Politik | Parlament

Ausgehöhlt und ausgehebelt?

Die Verkleinerung des Parlaments nimmt die erste Hürde. Südtirol behält drei Senatswahlkreise. Doch die SVP-Senatoren teilen die Bedenken der römischen Opposition.
Abgeordnetenkammer
Foto: Camera dei Deputati

Ende des vergangenen Jahres hatte das Gesetzesvorhaben beinahe für einen diplomatischen Eklat zwischen Italien und Österreich gesorgt. Nun ist die Reduzierung der Mitglieder des italienischen Parlaments vom Senat genehmigt worden. Samt dem versprochenen Änderungsantrag von Roberto Calderoli, der Südtirol weiterhin drei Senatswahlkreise und somit drei Sitze im Senat sichert. Nicht ohne scharfe Töne und heftige Kritik an den wahren Absichten, die der Regierung unterstellt werden, ging das Votum am Donnerstag über die Bühne.

 

Drei bleiben

185 Ja, 54 Nein und 4 Enthaltungen gab es bei der Abstimmung kurz vor Donnerstag Mittag im Palazzo Madama. Damit hat der Senat der Verfassungsänderung zugestimmt, mit der die Anzahl der Parlamentarier von 945 auf 600 reduziert werden soll. 400 statt 615 Kammerabgeordnete und 200 statt 315 Senatoren soll das Parlament künftig umfassen.

Weil ursprünglich auch für Südtirol eine Reduzierung der Anzahl der Senatoren vorgesehen war, hatte Landeshauptmann Arno Kompatscher kurz vor Weihnachten 2018 Österreich alarmiert: Das Vorhaben stehe im Widerspruch zur Paketmaßnahme 111, die Südtirol drei Senatswahlkreise garantiert. Nach einem Krisentreffen mit dem Berichterstatter des Verfassungsgesetzentwurfes, Lega-Senator Roberto Calderoli, am 5. Jänner in Bozen, heiterte sich der Himmel wieder auf. Calderoli sicherte zu, dass Südtirol drei Senatssitze behalten werde. Somit stehen nicht mehr wie bisher der Region Trentino-Südtirol sieben Senatoren zu, sondern den beiden Autonomen Provinzen jeweils drei.

Da er sein Versprechen gehalten und einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt hat, stimmten die drei SVP-Senatoren am Donnerstag für das Calderoli-Vorhaben. “Ich möchte den Kollegen danken, die den Änderungsantrag mittragen, der die angemessene Vertretung der sprachlichen Minderheiten in den gesetzgebenden Organen wahrt – allen voran Roberto Calderoli”, sagte Senator Meinhard Durnwalder bei seiner Stimmabgabeerklärung. Zugleich verschwieg er nicht, dass die SVP-Senatoren die Kritik aus den Oppositionsreihen durchaus teile.

Auch in der Autonomiegruppe selbst, der die drei SVP-Senatoren angehören, herrschen große Zweifel an der wahren Absicht hinter der Verkleinerung der beiden Parlamentskammern. Das Vorhaben der 5-Sterne-Lega-Regierung sei eine “lächerliche Reform”, meinte Pier Ferdinando Casini zu Beginn der Debatte im Senat am Dienstag (5. Februar). Und PD-Senator Gianclaudio Bressa kündigte ebenfalls sein Nein an – er wirft der Regierung vor, das Parlament “herabwürdigen” zu wollen.

 

Weniger ja, aber warum?

Eine Reduzierung der Anzahl der Parlamentarier sei durchaus erstrebenswert, doch die Absicht der regierenden Parteien sei zu hinterfragen. So der Tenor der Opposition. Vor allem aus dem PD hagelte es Kritik – hatten sich Fünf Sterne und Lega 2016 schließlich noch gegen die Verfassungsreform von Matteo Renzi ausgesprochen, die ebenfalls eine Verschlankung des Parlaments vorgesehen hatte.

Jetzt gehe es der Regierung vor allem darum, das Parlament als überflüssige Institution darzustellen und damit die Demokratie auszuhöhlen, den Einfluss des Gesetzgebers zu schmälern und die Parlamentarier zu “folgsamen kleinen Soldaten” zu degradieren, wie es die Trentiner FI-Senatorin Donatella Conzatti ausdrückte. “Vogliamo ridurre il numero dei parlamentari? Bene, ma mi sembra che non sia questa la questione. Se volete, lo possiamo anche ridurre, però vorrei che si riflettesse sulle questioni a monte, che restano irrisolte, che non sono state neanche dibattute e che riguardano la qualità delle persone elette e la democrazia vera. Di questo passo, infatti, andiamo verso una ‘democratura’.”

Auf der Welle des Unmuts der Wähler gegen angebliche und tatsächliche Privilegien der Politiker würden Lega und Fünf Sterne nun diese Einschnitte vornehmen, merkte Casini an: “Si utilizzano i malumori, anche legittimi, del corpo elettorale e si identifica nel bersaglio semplice – il Parlamento – il padre di tutti i problemi.”

Die SVP teile die von Casini zum Ausdruck gebrachte Skepsis, betonte Senator Durnwalder am Donnerstag. Es bestehe die Gefahr, dass durch die Reduzierung der Parlamentssitze die demokratische Vertretung des Landes “äußerst beeinträchtigt” werde, so Durnwalder. Gegen eine Änderung der Anzahl der Parlamentarier habe er nichts, die allerdings müsse im Rahmen einer “ausgeglicheneren Reform” stattfinden, meinte der SVP-Senator. Wegen der drei gesicherten Südtiroler Senatssitze stimme man aber dennoch zu.

Anders als die Parteikollegen in der Abgeordnetenkammer. Am Donnerstag Abend stand dort die Endabstimmung über das von der Regierung erlassene Vereinfachungsdekret (“decreto semplificazioni”) auf der Tagesordnung. Weil die Regierung die Vertrauensfrage stellte, waren keine Änderungsanträge zugelassen. Zum wiederholten Male sei damit die Rolle des Parlaments “gänzlich ausgehebelt” und ein inhaltliches Arbeiten “unmöglich gemacht” worden, empörten sich die SVP-Kammerabgeordneten, die sowohl beim Vertrauens- als auch beim Endvotum mit Nein stimmten.