Umwelt | Elektromobilität

Verbrennungsmotoren ade?

Harald Reiterer von der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) über die Alternative Elektroauto, die Situation in Südtirol und zukünftige Entwicklung auf diesem Sektor.
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Foto: Michael Keitsch

salto.bz: Herr Reiterer, welche Vorteile haben Elektrofahrzeuge gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor?

Harald Reiterer: Die Vorteile der Elektromobilität sind sehr vielfältig: Elektromotoren haben einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent gegenüber Verbrennungsmotoren, die nur einen Wirkungsgrad von maximal 35 - 45 Prozent haben. Somit wird die eingesetzte Energie vom Elektromotor wesentlich besser verwertet. Dazu produziert ein Elektromotor im Betrieb keinen Lärm und keine Abgase - und damit auch keine gesundheitsgefährdenden Stickoxide, die derzeit im Zusammenhang mit dem Dieselskandal so heiß diskutiert werden.

Die große Frage für Südtirol ist: Macht ein Elektroauto auf Bergstraßen überhaupt Sinn?

Natürlich. Denn mit einem Elektromotor kann außerdem auch Energie zurückgewonnen werden. Beim Bremsen und Abwärtsfahren wird die Batterie wieder aufgeladen. Das macht diese Technologie speziell für Südtirol mit seinen vielen Bergen interessant. Wie stark die Batterie wieder aufgeladen wird, hängt auch vom Fahrzeug und von der Einstellung der Rekuperationsstufen ab. Durch die Nutzung der Bremsenergie für das Aufladen der Batterie bremst das E-Auto automatisch beim Abwärtsfahren, wodurch der Fahrer weniger auf die Bremse steigen muss und die Bremsen somit geschont werden.

Die Meisten scheuen aber die Kosten des Elektroautos?

Generell haben Elektroautos viel geringere Betriebskosten. Sie haben viel weniger Verschleißteile und deshalb geringere Wartungskosten. Zudem ist die Versicherung für Elektroautos günstiger. Darüber hinaus sind Elektroautos fünf Jahre lang von der Autosteuer befreit, anschließend zahlt man nur einen kleinen Teil der normalen Steuer. Ein sehr großer Vorteil ist, dass Strom als Treibstoff viel günstiger ist als Benzin oder Diesel. Das alles führt dazu, dass man sich durch den Kauf eines Elektroautos Geld sparen kann, obwohl der Ankaufspreis höher ist als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor.

Woher kommt der Strom für die Elektroautos in Südtirol?

Der Strom, der in Südtirol produziert wird, wird in der Regel ins nationale Stromnetz eingespeist und dann an die Verbraucher verteilt. Deshalb kann man nicht sagen, dass der in Südtirol produzierte Strom 1:1 wieder aus den Südtiroler Steckdosen kommt, aus den Steckdosen kommt vielmehr ein Strommix. Aber generell ist es jedenfalls so, dass in Südtirol jährlich bis zu doppelt so viel Strom erzeugt wird, als hier bei uns verbraucht wird. Der in Südtirol produzierte Strom kommt fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken und Photovoltaikanlagen und stammt somit nahezu zu 100 Porzent aus erneuerbaren Energiequellen. Unterm Strich hat Südtirol also sehr gute Voraussetzungen für Elektromobilität.

Sind Elektroautos wirklich emissionlos?

Schadstoffe entstehen bei der Elektromobilität vor allem bei der Stromerzeugung: Auf lokaler Ebene ist man völlig emissionsfrei unterwegs, aber auf globaler Ebene hängen die Emissionen mit der Art der Stromgewinnung zusammen: Je höher der Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromherstellung ist, desto geringer sind die Emissionen und desto umweltfreundlicher sind folglich Elektrofahrzeuge.

„Unterm Strich hat Südtirol sehr gute Voraussetzungen für Elektromobilität.“

Steht insgesamt überhaupt genug Strom zur Verfügung, wenn der gesamte Verkehr auf Elektromobilität umgestellt würde?

Diesbezügliche Studien haben ergeben, dass der Umstieg auf die Elektromobilität sehr wohl machbar ist. Berechnungen ergeben nämlich, dass durch einen kompletten Umstieg auf Elektrofahrzeuge der Strombedarf ‚nur‘ um zirka 10 Prozent steigen würde. Das weit größere Problem dürfte deshalb sein, dass uns in nicht allzu ferner Zukunft das Erdöl ausgeht, wenn wir nicht auf Elektrofahrzeuge umsteigen würden.

Sind in Südtirol genügend Ladesäulen vorhanden?

Momentan gibt es bereits rund 40 öffentliche Ladesäulen in ganz Südtirol, das Netz wird zudem stetig ausgebaut. So werden etwa in den nächsten Monaten zehn weitere Ladesäulen installiert. Bisher wurden vor allem Wechselstromladesäulen aufgestellt, für die Zukunft sind auch vermehrt Gleichstromladesäulen geplant. Diese haben den Vorteil, dass sie die Akkus schneller laden können. Die Wechselstromladesäulen haben meist eine Leistung von 22 Kilowatt (kW). Ein normaler Haushalt hat zum Vergleich einen Stromanschluss von 3 kW. Gleichstromladesäulen liefern hingegen meist eine Leistung ab 45 kW. Mittelfristig könnten sie durch eine verbesserte Technologie zwischen 100 und 150 kW liefern. Langfristig sind sogar 300 kW möglich. Entsprechend verkürzen sich dann auch die Ladezeiten.

Sind diese Ladestationen auch für E-Bikes geeignet?

Nein, diese Ladesäulen sind für E-Bikes nicht geeignet. E-Bikes kann man an einer normalen Steckdose aufladen und benötigt deshalb nicht derart große Ladeleistungen. Zudem haben die Ladekabel der E-Bikes, im Gegensatz zu den Elektroautos, keinen einheitlichen Stecker, weshalb man als E-Bike-Fahrer normalerweise das eigene Ladekabel mithaben sollte, mit dem man an jeder Steckdose aufladen kann.

„Niemand, der ein Elektrofahrzeug hat, sollte fürchten, ohne Strom liegen zu bleiben. Deswegen ist ein kapillares Netzwerk notwendig.“

Wird der Ausbau des Ladestationennetzes die Attraktivität der Elektrofahrzeuge steigern?

Ja, auf alle Fälle. Niemand, der ein Elektrofahrzeug hat, sollte fürchten, ohne Strom liegen zu bleiben. Deswegen ist ein kapillares Netzwerk notwendig.

Der Aufbau dieses Netzes wird unter anderem auch von regionalen Stromanbietern, wie etwa Alperia, vorangetrieben. Allerdings gilt es auch zu bedenken, dass bei batteriebetriebenen Elektroautos in Zukunft jeder die Tankstelle bei sich daheim hat: Man kann das E-Auto einfach zu Hause anschließen und in Ruhe über Nacht aufladen. Das hat es bisher mit Verbrennerfahrzeugen natürlich nicht gegeben.

Wie wird sich der Bereich Elektrofahrzeuge weiterentwickeln?

Die gesamte Technologie bei der Elektromobilität macht immer weitere Fortschritte. Neuere Fahrzeuge brauchen für Alltagsfahrten keine zusätzlichen Ladesäulen mehr, wenn sie zuhause aufgeladen werden. Denn sie erreichen mittlerweile eine Reichweite bis zu 200, 300 und auch 400 realistischen km. Rund 90 Prozent der Strecken, welche mit dem Auto zurückgelegt werden, sind kürzer als 100 km. Bei weiteren Strecken ist das logischerweise anders und man muss auf der Fahrt in den Urlaub auch mal aufladen. Deswegen erfolgt auch der Ausbau des Netzes der Ladesäulen synchron zur Verbreitung von Elektrofahrzeugen. Die Elektrifizierung des Verkehrs wird aber voraussichtlich auch Auswirkungen auf den Hausanschluss haben. Die Anschlussgebühren und die Stromzufuhr an die Haushalte werden sich vermutlich ändern müssen. Bei Haushaltsanschlüssen für Strom sind beispielsweise in Deutschland und Österreich Anschlussleistungen auch von 10-15 kW normal, während in Italien der Standardanschluss nur 3 kW beträgt.

„Bei batteriebetriebenen Elektroautos hat in Zukunft jeder die Tankstelle bei sich daheim.“

Wird sich das Elektroauto am Ende durchsetzen?

Auf jeden Fall! Die Technik entwickelt sich stetig weiter, dadurch kommen immer bessere Fahrzeuge auf den Markt. In Südtirol steigert sich das Interesse: Die Leute, die bei der von uns organisierten Roadshow Elektromobilität eine Probefahrt gemacht haben, waren hinterher begeistert. Die Landesregierung hat im Juli beschlossen, dass die öffentlichen Körperschaften in Südtirol in Zukunft Elektrofahrzeuge ankaufen müssen, wenn sie neue Autos kaufen. Zudem gibt es in Südtirol für Unternehmen und bald auch für Private Förderungen für den Ankauf von Elektrofahrzeugen und Ladestationen, sodass man – über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges gerechnet – mit einem Elektroauto gegenüber einem Diesel oder Benziner viel Geld sparen kann. Selbstverständlich kann man noch mehr Geld sparen, wenn man statt dem Auto häufiger das (Elektro-)Fahrrad und Zug und Bus nutzt. Insgesamt bin ich überzeugt, dass wir künftig immer mehr Elektromobilität nutzen werden.

Werden wir neben Elektroautos und elektrischen Fahrrädern bald auch elektrische Motorräder und LKWs auf Südtirols Straßen begegnen?

Ja, auch elektrische Motorräder werden wir sicherlich künftig auf Südtirols Straßen antreffen. Größere elektrische LKWs sind derzeit hingegen noch in der Entwicklungsphase. Da muss man noch auch noch schauen, welche technologischen Lösungen es jeweils auf Basis von Batterien oder auf Basis von Brennstoffzellen und Wasserstoff geben wird. Es gibt allerdings bereits serienreife Lieferautos mit Elektromotoren. In diesem Segment bieten beispielsweise Nissan und Renault entsprechende batteriebetriebene Modelle an.

Sind in Südtirol bereits elektrische Autobusse im Einsatz?

Ja, in Bozen zirkulieren bereits seit einigen Jahren fünf Elektrobusse, die mit Wasserstoff betrieben werden. Die Busse funktionieren einwandfrei und zur vollsten Zufriedenheit der Betreiber. Auch für die Busfahrer und die Fahrgäste sind Elektrobusse viel angenehmer, weil sie - im Gegensatz zu Bussen mit Verbrennungsmotor - ohne große Vibrationen fahren. Im nächsten Jahr soll zudem die neue „NOI“-Buslinie auch mit Batterie-Elektrobussen ausgestattet werden.

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Sepp.Bacher Do., 10.08.2017 - 11:20

Ich glaube verstanden zu haben, dass das Aufladen doch noch ein Problembereich ist: was mache ich, wenn die angesteuerten Ladesäulen gerade (auf unbestimmte Zeit) belegt sind? Wie viel Zeit geht zwischen warten und dann laden drauf und was macht der Fahrer in dieser Zeit? Das mit Ladestation in der eigenen Garage schein noch Zukunftsmusik zu sein - bei einem 3 kw-Anschluss!
Worüber nicht informiert wird ist der Verbrauch an Batterie-Strom im Sommer durch die Klima-Anlage und im Winter durch die Heizung? Möglicherweise reduziert sich dadurch die Reichweite einer Batterieladung in erheblichem Maße!?

Do., 10.08.2017 - 11:20 Permalink