Politik | offener Brief an den Landeshauptmann zur nachhaltigen Entwicklung in Bozen mit Bürgerbeteiligung über ein „Stadtlabor“

Offener Brief an den Landeshauptmann von „Unserer Stadt“

Getroffene demokratische Entscheidungen sollen endgültig anerkannt bleiben und die Entwicklung der natürlichen Einkaufszentren und der Lebensqualität gefördert werden.
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Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher,

Nachdem wir leider auf unseren offenen Brief, den wir Anfang Oktober an Sie gerichtet hatten, keine Antwort erhielten, möchten wir als BürgerInnen-Initiative Bozens nochmals unsere Überlegungen vorstellen:

Während in den letzten 15-20 Jahren landesweit in Südtirol viel öffentliches Geld in öffentliche Bauten investiert wurde, wurde Bozen stiefmütterlich behandelt. Es entstanden Bauten von Landesinteresse wie die Universität, der Müll-Verbrennungsofen und die Eurac, aber die Infrastrukturen und öffentlichen Räume der Stadt wurden weitgehend vernachlässigt.

Bozen hat sich anders entwickelt als z.B. Innsbruck, aber gerade darin besteht das Potential dieser Stadt und die Chance, aus Fehlentwicklungen, die heute anderswo offenkundig werden, zu lernen.

Private Investoren wird die öffentliche Hand auch in Zukunft  brauchen, um die Städte und Dörfer attraktiv zu erhalten, jedoch es braucht vorher eine Vision, klare Leitgedanken, wohin die Dorf- oder Stadtentwicklung gehen soll. Dazu müssen auch die BürgerInnen mit einbezogen werden, wie die immer häufiger werdenden Protestaktionen in ganz Europa zeigen. Wenn wir wissen, was für unser Dorf und unsere Stadt gut ist, können wir auch klare Rechtssicherheiten aufstellen, nach denen die UnternehmerInnen dann ihre Arbeit einbringen können, ohne aufreibende Diskussionen und Kurzschlusshandlungen.

Die letzten Entwicklungen in der Politik rufen eine große Verunsicherung und Misstrauen bei der Bevölkerung hervor, begründet auf  undurchsichtige Machtspiele und kurzfristigen Hau Ruck Aktionen von hochrangigen politischen Vertretern. Wie war es möglich zu behaupten, „der Stadtrat von Bozen sei zum Entschluss gekommen, dass der Projektbetreiber einen neuen Vorschlag vorlegen soll“, wenn der Stadtrat am 23. Juli das Projekt abgelehnt hat?

Für uns ist das „Kaufhaus Bozen“ kein Thema mehr, besonders nachdem die Auswirkungen der Verdoppelung des Landes-Einkaufzentrums Twenty bereits deutlich zu sehen sind (Verkehrssituation und Besucherströme). Nach den Ergebnissen des Klimagipfels in Paris sollte allen klar geworden sein, dass Strukturen, die den privaten Verkehr fördern und Energie fressen, wie es Einkaufszentren nun einmal sind,  nichts mit nachhaltiger Entwicklung zu tun haben.

Wir fordern hingegen eine stärkere Identifikation mit den Anliegen und den Bedürfnissen der  gesamten Stadt und eine Unterstützung für notwendige Maßnahmen, die im tatsächlichen öffentlichen Interesse sind: Entwicklung und Aufwertung der Stadtviertel Bozens mit all seinen geschichtlichen und sozialen Besonderheiten, die Weiterentwicklung des Masterplans 2009 mit all seinen Grundsätzen wie die bessere Anbindung der Stadtviertel über die grüne Achse (parco delle rive) und die intensivere Arbeit am Projekt ARBO mit dem Mobilitätszentrum, welches die einzige zukunftsträchtige Verkehrsplanung für Bozen beinhaltet. Hieraus folgt: es darf also keine provisorische Verlegung des Busbahnhofes in die Rittnerbahnstrasse geben, welche eine wesentliche Verschlechterung der Verkehrssituation im Zentrum Bozens bewirken würde.

„Unsere Stadt - Città Nostra“ hat das Ziel, die vorhandenen Potentiale und Qualitäten der Stadt aufzugreifen und  mit den Verantwortlichen Politikern und der Bevölkerung  neue Entwicklungsschritte auszuloten. Dazu gehört auch das Erkennen der vielfältigen Probleme, welche die vielen PendlerInnen, die jeden Tag das Leben der Stadt mit prägen, für die Stadt bringen.

Dazu brauchen wir auch die Unterstützung des Landeshauptmanns und der Landesregierung, da die Stadt Bozen kein für sich allein stehendes Gebilde ist, in dem die Gemeindepolitik alles bestimmen kann, sondern in ein dichtes Netzwerk eingegliedert ist, das durch Verwaltung, Sanität, Bildung, Tourismus, Industrie, Handwerk und Handel geprägt wird.

Zusammenfassend ersuchen wir Sie:

die demokratisch getroffene Entscheidung des Stadtrates von Bozen vom 23. Juli 2015 anzuerkennen und dessen Umsetzung zu unterstützen
sich nicht mehr in “die Stimme der Medien” einzureihen, welche den Stillstand der Stadt herbeiredet
sich einzusetzen, dass die erkannten Schwachstellen des Art. 55 quinquies sofort analysiert und abgeändert werden.
die Landeshauptstadt in ihrer kulturellen Vielfalt, ihrem sozialen Wert, ihrem politischen und historischen Kontext und daraus resultierenden spezifischen Gegebenheiten und Anliegen anzuerkennen und darauf aufbauend eine konstruktive Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden zu fördern.
Wir brauchen ein Land, wo moralische Referenzen wieder eine Rolle spielen, wo ethische Prinzipien allgemein anerkannt werden und Achtsamkeit und menschliche Werte das Zusammenleben prägen.

Wir arbeiten daran, alle Organisationen und Vereine über ein “STADTLABOR” in ein Netzwerk einzufügen, das die Stadt als gesamte Struktur sieht, in der viele kleine Unternehmer investieren können und damit die Lebensqualität aller Bürger verbessert werden kann.

Unsere Stadt – Città nostra
Bozen
eine Initiative, welche einen interdisziplinären, offenen, kreativen Diskurs zwischen AkteurInnen aus Verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Forschung in kontinuierlicher Einbeziehung der Bevölkerung fördert