Angelo Bagnasco
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Politik | Droht der Bruch?

Salvini gegen Di Maio

Salvinis "decreto sicurezza" ruft mit dem Vatikan einen mächtigen Gegner auf den Plan.
Zwischen den beiden Vizepremiers Luigi Di Maio und Matteo Salvini wachsen die Spannungen. Der Innenminister regierte am Freitag sichtlich verärgert auf die unerwartete Forderung Di Maios, einen Teil der 49 Flüchtlinge der Rettungsschiffe Sea Eye und Sea Watch in Italien aufzunehmen. Gleichzeitig forderte Di Maio die maltesische Regierung auf, die geschwächten Frauen und Kinder von Bord gehen zu lassen. "Accoglieremo donne e bambini. L'Italia ancora una volta dà l'esempio." Salvini erteilte der Forderung prompt eine rüde Absage: "Possiamo inviare sulla nave medicine, cibo e vestiti, ma basta ricatti. Non cambio idea." Nach einer Verlautbarung der EU sollen mehrere europäische Staaten ebenfalls bereit sein, einen Teil der Bootsflüchtlinge aufzunehmen.
 
Viele Indizien deuten freilich darauf hin, dass auf den Innenminister in den kommenden Tagen weitere Unannehmlichkeiten zukommen. Denn der Protest vieler Bürgermeister gegen das heftig umstrittene decreto sicurezza wächst. Und dabei bekommt es Salvini nun mit einem wesentlich unangenehmeren Gegner zu tun als Leoluca Orlando, dem widerspenstigen Bürgermeister von Palermo, der Salvinis Dekret als menschenverachtend ablehnt. Denn nun kommt Widerstand direkt aus dem Vatikan.
 
Die Stellungnahme des Vatikans ermöglicht nun auch Vertretern aus anderen politischen Lagern offenen Widerstand.
 
Der langjährige Präsident der Bischofskonferenz Angelo Bagnasco wird zum prominenten Beschützer der aufsässigen Bürgermeister: "Penso che nessuno voglia essere sovversivo, ma ci sono problemi che richiedono giudizi di coscienza. E l'obiezione di coscienza è un principio riconosciuto", so die unmissverständliche Stellungsnahme des Kardinals. Unterstützung erfuhr Bagnasco umgehend von Palermos Erzbischof Corrado Lorefice: "Diciamo no a decreti inumani." Salvini  konterte umgehend: "Ci sono quelli che invece dei problemi degli italiani preferiscono occuparsi dei presunti problemi di immigranti irregolari." Die Gegnerschaft des Vatikans ist für Salvini auch deshalb unangenehm, weil beide den Innenminister daran erinnern könnten, wie er im Wahlkampf auf dem Mailänder Domplatz auf Bibel und Rosenkranz geschworen und versprochen hatte, sein "politisches Wirken am Evangelium auszurichten" – ein Auftritt, den der Mailänder Erzbischof als "unangebracht" kritisiert hatte.
 
Haben sich bisher vorwiegend linke Bürgermeister dem Appell ihres Kollegen aus Palermo angeschlossen, ermöglicht die Stellungnahme des Vatikans nun auch Vertretern aus anderen politischen Lagern offenen Widerstand gegen das umstrittene Dekret. Bozens Bürgermeister Caramaschi etwa zog sich bisher im Gegensatz zu seinem Meraner Kollegen Paul Rösch diplomatisch aus der Affäre: "La legge si applica anche se non piace e farà finire fino a 500 persone in strada."
Doch der Widerstand wächst auch an anderer Front: Für den Präsidenten des italienischen Gemeindeverbandes, Antonio Decaro, "garantiert das Gesetz nicht die Menschenrechte".  Und Piemonts Präsident Sergio Chiamparino kündigte in Turin an, seine Region werde eine Verfassungsklage gegen Salvinis umstrittenes Dekret prüfen. Denselbeb Schritt hat die Toskana angekündigt.
 
Zwischen den beiden Vizepremiers Luigi Di Maio und Matteo Salvini wachsen die Spannungen.
 
In der  Fünf-Sterne-Bewegung hingegen wächst nach dem Ausschluss mehrerer Parlamentarier der Widerstand gegen die Parteiführung. Proteste gab es vor allem gegen den Ausschluss des Senators Gregorio Di Falco. Der ehemalige Marineoffizier gilt vielen Italienern als moralische Instanz, seit er im Jänner 2012 dem Kapitän der Costa Concordia befohlen hatte, an Bord seines sinkenden Kreuzfahrtschiffes zurückzukehren. Er wurde wegen seiner Nein-Stimme zum decreto Salvini aus der Bewegung ausgeschlossen – gegen heftige Proteste der Basis. Nach dem Abgang mehrerer M5S-Parlamentarier verfügt die Regierungskoalition im Senat nur noch über eine wackelige Mehrheit von vier Stimmen. Und die könnten der Bewegung schon in wenigen Wochen abhanden kommen. Deshalb geht Di Maio einer offenen Kraftprobe mit der Lega aus dem Weg.