sehe ich das auch als Krönung dieses ganzen Prozesses. Dann wird der Gesetzentwurf, der mit den Bürgern zusammen erarbeitet wurde, auch von den Bürgern in den Landtag gebracht. Es wäre auch eine Sicherheit, dass dieses Gesetz behandelt werden muss.
Bestimmte Kräfte innerhalb aber auch außerhalb der SVP wollten verhindern, dass dieses Gesetz so verabschiedet wird.
Man könnte den Entwurf im Landtag aber auch verwässern?
 
Wenn es zur Behandlung kommt, dann wird das Gesetz auf jeden Fall verabschiedet werden. Natürlich besteht die Gefahr, dass man den Entwurf verschlechtert. Wir haben aber vorgebaut. Denn man unterschreibt bei den Gemeinden zwei Volksbegehren. Ein Vorschlag ist - wie gesagt - der beschriebene Kompromissvorschlag des Landtages. Doch dazu wollen wir einen zweiten Gesetzesentwurf einbringen, der diesen Vorschlag verbessern soll. Wir haben uns erlaubt einige Mängel zu korrigieren. Schaffen wir die Unterschriften geht auch dieser Vorschlag in den Gesetzgebungsausschuss und man kann dann darüber diskutieren und die Änderungen annehmen.
 
Um welche Änderungen geht es?
 
Es geht vordergründig um technische Korrekturen. Zusätzlich aber haben wir auch als Gegengewicht zur Tendenz, das Quorum von 25 wieder auf 30 oder 35 Prozent zu heben, den Vorschlag eines 15-Prozent-Quorums eingebaut. In der Hoffnung, dass es am Ende bei den 25 Prozent bleibt.
Man kann doch nicht ein paar Schritte unter dem Gipfel, wo sich eine neue grandiose Aussicht auftut, so einfach stehen bleiben.
Sie scheinen zuversichtlich, dass man die 10.000 Unterzeichner zusammenbringt?
 
Ja. Immerhin haben wir inzwischen sieben Mal Unterschriften gesammelt. Das ist das fünfte Volksbegehren und dazu für zwei Volksabstimmungen. Wir haben jedesmal die Unterschriften zusammengebracht und ich denke auch diesmal werden wir es schaffen. Wenn man auch eine gewisse Resignation und Ermüdung spürt. Das ist auch irgendwie verständlich. Wir geben aber sich nicht auf. Man kann doch nicht ein paar Schritte unter dem Gipfel, wo sich eine neue grandiose Aussicht auftut, so einfach stehen bleiben. Sondern man tut die letzten Schritte, die es noch braucht.