Wirtschaft | Großprojekte

Warten auf Godot

Die Krise der Baufirma Condotte wird immer dramatischer. In Südtirol beschränkt man sich aufs Warten. Das Gefängnis und das Bibliothekenzentrum liegen damit auf Eis.
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Foto: upi
Thomas Mathá versteht den Ärger. „Wir können allein wegen des Gläubigerschutzes nicht so einfach aussteigen“, sagt der Chef der Vergabeagentur des Landes. Mathá und die Landesverwaltung wollen noch zuwarten. „Wie lange, weiß ich auch nicht“, gibt der stellvertretende Generalsekretär der Landesregierung zu.
Robert Davoli, Geschäftsführer des Unternehmens CMB aus Modena, das in einer Bietergemeinschaft mit mehreren Südtiroler Unternehmen bei der Ausschreibung zum Bozner Bibliothekenzentrum auf dem zweiten Platz gelandet ist, sieht es naturgemäß anders. „Die Geschichte ist absurd“, sagt er zu salto.bz, „ wir wären bereit, sofort mit den Arbeiten zu beginnen“.
Es ist wirklich absurdes Theater, das sich derzeit um zwei geplante Großaufträge in der Landeshauptstadt abspielt. Wie im Stück von Samuel Beckett scheint man auf Godot zu warten, der aber nie kommt.
Nur, dass es in diesem Fall nicht um künstlerische Werte, sondern um Realwerte von gut 100 Millionen Euro geht.
 

Der Absturz

 
Die „Società Italiana per Condotte d’Acqua SPA“, kurz Condotte genannt, ist eines der größten italienischen Bauunternehmen und international tätig. Das Großunternehmen ist 2018 von einer Krise in die nächste gestolpert und steht jetzt vor dem Aus.
Im März wurde Duccio Astaldi, Präsident des Verwaltungsrates der Condotte SPA wegen Schmiergeldverdachts verhaftet. Bereits vor der Verhaftung des Konzernchefs war der Bauriese aber in die Schlagzeilen geraten. Denn am 5. Jänner 2018 hat das Unternehmen beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Prodedura di concordato in continuità aziendale) gestellt. Es ist nach dem geltenden Konkursrecht eine Art Konkordat, das erlaubt, die Schulden umzuschichten, um den ordentlichen Fortbestand eines Unternehmens zu sichern.
 
Der Versuch, die finanzielle Schieflage zu korrigieren, ist bisher aber nicht geglückt. Mit Giovanni Bruno, Alberto Dello Strologo und Matteo Uggetti wurden drei kommissarische Verwalter ernannt, die versuchen, das Unternehmen über Wasser zu halten und neu zu strukturieren. Weil die Banken aber nicht mehr mitspielen, hat sich die Lage in den vergangenen Monaten noch einmal zugespitzt.
 

Südtiroler Projekte

 
Dieser Absturz hat direkte Auswirkungen auf Südtirol. Denn die Condotte hat in Südtirol drei Großaufträge am Laufen.
Zusammen mit der Konzerntochter Inso Spa hat das römische Unternehmen im Juli 2013 die Ausschreibung für den Bau und die Führung des neuen Gefängnisses in Bozen Süd gewonnen. Es handelt sich um ein PPP-Modell mit einem Gesamtvolumen von rund 54 Millionen Euro. Die Baukosten betragen knapp 32 Millionen Euro. Zwei Jahre und drei Monate soll die Bauzeit betragen. 67 Prozent der Gesamtkosten (36,18 Millionen Euro) übernehmen die beiden privaten Unternehmen, 33 Prozent (17,82 Millionen Euro) das Land Südtirol. Im Gegenzug bekommt die Condotte für 18 Jahre eine Konzession zur Führung des Gefängnisses (mit Ausnahme der direkten Bewachung der Gefangenen).
 
Auch die zweite Südtiroler Baustelle liegt in Bozen. Auf dem Schulareal „Pascoli – Longon“ soll in der Landeshauptstadt ein neues Bibliothekenzentrum entstehen. In dem neuen Bibliothekenpool werden die drei Bibliotheken der Stadt zusammengeführt, die Landesbibliothek „Dr. F. Teßmann“, die Stadtbibliothek Bozen „C. Battisti“ sowie die Italienische Landesbibliothek „Claudia Augusta“.  Auch diesen Auftrag hat sich um rund 40 Millionen Euro die Condotte SPA gesichert. Das römische Unternehmen hat Ende Juni 2017  die öffentliche Ausschreibung mit der höchsten Punktezahl gewonnen.
Dazu baut die Condotte SPA auf österreichischer Seite des Brennerbasistunnels auch beim größten, um 966 Millionen Euro im Vorjahr vergebenen Baulos Pfons – Brenner mit. Sie ist dort Teil der Projektgesellschaft von Porr, G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft m.b.H und Itinera S.p.A.
 

Briefpost nach Rom

 
Während man beim BBT das Dilemma längst pragmatisch gelöst hat, indem die Unternehmen der Bietergemeinschaft eine Ausfallhaftung für die Condotte übernommen haben, tut sich bei den anderen beiden Großbaustellen seit fast einem Jahr nichts.
Das Land wartet zu. „Wir können nicht einfach aussteigen und den Auftrag anderweitig vergeben“, rechtfertigt Thomas Mathá diese zögerliche Haltung. Tatsache ist, dass man in Bozen besondere Nachsicht mit dem Bauriesen zu haben scheint. Dabei wurde bisher weder ein Vertrag unterzeichnet noch hat das Unternehmen die erforderlichen finanziellen Garantien hinterlegt.
Weil der öffentliche Druck aber immer größer wird, hat der Generalsekretär der Landesregierung Eros Magnago vor zwei Monaten ein Schreiben an die drei Kommissare gerichtet, mit dem Ersuchen, die beiden Bozner Großprojekte in jene Liste der Arbeiten aufzunehmen, die Condotte fremdfinanziert noch verwirklichen will. Das Antwortschrieben aus Rom war zwar freundlich, aber ohne jede konkrete Zusage.
An der Spitze der Landesverwaltung hofft man immer noch, dass die Condotte gerettet werden kann. Die Zeichen weisen aber in eine andere Richtung.
 

Gescheiterter Gipfel

 
Am vergangenen Freitag trafen sich im Finanzministerium in Rom die Gläubigerbanken Unicredit, Intesa Sanpaolo, Banco Bpm und die drei Condotte-Kommissare. Bereits vorher haben die Banken eine neue Finanzierung mehrmals ausgeschlossen.
Die kommissarischen Verwalter erklärten, dass das Unternehmen die sofortige Eröffnung einer Kreditlinie von 190 Millionen Euro brauche. Ansonsten würde die Condotte nur mehr ein paar Wochen überleben.
Die Banken wollen eine staatliche Garantie. Diese konnte das Ministerium bisher aber nicht gewähren. Jetzt will das Ministerium bis Mitte Dezember eine Genehmigung der EU für diese staatliche Hilfe erhalten. Kritiker bezweifeln, dass das in so kurzer Zeit und im angespannten Klima zwischen Brüssel und Rom möglich sein wird.
 

Die Alternativen

 
Im Land hat man bisher kein alternatives Szenario entwickelt, sollte die Condotte wirklich in Konkurs gehen. Dabei ist man mit dem Bau des Bozner Gefängnisses bereits seit Jahrzehnten in Verspätung. Weil es sich hier um ein PPP-Modell handelt, müsste in diesem Fall die gesamte Ausschreibung von vorne beginnen.
 
Anders beim Bibliothekenzentrum. Dort hat sich die CMB aus Modena in einer Bietergemeinschaft mit mehreren Südtiroler Unternehmen bei der Ausschreibung an zweiter Stelle platziert. Der Abstand war dabei durchaus gering.
Wir wären bereit, sofort mit dem Bau zu beginnen“, sagt CMB-Geschäftsführer Robert Davoli. Weil auch hier weder ein Vertrag unterschrieben ist noch eine Bankgarantie hinterlegt wurde, wäre es nach Ansicht von Experten durchaus möglich, den Zweitplatzierten zum Zug kommen zu lassen. „Man muss die Condotte nur einladen, innerhalb von zehn Tagen den Vertrag zu unterzeichnen“, meint auch ein beteiligter Südtiroler Unternehmer, „hält sie diese Frist nicht ein, verliert sie den Auftrag“.
An der Spitze der Landesverwaltung kann man sich mit dieser resoluten Gangart nicht anfreunden. Noch will man auf Godot, sorry auf Condotte warten.
Irgendwann wird man aber entscheiden müssen“, weiß auch Thomas Mathá.
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rotaderga Fr., 07.12.2018 - 07:39

Vielleicht würde ein längeres "Probesitzen - wegen Faulheit-"aller Beteiligten und vielleicht auch Verantwortlichen im alten Bozner Gefängnis der Dante Straße den Bau etwas schneller vorantreiben?

Fr., 07.12.2018 - 07:39 Permalink