Kultur | Salto Afternoon

Ich spreche nicht, aber ich fühle noch…

Sabine Foraboschi hat beruflich mit Menschen im Wachkoma zu tun. Nun hat sie eine Erzählung über eine Wachkoma-Patientin veröffentlicht.
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Foto: Foto: So lange ich schlief

Sabine Foraboschi ist Diplomkrankenschwester mit 20 jähriger Berufserfahrung. „Leider ist die Annahme, dass Menschen im Wachkoma sowieso nichts mehr fühlen geschweige denn denken können, in vielen Köpfen verankert“ sagt sie: „Wenn ein Mensch, der seine motorischen und verbalen Fähigkeiten verloren hat, passiert es, dass Angehörige vor dem Patienten, der noch gar nicht tot ist, bereits über die Erbschaft oder Ärzte abwertend über die Diagnose vor dem Patienten reden.“  Diese beiden Tatsachen haben Foraboschi bewogen, das Buch So lange ich schlief zu veröffentlichen, um Menschen damit für einen angemessen Umgang mit Wachkomapatienten zu sensibilisieren. 

Die Erzählung, aus Sicht der Komapatientin, schildert deren Leben vor dem folgenschweren Unfall, die Zeit im Wachkoma sowie  die Rehabilitationsphase und den Einstieg in ein völlig verändertes Leben – 14 Jahre später. Demgegenüber zeigt sich auch die Sichtweise der Angehörigen. Die tragische Geschichte von Sabine Foraboschi ist zeitlos und aktuell.

 

 

Textauszug:

Diese Ohnmacht meiner fehlenden Selbstständigkeit trieb mich beinahe in den Wahnsinn. Wer oder was war ich überhaupt? Ein Bündel von Haut und Knochen, sowie erschlafften Muskeln und Faszien, die den Befehlen meines Gehirns nicht mehr gehorchten. Ein Mensch, gefangen in seinem eigenen Dasein, ohne die Freiheit, über irgendetwas bestimmen zu können, am allerwenigsten über sich selbst Mit dem Leben als solches schien das so wenig gemein zu haben wie ein Elefant mit einer Wühlmaus. Wie lange Zeit musste ich noch in diesem Zustand der inneren Gefangenschaft verharren? Fröhlich lachende Stimmen drangen durch die halb offene Zimmertür. Die Krankenpfleger hatten gerade Schichtwechsel, während in mir zum wiederholten Mal die Frage aufkeimte, ob mein Leben noch lebenswert war. Meine Wahrnehmung, Gedanken und Gefühle schienen unverändert zu sein. Leider blieb diese Tatsache bislang meinen Zeitgenossen verborgen.

 

Sabine Foraboschis Buch wird derzeit an verschiedenen Schulen mit sozial-sanitärer Ausrichtung vorgestellt. Sobald die italienische Version des Buches auf dem Markt kommt, ist auch ein Projekt am Krankenhaus Bozen geplant.

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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 15:07

Wen diese Thematik interessiert, kann auch folgendes Buch lesen, welches die Geschichte der Wachkomaforschung aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler beschreibt:
Adrian Owen: "Zwischenwelten - ein Neurowissenschaftler erforscht die Grauzone zwischen Leben und Tod".
Das Buch ist großartig.

Mo., 04.02.2019 - 15:07 Permalink