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Kanadischer Abgang

Direktor Michael Atzwanger hat die Alpenbank verlassen. Offiziell ist es ein freiwilliger Abgang. Doch es dürfte andere Hintergründe für die Vertragsauflösung geben.
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Foto: Alpenbank
Es gibt verschiedene Versionen.
Ein Insider, der Augen- und Ohrenzeuge wurde, beschreibt den Vorfall so: „Am Ende wurde es richtig laut“. Es war eine Sitzung vor drei Wochen am Sitz der Alpenbank in Innsbruck. Offiziell trafen sich der Vorstand und der Aufsichtsrat zur Bilanzsitzung. Mit dabei auch Michael Atzwanger, langjähriges Vorstandsmitglied und Direktor der Bozner Niederlassung der Alpenbank.
Auf der Sitzung kam es zum Showdown. Michael Atzwanger ließ sich unmittelbar danach beurlauben. Am Wochenende vor Ostern räumte er dann sein Direktionsbüro am Bozner Kornplatz. Das Arbeitsverhältnis mit dem Bozner Bankmanager, der sieben Jahre lang an der Spitze der Südtiroler Niederlassung der diskreten österreich-italienischen Privatbank stand, wurde kurz vor Ostern vorzeitig aufgelöst. 
Es hat weder eine solche Aussprache gegeben noch wurde Herr Atzwanger nahegelegt, die Alpenbank zu verlassen“, dementiert Martin Sterzinger. Der Vorstand und Sprecher der Alpenbank bestätigt aber salto.bz gegenüber die Trennung: „Mit 30. März 2018 hat Michael Atzwanger, bisheriger Niederlassungsleiter der Filiale Bozen, die AlpenBank verlassen, um sich künftig neuen beruflichen Herausforderungen zu widmen.“
Es ist die offizielle Version, die man in der Vertragsauflösung auch so vereinbart hat. Die Wirklichkeit ist etwas komplexer.
 

Der Aufstieg

 
Seit längerem ist die Beziehung zwischen Michael Atzwanger und der Alpenbank getrübt. Das ist kein Geheimnis.
Die Alpenbank gehört zu je 49,9994 Prozent den beiden Raiffeisenlandesbanken Tirol und Südtirol. Im Dezember 2010 wechselte der damalige Pensplan-Generaldirektor Michael Atzwanger von der Pensplan AG in die Vorstandsetage der Gesamttiroler Privatbank. Mit seinem Eintritt in die Alpenbank wird Atzwanger neben Martin Sterzinger und Heidi Verocai-Dönz zum dritten Mitglied des Vorstandes ernannt. Es ist finanziell ein sehr ertragreicher Job. Im Jahr 2015 erhielten die drei Vorstände eine Gesamtentschädigung von 1.026.000 Euro. Aufgrund von Sparmaßnahmen waren es 2016 nur mehr 834.674,04 Euro. Man kann aber davon ausgehen, dass Michael Atzwangers Jahresentschädigung (samt Prämien) zumindest vor dem Jahr 2016 jenseits der 300.000-Euro-Grenze lag.
 
Michael Atzwanger hatte damals und auch heute noch vor allem im Südtiroler Raiffeisenkosmos mächtige Fürsprecher: Raiffeisenverbandsdirektor Paul Gasser, Landesbank-Direktor Zenone Giaccomuzzi und Landesbank-Präsident Michael Grüner; letztere beiden sitzen auch im Aufsichtsrat der Alpenbank (was im italienischen Geselschaftsmodell der Verwaltungsrat ist).
Als salto.bz vor eineinhalb Jahren einen Hintergrundbericht zur Krise in der Alpenbank brachte, sahen sich Verbandschef Gasser und Landesbank-Direktor Giacomuzzi bemüßigt, in einer Rundmail an alle Kassen und Mitarbeiter den Bericht als „unverantwortlich“ hinzustellen und Michael Atzwanger den Rücken zu stärken.
 

Gradueller Abstieg

 
Erst im Frühjahr 2016 wurde Michael Atzwanger als Vorstandsmitglied für weitere drei Jahre bestätigt - doch nach einem Jahr überraschend von diesem Posten wieder abberufen. Auch damals - laut Auskunft der Bank - „auf eigenem Wunsch“. Seit 1. Mai 2017 war Atzwanger damit offiziell nur mehr Leiter der Italien-Niederlassung der Alpenbank.
Gleichzeitig kehrte Atzwangers Vorgänger in die Alpenbank zurück. Norbert Alber hat im Jahr 2000 den Sprung der Privatbank über den Brenner und die Gründung einer EU-Niederlassung in Bozen maßgeblich gestaltet. 2012 verließ Alber die Alpenbank, um ihn den privaten Finanzdienstleistungssektor zu wechseln. Seit Anfang Mai 2017 sitzt der ehemalige Generaldirektor wieder als Verwaltungsleiter halbtägig in der Alpenbank.
Direkter Auslöser dieser Neuordnung war eine Bombe, die sechs Monate zuvor geplatzt war. Ende September 2016 verlässt die historische Kernmannschaft der Alpenbank aus Protest gegen Michael Atzwanger geschlossen die Bank. Die Alpenbank hat zu diesem Zeitpunkt acht angestellte Berater. Fünf davon kündigten am 26. September 2016. Es handelt sich bei dem Quintett um das Herzstück der Vermögensverwaltung der Privat Bank. Der Pusterer Heinold Pider war stellvertretender Direktor der Alpenbank, Chef der Bankberater und bis zu diesem Tag Mitglied der Geschäftsleitung. Ebenso Hans Christoph von Hohenbühel, der seit dem Jahr 2000 in der Alpenbank als Berater arbeitet, lange Zeit als Vizedirektor und seit einigen Jahren als stellvertretender Direktor Markt tätig ist. Auch die anderen drei Berater waren seit Jahren mit großem Erfolg in der Bank tätig.
Der Abgang ist geplant. Das Quintett eröffnet wenig später in Bozen eine Filiale  des börsenorientierten Finanzdienstleisters „Azimut“. Die fünf Berater nehmen weit über 100 Millionen Euro an Kundenvermögen mit, das sie verwalten. Es ist rund ein Fünftel des Kundenportefeuille, das die Alpenbank zu diesem Zeitpunkt verwaltet.
Salto.bz legte die Hintergründe des Abgangs offen. Südtirols Raiffeisenspitze goutierte das gar nicht. Man beschwichtigte und versuchte, den ausbrechenden Flächenbrand bereits im Entstehen zu löschen.
 

Die Verluste

 
Doch die nackten Zahlen sagen zu diesem Zeitpunkt etwas anderes. Die Alpenbank Bozen schreibt seit Jahren Verluste.
2014 hat man vor Steuern über 732.000 Euro Verlust gemacht. In der Bilanz 2015 steht ein Minus von 433.566,41 Euro. Und 2016 kam es noch dicker. In der Italien-Niederlassung hat man einen Verlust von 3.163.827,66 Euro angehäuft. Es ist für eine Privatbank mit dem Kerngeschäft Vermögensverwaltung ein katastrophales Ergebnis.
 
Diese negative Geschäftsentwicklung in Bozen zieht auch das Mutterhaus in Innsbruck in die Verlustzone. Obwohl die Alpenbank in Nordtirol Gewinne schreibt, stand bereits 2015 ein Verlust von 139.000 Euro in der Bilanz. 2016 steht im Jahresabschluss der Alpenbank AG sogar ein Verlust von 2.347.364,91 Euro.2015 wurde ob der Verluste die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA tätig. Die Alpenbank musste einen Sanierungsplan vorlegen. Der Hauptpunkt: Eine drastische  Reduzierung der Kosten. 
Doch das reicht nicht. Um die Kriterien der österreichischen Bankenaufsicht zu erfüllen, mussten die Aktionäre auch Kapital nachschießen. Im Dezember 2016 investierten die Raiffeisen Landesbank Tirol und die Raiffeisenbank Südtirol insgesamt 4 Millionen Euro in neu aufgelegte Aktion der Bank. Von diesen 4 Millionen wurden aber nur 2.920.000 für die Kapitalerhöhung verwendet. Der Rest zur Verlustabdeckung. Um das Loch aus dem Geschäftsjahr 2016 zu stopfen, musste die Alpenbank ihre freien Gewinnrücklagen auflösen. 
 

Toxische Zertifikate

 
Einer der Gründe für diese Verluste ist eine Geschichte, die eigentlich nie an die Öffentlichkeit kommen sollte. Die Alpenbank hat in die Vermögensverwaltung ihrer Kunden ein Zertifikat der „Commerzbank London“ aufgenommen, das dort eigentlich nichts zu suchen hat. Das Produkt ist völlig abgestürzt. Das heißt: Fast ein Totalausfall. Private, aber auch institutionelle Anleger standen damit vor hohen Verlusten. Einige Kunden überlegten ernsthaft eine Klage gegen die Bank.
Weil damit die Gefahr einer für die Alpenbank sehr unangenehmen öffentlichen Schlammschlacht vor Gericht bestand, entschied man sich deshalb für eine andere, diskrete Lösung. Man buchte die Zertifikate aus der Vermögensverwaltung aus und die Alpenbank und die Südtiroler Raiffeisenorganisation übernahmen die Zertifikate. Die Operation kostete einige Millionen Euro. „Atzwanger und die Bank haben dieses Problem im Sinne der Anleger vorbildlich gelöst“, zollt ein Betroffener gegenüber salto.bz der Bankenführung Respekt.
 
Michael Atzwanger gelang es zudem, das Loch in der Vermögensverwaltung zu stopfen, das der Abgang der fünf Berater samt ihren Kunden in der Bank hinterlassen hat. „Er hat das verwaltete Volumen in der Bank im vergangenen Jahr verdoppelt“, sagt ein Insider „und ihm gelang das, was niemand vor ihm zusammenbrachte, einen Teil des Raiffeisengeschäftes in die Alpenbank zu holen“.
Diese Medaille hat aber auch eine andere Seite. Die mächtigen Atzwanger-Freunde aus dem Klerus und der Diözese und vor allem im Südtiroler Raiffeisenkosmos pumpten fast 200 Millionen Euro - unter anderem aus dem Raiffeisen-Pensionsfonds - in Richtung Vermögensverwaltung der Privatbank, um dem angeschlagenen Direktor aus der Bredouille zu helfen.
Damit sollte auch die Bilanz des abgelaufenen Geschäftsjahres wenigstens einigermaßen im Lot gehalten werden.
 

Der Netzwerker

 


Doch das nützte am Ende nichts. Dass die Rettungsaktion schlussendlich in die Hose ging, schreiben viele dem Charakter Michael Atzwangers zu. „Am Ende hat er es sich mit allen vertan“, sagt ein Freund des Bankers.
Atzwanger gilt als Choleriker, er wird schnell laut und es ist ihm wichtig, sich immer und überall in den Mittelpunkt zu stellen. Mit diesem Verhalten hat er sich im Laufe der Jahre mit fast allen seiner Mitarbeiter verstritten. Die Bankengewerkschaften können ein Lied davon singen.
Dazu kommt, dass auch das Klima im Alpenbank-Vorstand nachhaltig gestört ist. Einer der Hauptgründe: Michael Atzwanger schob die Schuld für den Unfall mit den toxischen Zertifikaten nach Innsbruck, namentlich auf Vorstandssprecher Martin Sterzinger ab. Das dürfe man ihm unter der Nordkette nie verziehen haben.
Dazu kommt, dass der ehemalige Manager der Brauerei Forst selbst genügend Angriffspunkte bietet. „Er versteht kaum etwas vom Finanzmarkt oder vom Bankenwesen“, sagte einer, der lange mit ihm gearbeitet hat, „er ist aber ein begnadeter Netzwerker und er ist beim Aufnehmen und Umsetzen von Ideen sehr schnell“.
Michael Atzwanger hat sich kaum für das Kerngeschäft der Alpenbank, die normale Vermögensverwaltung interessiert. Sein Steckenpferd waren neue Projekte und Anlageformen. Etwa ein Fonds für alternative Energien. In letzter Zeit tingelte er persönlich mit einem Projekt zur Unternehmensnachfolge durch Südtirols Unternehmerwelt. „Er hat der Alpenbank einiges gebracht“, sagt ein Mitarbeiter, „aber der Großteil seiner Projekte hat kaum etwas mit dem eigentlichen Geschäftsfeld der Bank zu tun“.
 

Viele Hochzeiten
 

Zur Charakteristik Michael Atzwangers gehört auch, dass er auf einem halben Dutzend Hochzeiten gleichzeitig tanzt. So war Atzwanger nicht nur Vorstand und Direktor in der Alpenbank, er sitzt auch im Verwaltungsrat der „Bozen Invest AG“ und des „Istituto Atesino Di Sviluppo“ (ISA), der mächtigen Finanierungsgesellschaft der Trentiner Kurie. In diesen Funktionen hat er es immer wieder mit der Finanzierung und Umsetzung von neuen Projekten zu tun. 
Selbst Kunden wussten oft nicht, in welcher Funktion Atzwanger gerade sprach. Als Chef der Alpenbank, oder als Verwaltungsrat einer kirchlichen bzw. einer privaten Finanzierungsgesellschaft? 
Diese Engagements erfolgten anfänglich mit Wissen und Duldung seines Arbeitgebers. In einigen Fällen hat die Bank an den Geschäftsanbahnungen und -vermittlungen auch verdient. Doch über die Jahre wurde diese Situation zunehmend zum Problem. Selbst Kunden wussten oft nicht, in welcher Funktion Atzwanger gerade sprach. Als Chef der Alpenbank oder als Verwaltungsrat einer kirchlichen oder einer privaten Finanzierungsgesellschaft? „Er wechselte mehrmals am Tag sozusagen den Anzug“, beschreibt es ein Mitstreiter, „das hat der Markt nicht verstanden“.
Weil Michael Atzwanger zudem mit einem überdurchschnittlichen Tatendrang ausgestattet ist, wurden diese Doppelgleisigkeiten eines hochbezahlten Spitzenfunktionärs im Laufe der Zeit für die Alpenbank immer problematischer.
 

Kanadische Gala

 
Deutlich wird das an seinem letzten Lieblingsobjekt. Michael Atzwanger hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er vom Staat Italien und der italienischen Wirtschaft nichts halte. Deshalb bevorzugte und forcierte er - auch offen bei den Kunden - immer wieder Investitionen und Projekte im Ausland.
Seit fast zwei Jahr arbeitet der Alpenbanker intensiv an einem Investmentprojekt in Kanada. Es geht um eine Millionen-Investition in Meaford in der Provinz Ontario in Kanada. Die 10.000-Einwohner-Stadt liegt direkt an den großen Seen, in der Nähe von Toronto und an der Grenze zur USA. Meaford ist traditionell ein Apfelanbaugebiet.
 
Zusammen mit dem italokanadischen Investor Anselmo Beretta (ein Verwandter arbeitet als Berater bei der Alpenbank) und dessen Unternehmen „Pelto Agri Investments“ hat man rund 2.000 Hektar Grund und Boden angekauft. Das Geschäftsmodell: Der billige Boden soll bepflanzt und später teuer weiterverkauft werden. Man hat dazu drei verschiedene Unternehmen gegründet, in die die Anleger investieren können. Dabei geht es auch um den Anbau von Weizen. Aber vor allem um Äpfel. So hat man in den vergangenen Monaten rund 200 Hektar mit Äpfeln - vor allem die Sorte „Gala“ - bepflanzt. 
Dieses Apfelprojekt stößt in Südtirol natürlich auf reges Interesse. Gut zwei Dutzend Südtiroler Investoren sind daran beteiligt. Auch aus Kirchenkreisen konnte Atzwanger Geld nach Übersee bringen. Es gab auch mehrere Reisen von Südtiroler und italienischen Anlegern nach Kanada, die von Michael Atzwanger geleitet wurden.
Weil ein Teil der Südtiroler Investoren aus dem Genossenschaftswesenkommen, genauer gesagt aus dem Umfeld der VOG, gleichzeitig Südtiroler Unternehmen aus diesem Bereich die Bäume nach Kanada liefern und dort die Apfelanlagen auch aufbauen, kam es in den vergangenen Monaten in mehreren Genossenschaftssitzungen zu Verdächtigungen, Anschuldigungen und Kontroversen. Es geht dabei um angebliche Interessenskonflikte und unlautere Konkurrenz.
Vor allem aber steht immer wieder die Frage im Raum, wer hinter diesem Projekt in Kanada steht. Selbst Anleger wissen nicht genau, ob es eine offizielles Angebot der Alpenbank ist oder ein Privatprojekt ihres Direktors. „Nein, die Bank ist von Anfang informiert und in das Projekt auch eingebunden“, sagt ein Insider, „sie kassiert einiges an Provisionen“.
Nicht alle in der Alpenbank und inzwischen auch in der Südtiroler Raiffeisenwelt sehen das so. „Diese Geschichte hat viel zu viel Staub aufgewirbelt und dürfte Atzwangers Stand deutlich verschlechtert haben“, heißt es nüchtern aus dem Raiffeisenverband.
 

Die Notbremse

 
So wurde jetzt kurz vor Ostern in der Alpenbank die Notbremse gezogen. Wer sie gezogen hat, ist dabei nicht ganz klar. Offiziell hat Michael Atzwanger um die Auflösung seines bis 2019 laufenden Vertrages gebeten. 
Auch künftig wird die Alpenbank in einzelnen Projekten mit Herrn Atzwanger zusammenarbeiten“, versucht Vorstand Martin Sterzinger jeden Verdacht auf ein Zerwürfnis zu zerstreuen. Am Mittwoch wurde der Abgang dann per Rundmail den Direktoren und Führungskräften der Südtiroler Raiffeisenkassen kommuniziert.
Man wollte nicht, dass man die Nachricht zuerst auf salto.bz liest.
Wer Atzwangers Nachfolger wird, darüber soll demnächst der Aufsichtsrat entscheiden. Nach Informationen von salto.bz werden Norbert Alber die Leitung der Verwaltung und Roberto Zanin die Vermögensberatung weiterführen. Martin Sterzinger dürfte - wenigsten interimistisch - die Leitung der Bozner Alpenbank übernehmen.
Michael Atzwanger, der für salto.bz nicht erreichbar war, dürften aber auch in Zukunft weder die Ideen noch die Arbeit ausgehen.
Kanada ist jedenfalls groß.