Umwelt | Pestizide

Scharfer Vinschger Wind

Exklusiv: Die Ergebnisse der Pestizid-Studie des Münchner Umweltinstitutes, die gerade in Mals vorgestellt wird und bereits für schrillende Alarmglocken gesorgt hat.
Filmausschnitt "Wunder von Mals"
Foto: Wunder von Mals

Ulrich Veith ist dieser Tage voll eingespannt. Die Front, an der der Malser Bügermeister unterwegs ist, ist die, für die er weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist: sein Einsatz gegen Pestizide. Veith gibt sich kämpferisch, während im Hintergrund eifrig daran gearbeitet wird, damit Mals nicht aus dem Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rückt. Für Zündstoff sorgt jetzt eine neue Studie zur Pestizidbelastung der Luft im Vinschgau. Durchgeführt hat sie das Umweltinstitut München – was Arnold Schuler die Zornesröte ins Gesicht treibt.

 

Kein laues Lüftchen

Anfang der Woche wird bekannt, dass der Rechnungshof 23.751 Euro von Ulrich Veith verlangt – weil er die Volksabstimmung, bei der sich die Malser 2014 für eine pestizidfreie Gemeinde ausgesprochen haben, als Bürgermeister nicht hätte zulassen dürfen. Die entsprechende Verordnung wurde angefochten und ausgesetzt, jetzt wartet man auf das Urteil des Oberlandesgerichtes, das über die Berufung gegen die Aussetzung befinden muss. Am 14. März findet indes die Verhandlung über die Schadenersatz-Causa gegen Veith statt. Der Malser Bürgermeister lässt sich von Karl Zeller vertreten und sagt: “Ich habe mir nichts vorzuwerfen.”

Am gestrigen Donnerstag dann jettet Veith nach Rom. Auf dem Terminkalender: ein Treffen mit Minister Riccardo Fraccaro und der indischen Aktivistin und alternativen Nobelpreisträgerin Vandana Shiva zum Thema Pestizidverbrauch in der Landwirtschaft. Inzwischen braut sich über Veiths Heimatgemeinde etwas zusammen.

Mehrmals werden die Journalisten in den vergangenen an einen Termin erinnert, der in diesen Minuten in Mals läuft. Unter dem Titel “Vom Winde verweht” lädt das Umweltinstitut München zur Pressekonferenz. Aufhänger ist eine Studie, die 2018 im Vinschgau durchgeführt wurde. “Wir glauben, dass die Pestizid-Belastung der Luft ein Thema darstellt, das bisher viel zu wenig Beachtung findet und unter dem Radar der Wissenschaft, der Öffentlichkeit und der Politik geflogen ist”, erklärt Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer und Pressesprecher des Umweltinstituts im Vorfeld.

 

Vier Mal gemessen

Von Februar bis August 2018 wurden an vier Standorten im Messungen durchgeführt. Das Ziel: feststellen, wie weit bzw. wohin Pflanzenschutzmittel beim Ausbringen verfrachtet werden. Dazu wurden Scheiben aus
Polyurethanschaum angebracht, an denen sich Schadstoffe aus der Luft anlagern können. Alle drei Wochen wurden die Scheiben gewechselt und ins Labor gebracht, wo sie auf 29 Pestizidwirkstoffe analysiert wurden, “die in der Region wahrscheinlich zum Einsatz kommen”. So heißt es in den Unterlagen der Studie. Auf 40 Seiten sind die Ergebnisse der Analysen festgehalten.

Wohl nicht zufällig sind die vier Standorte ausgewählt worden. Eine Messstation stand im Garten der Malser Apotheke, eine in der Bio-Obstwiese von Ägidius Wellenzohn bei Kortsch, eine weitere am Betriebsgelände des Biobetriebs “Kräuterschlössl” in Goldrain, die vierte im Schlinigtal, einem Seitental des Vinschgau. Der Malser Apotheker Johannes Fragner-Unterpertinger, Wellenzohn und Urban Gluderer vom “Kräuterschlössl” sind für ihren langjährigen Kampf gegen den Pestizideinsatz bekannt – und kamen nicht zuletzt als Protagonisten in den Werken des Filmemachers und Buchautors Alexander Schiebel (“Das Wunder von Mals”) vor.

 

“Dauerbelastung und Cocktailmix”

Die Ergebnisse der Messungen – insgesamt wurden neun Proben je Standort gezogen – sprechen eine klare Sprache. Die Untersuchung zeige, “dass es im Vinschgau von Mitte März bis mindestens Ende August eine kontinuierliche Belastung von Mensch und Umwelt gibt und sich meist mehrere Wirkstoffe gleichzeitig in der Luft befinden”, liest man in der zweiseitigen Zusammenfassung der Studie.

Im Garten der Apotheke – einem geschützten Platz mitten im Dorf – wurden zwölf verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. Darunter auch Captan oder Thiacloprid“zwei in hohem Maße gesundheitsgefährdende Stoffe”, meldet das Umweltinstitut. An den Messstationen der beiden Bio-Betriebe im Mittelvinschgau wurden von den 29 untersuchten Wirkstoffen 20 in der Luft gemessen. “Die Belastung ist dabei um ein Vielfaches höher als in Mals”, erklärt Karl Bär. Der Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut München ist seit der Plakat-Aktion in der Münchner Innenstadt im Sommer 2017 und der Flut an Protest-Mails an den Landeshauptmann in Südtirol kein Unbekannter mehr und hat die Studie höchstpersönlich geleitet. Auch im Schlinigtal wurden noch auf über 1.600 Höhenmetern, mehrere Kilometer von den nächsten Obstplantagen entfernt, sechs Wirkstoffe nachgewiesen.

Im Fazit der Studie heißt es: “Die Ergebnisse belegen insgesamt einen erheblichen Ferntransport von Pestiziden über kilometerweit entfernte Distanzen bis hinauf in abseits gelegene alpine Seitentäler.” Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, “wie schwer die Bedingungen für Bio-Betriebe im Umfeld der intensiv bewirtschafteten konventionellen Apfelplantagen sind”, kommentiert Bär. “Auch die Anwohner sowie Urlaubsgäste sind in der direkten Umgebung der Plantagen nachweisbar Belastungen ausgesetzt”.

Neben der “Dauerbelastung” habe die Studie noch etwas gezeigt: Einen Pestizidmix, der infolge des so genannten “Cocktaileffekts” gefährlicher sein kann als der jeweilige Einzelwirkstoff, sagt Bär. “Im Vergleich zu einzelnen Wirkstoffen besteht bei der Gesamtbelastung an Pestiziden eine erheblich höhere und über den Saisonverlauf andauernde Belastung und damit ein entsprechend höheres Gefahrenpotenzial.”

 

Wie gefährlich?

Für Karl Bär lassen die Erkenntnisse aus dem Vinschgau nur einen Schluss zu: “Die Regeln, die beim Spritzen beachtet werden müssen, verhindern nicht, dass sich die Mittel in der Luft verbreiten. Der einzige Weg, um konsequent zu verhindern, dass unsere Gesundheit und die Umwelt weiter belastet werden, wäre es, keine gefährlichen Pestizide mehr einzusetzen.”

Es sind alarmierende und unangenehme Töne, die von Mals aus in die Welt gesandt werden. Bei einem jedenfalls schrillen die Alarmglocken. Noch bevor die Studie präsentiert wird und ohne die Ergebnisse zu kennen, meldet sich Arnold Schuler zu Wort. In einem Dolomiten-Interview lässt der Landesrat für Landwirtschaft und Tourismus am Freitag ordentlich Dampf ab: Das Umweltinstitut München spiele einmal mehr mit Ängsten und verursache einen Imageschaden für Südtirol, ärgert sich Schuler. Dabei beobachte die Landesagentur für Umwelt die Luftqualität selbst “seit Jahren” – auch im Hinblick auf Pestizide, von denen “zwar Rückstände gefunden wurden”, die aber “weit von einer Gesundheitsgefährdung entfernt” seien, so der Landesrat. Er wolle nichts beschönigen, Ängste ernst nehmen und “alles daran setzen, die Abdrift noch weiter zu reduzieren”. Dazu aber brauche es keine Studie, die mit Emotionen der Menschen spiele, so Schulers Botschaft.

 

“Nicht hinnehmen”

Ulrich Veith lässt sich vom Landesrat nicht beeindrucken. Der Malser Bürgermeister hat die Studie des Umweltinstitutes unterstützt und ist nach seinem Abstecher nach Rom bei der Präsentation am Freitag Vormittag dabei. Schon vorab stellt Veith klar: “Sollte sich beweisen, dass Pestizide auf Nicht-Zielflächen gelangen und in der Luft, die wir einatmen, vorhanden sind und damit Mensch und Tier sowie die Produkte von biologisch wirtschaftenden Bauern gefährden, werde ich diese Situation als Bürgermeister sicherlich nicht hinnehmen. Dann werden wir mehr denn je versuchen, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.”

“Das Thema Pestizide soll ein dauerhaft unangenehmes Thema für die Südtiroler Landespolitik bleiben.” So die Losung, die Karl Bär und das Umweltinstitut im Sommer 2017 ausgegeben haben. Und die Münchner scheinen ihr Versrprechen ernst zu nehmen.

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Alfonse Zanardi Fr., 08.03.2019 - 11:29

Na wenn es die 5 Sterne unterstützen, dann ist es ganz bestimmt eine gescheite Sache.
Plus natürlich das hochseriöse "Umweltinstitut", wer noch Zweifel haben sollte ...

Fr., 08.03.2019 - 11:29 Permalink
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Armin Kobler Fr., 08.03.2019 - 18:51

Das Umweltinstitut, der Pillendreher, der Filmemacher und der Bürgermeister, das schon ist ein toxisches Cocktail.
Schade, dass sich Salto vor deren Empörungskarren spannen lässt, spricht nicht unbedingt für kritische Berichterstattung.

Fr., 08.03.2019 - 18:51 Permalink
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ceteris paribus Fr., 08.03.2019 - 19:36

soda.... die erste Stufe der Ablehnung der Studie wäre somit getan - alle primär daran Beteiligten wurden als unseriös usw. diffarmiert...

die nächste Stufe wäre dann, die Zahlen (Fakten?) zu widerlegen...bin schon gespannt

Fr., 08.03.2019 - 19:36 Permalink
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Armin Kobler Fr., 08.03.2019 - 20:43

Antwort auf von ceteris paribus

Ganz einfach: es wurde nichts Neues erwiesen sondern nur mediengerecht aufgekocht und wieder einmal Öl ins Feuer gegossen, damit es ja nie ausgehe.
Denn sogar am Schnalstaler Gletscher wird man Rückstände finden und mit dem weiteren Fortschritt in der Analytik auch in München selber. Rückstandsfreie Gegenden sind eine Illusion. Aber müssen wir uns bei den gefunden Konzentrationen, dem berühmte Zuckerwürfel im Gardasee wirklich fürchten? Aber damit ja weiterhin Panik gesät werden kann, werden die noch nie erwiesenen Cocktail-Effekte herangezogen. Denn es kann ja nicht sein, was nicht sein darf.
Zudem Rückstände immer nur von diesen gottverdammten Pestiziden? Nein, aber nur diese scheinen zu interessieren.
Wieviel Stickoxide und Feinstaubpartikel aus Verkehr und Hausbrand wurden nebenbei mitgemessen? Muss ich deren Cocktail-Effekt auch fürchten? Kann ich mich als potentieller Nicht-Autofahrer dagegen wehren, dass das Auto und die Heizung meines Nachbarn mein Grundstück kontaminieren?
Ich bin überzeugt, weder das eine noch das andere werden entscheidend für unseren Fortbestand sein. Aber das Fundament der Verhältnismäßigkeit wurde schon lange verlassen.

P.S.: Übrigens, Ceteris paribus klingt gut, erinnert mich an meine Anfänge in der experimentellen Methodik. :-)

Fr., 08.03.2019 - 20:43 Permalink
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ceteris paribus Fr., 08.03.2019 - 21:33

Antwort auf von Armin Kobler

Vielen dank, das meinte ich.

ich lerne: es gibt keine rückstandsfreie Gegenden, ocha! Die Frage stellt sich: wird es in Zukunft auch keine rückstandsfreien (auf Pestizide bezogen) Gegenden geben können, ..?

Wenn Verbände, Politiker, Bauern ect. pp. das so zugeben können, wär ein Stück Ehrlichkeit wiederhergestellt.

Der Rückgriff auf die Thematik Verkehr ist verheerend - eine im letzten Jahrtausend stehengebliebene Industrie kann niemals als Referenz dienen. Und ja! Sie können was dagegen unternehmen - Überzeugungsarbeit leisten und Standpunkte multiplizieren zum Beispiel, imagine! ...so auch der Versuch in Mals...

Fr., 08.03.2019 - 21:33 Permalink
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Andreas gugger Sa., 09.03.2019 - 08:38

Antwort auf von Armin Kobler

und wie wûrden Sie die Sache angehen Her Kobler? Obst und Weinanbau und das wars? immer schön drauf mit den Chemikalien ? Apfel ab nach Russland, selbst essen wir sie ja nicht. dafur schon den Boden und die Landschaft kaputt stampfen. wenn die Panik mache nutzt dann ist das gut so. Ihnen ist wohl nicht klar dass die nutzniesser dieser Monokultur viel zu wenige sind.

Sa., 09.03.2019 - 08:38 Permalink
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Peter Gasser Sa., 09.03.2019 - 10:30

Antwort auf von Andreas gugger

... ich hab‘ mein Leben lang Äpfel von den heimischen Bäumen gegessen... essen Sie lieber Obst, das mit Schweröl betriebenen Schiffen aus Übersee kommt (und dort übrigens viel „giftiger“ erzeugt wird als hier zu Hause)?
Der Winter ist grad vorbei: haben Sie die Heizungsluft gerochen? Was glauben Sie, könnte man darin alles feststellen, und was alles in der Abgasluft? ... dieses selektive Verdammen einer heimischen Berufssparte ist ein elender Akt!

Sa., 09.03.2019 - 10:30 Permalink
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Sigmund Kripp Fr., 08.03.2019 - 20:09

Na ja. Der häufigste Grund, ein PSM, vom Markt zu nehmen ist, wenn es als gesundheitsschädlich erkannt worden ist. Nach einer mehr oder weniger langen Laufzeit. Das Problem ist, wenn die Gesundheitsschädlichkeit nach z.B. 20 Jahren (endlich) erkannt wird, war das PSM nicht erst ab diesem Zeitpunkt schädlich, sondern ab seiner Zulassung vor 20 Jahren! Und damals war es nicht gesundheitsschädlich.....

Fr., 08.03.2019 - 20:09 Permalink
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Karl Maier Sa., 09.03.2019 - 11:23

Sehr geehrte Frau Gasser,

ließt man die Überschrift Ihres Artikels möchte man meinen, es gehe um die Erläuterung einer Studie des Münchner Umweltinstituts. Jedoch beginnt der erste Absatz mit einer aufgefrischten Geschichte bezügliche des Herrn Bürgermeister Veith, die bereits wenige Tage zuvor in der Neuen Südtiroler Tageszeitung dargestellt wurde. Der Artikel lässt jede kritische Distanz vermissen. „Mehrmals werden die Journalisten in den vergangenen [sic!] an einen Termin erinnert; politischer Geschäftsführer und Pressesprecher des Umweltinstituts…“, man stellt sich schon die Frage warum Journalisten mehrmals erinnert werden müssen und warum ein politischer Geschäftsführer benötigt wird um Aussagen einer wissenschaftlichen Institution zu tätigen, wie es das Umweltinstitut München vorgibt zu sein. Es ist auch erstaunlich, dass der Artikel ohne Zahlen zu den Rückständen auskommt. Mit keinem einzigen Wort wird die höhe der Rückstände erklärt. Hält man die salto-Leser wirklich für blöd, dass sie dies nicht verstehen. Die zweiseitige Zusammenfassung der Studie zeigt den gleichen grundlegenden Fehler auf, auch dort werden keine Rückstandshöhen genannt. Zudem stellt sich die Frage ob ng/ PUF-Scheibe eine international vergleichbare Einheit ist, normalerweise werden Luftschadstoffe in µ/m3 angegeben. Somit sind die Werte der Studie nicht vergleichbar. Ich bitte die salto- Redakteure inständig sich mit dem Thema mehr zu beschäftigen, um nicht jeder Verlautbarung einer politischen Vereinigung gehör zu schenken. Sie könnten auch Experten an der UniBZ, Eurac oder Laimburg befragen, um eine etwas ausgewogenere Berichterstattung zu ermöglichen. Ein guter Einstieg in das Thema bietet das Buch von Reichl, Taschenatlas der Toxikologie, 3. Auflage (ISBN 978-3-13-108973-1), © 1997, 2009 Georg Thieme Verlag KG. Es ist gut aufbereitet mit vielen Grafiken und einfach zu verstehen.

Mit feundlichen Grüßen
Karl Maier

Sa., 09.03.2019 - 11:23 Permalink
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Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser So., 10.03.2019 - 10:37

Die Art von Landwirtschaft, die des Schulers Zorn so vehement verteidigt, hat zwar einigen Privaten Reichtum "gemacht", macht aber die Natur kaputt und schadet der Gesundheit der Menschen. Diese Art der Pestizid-Landwirtschaft ist ein Kaputt- „Macher“, das sagt die zuständige Weltorganisation FAO, das wird demnächst der deutsche Groß- und Ökobauer Prinz von Löwenstein in seinem Vortrag sagen. Dies als Angstmacherei (wobei nicht nur die Malser Bürger indirekt als manipulierte Deppen angedeutet werden) zu bezeichnen, kann und darf sich ein Landesrat, der dem Allgemeinwohl dienen müsste, nicht leisten. Zumal nicht nur das „ausländische“ Umweltinstitut privat ist, sondern auch der „einheimische“ SBB.
Irren, Herr Landesrat, ist zwar menschlich, aber an Irrtümern festhalten ist teuflisch!
Danke Umweltinstitut für Euren Hinweis und die Aufforderung an die Behörde nachzumessen, danke Frau Gasser für die objektive Berichterstattung!

So., 10.03.2019 - 10:37 Permalink
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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 10.03.2019 - 12:14

Antwort auf von Klaus Griesser

Wenn die Pflanzenschutz- und Tierschutzmittel so des Teufels sind (in diesem Zusammenhang müsste man dann auch Medikamente des Menschen als Pestizide bezeichnen), warum wird dann nicht folgerichtig deren Produktion verboten?
Ehrlichkeit bedeutet, den Menschen zu sagen, dass ohne Pflanzenschutz- und Tierschutzmittel die bedarfsdeckende Nahrungsmittelproduktion nicht gewährleistet ist.
Um Klarzustellen: ich bin für ein Verbot der Produktion der wirklich giftigen Pflanzenschutzmittel weltweit - mit allen seinen - DRASTISCHEN - Folgen: das würde dem Bauern seinen Platz in der Gesellschaft zurückgeben. Aber billigste Lebensmittel (und billigste Tee, Kaffee, Zigaretten, Gewürze, Parfüme, Kleider (Baumwolle!), Blumen, Rosen) aus weltweiter schlimmster Produktion, hierhergebracht mit schwerölverbrennenden Containerschiffen, konsumieren, und den heimischen Bauern - gleichsam der eigenen Gewissensberuhigung wegen - zu verteufeln, ist ein elender und populistischer Akt.
Nicht zu vergessen: wie werden Kobalt und Iridium für Batterien in Elektroautos und Mobiltelefonen hergestellt? Und dann regt man sich wegen des Pflanzenschutzes auf, um ein UNVERARBEITETES Lebensmittel schön & makellos herzustellen, wie es der Handel und der Konsument VERLANGEN?
Das passt irgendwie nicht gut Zusammen, auf jeden Fall erzeugt es Skepsis und Unbehagen.
Mals wäre leer von Produkten, würde es eben diesen selben Maßstab auch bei jenen Produkten anwenden, die dem Konsumenten weh tun...

So., 10.03.2019 - 12:14 Permalink
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Klaus Griesser So., 10.03.2019 - 17:43

Herr Gasser, es ist ein von Bayer- Monsanto in die Welt gesetztes Märchen, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht zu gewährleisten sei ohne Pestizide. Darüber können Sie sich ausführlich bei der Welternährungsorganisation FAO erkundigen oder im Weltagrarbericht. Es wird wohl auch ein Unterschied sein zwischen einem Apotheker, zu dem einzelne Menschen kommen um ihre Leiden zu bekämpfen oder ob ein Bauer alle seine potentiellen Pflanzungs-Schädlinge auf seinem Grund totspritzt. Je mehr der Bauer auf Monokulturen gesetzt hat, umso mehr haben die Schädlinge dieser Kultur ein gefundenes Fressen. Bei einer Vielzahl an Kulturen (Permakulturen, Fruchtfolgen usw.) ist das hingegen nicht der Fall. Das Problem ist die Massenproduktion bei der Globalisierung: wenn Europa massenhaft Schnitzel produziert, dazu Antibiotika en masse einsetzt (welche am Ende bei den Menschen landen) und die Reste mittels Exportprämien nach Afrika verscherbelt, wo dann die originalen Hühnchenbauern ihren Laden sperren können wegen der Niedrigstpreise, zusätzlich noch die Riesencontainerschiffe die Jauchenüberschüsse zu subventionierten Billigstpreisen aus Europa rausschaffen und auf der Rückfahrt Sojabohnen bringen für die Superkühe, so ist das ein perverser Kreislauf. So ist halt die globalisierte Massenproduktion und die will der Bauernbund, vor allem wegen der Äpfel und wegen dem Speck. Was die europäischen Völker brauchen sind kleine regionale Kreisläufe, vielseitige Produktionen, gesunde Nahrungsmittel aus fruchtbaren Böden statt gespritzter Äpfel aus Australien.

So., 10.03.2019 - 17:43 Permalink
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Peter Gasser So., 10.03.2019 - 18:19

Herr Griesser, ich stamme aus einer Obst- und Weinbauernfamilie und kenne die Landwirtschaft von Kindesbeinen an; zudem habe ich Agrarwissenschaften studiert; auch bin ich soweit mit der Materie vertraut, dass ich zwischen Märchen und Wirklichkeit unterscheiden kann; auch kenne und schätze ich Johannes sehr (wir heben eine Zeitlang gemeinsam die Schulbank gedrückt), daher liegt es mir fern, einen "Apotheker" abzuwerten.
Das wollte ich mitteilen, bevor ich sage, dass ich Vieles, was Sie schreiben, teile. Aber nicht alles: kein Bauer spritzt unnötig (kostet Zeit und Geld), und kein Bauer spritzt heute noch präventiv "auf seinem Grund alles zu Tode": glauben sie mir, ich kenne noch die Zeit, wo richtig GIFT gespritzt worden ist, ich war da als Jugendlicher mittendrin und manchmal auch voll benässt: und doch --> ich lebe noch und freue mich bester Gesundheit.
Auch ich empfinde es als absoluten Unsinn, was die Konzerne da aufführen (dürfen), und sehe die teils gelobte Entwicklungshilfe als Katastrophe, welche dem Geber nutzt und dem Empfänger schadet. Aber: bei all dem Unsinn und all der Ungerechtigkeit der Globalisierung gerade den Südtiroler Bauer an den Pranger zu stellen, ist in meinen Augen inakzeptabel - wenn man gleichzeitig, auch in Mals, Zigaretten (Tabakproduktion!), Tee, Bananen und Avocados konsumiert, Baumwollkleidung trägt, Autos und Handys benutzt.
Wenn, dann konsequent... und sich nicht, selbst als große Sünder und Nutznießer des derzeitigen Wahnsinns, einen heimischen Berufsstand herauszupicken und diesen gleichsam für unser aller irres Leben unter der Guillotine zu köpfen.
Ich denke, in Mals wird AUCH ein Kampf des Neides, und ein Kampf des "Städters" gegen den Bauern geführt, des Städters, der billige und schöne Lebensmittel will, aber bitte NICHT VOR DER HAUSTÜRE PRODUZIERT. Dort möchte man die gute alte und scheinbar heile Welt.
Das ist mir zu dürftig.
Vielleicht würden die Menschen die Lebensmittel wieder mehr schätzen, wenn es Zeiten und Jahre geben würde, an denen eben nicht alles für alle jederzeit da ist.

So., 10.03.2019 - 18:19 Permalink