Politik | US-Wahlen 2016

Monster & Messias

Seit rund 12 Stunden steht Donald Trump als der 45. Präsident der USA fest. Ich möchte versuchen, die Wahl einzuordnen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
uspartiesccflickr.jpg
Foto: Creative Commons: https://c1.staticflickr.com/7/6240/6261650491_0cd6c701bb_b.jpg

Für mich sind vier Gedanken zur gerade geschlagenen Wahl vordergründig:

Gerade in den sozialen Medien war bereits im Vorfeld eine ungesunde Polarisierung bemerkbar. Das Problem ist das duale System, von dem sich selbst Journalisten radikalisieren lassen: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich". Das fällt sowohl bei den US-Wahlen als auch bei den Präsidentschaftswahlen in Österreich auf: Wenn man sich kritisch über Clinton, Van der Bellen oder sonst einen eher links stehenden Kandidaten äußert, wird einem sofort unterstellt, alle Forderungen des (rechten) Gegenkandidaten zu teilen und vice versa - selbst wenn man in Wirklichkeit eine gemäßigte Position einnimmt. So wird das Diskussionsklima vergiftet. Leider wird diese Polarisierung durch die Qualitätsmedien befeuert. Wer sachlich informiert, wird nicht angeklickt, weshalb sofort Extreme herhalten müssen. 2008 wurde Obama zum Messias hochstilisiert - 2016 wird Trump als Monster dargestellt. In Wirklichkeit sind beide ähnlicher als man auf den ersten Blick glauben mag:

Beide gelten mehr oder weniger als Outsider und ihre Wähler wollten einen Kurswechsel herbeiführen. Obamas Kampagne von 2008 stand unter dem Motto "Change" bzw. "Yes, we can!" Trump ist das rechtskonservative, politisch unkorrekte Spiegelbild dazu, schlägt aber in dieselbe Kerbe der Systemkritik und verspricht echte Veränderungen. 70% der Trump-Wähler nannten die Chance auf einen Wandel als Hauptkriterium für ihre Wahlentscheidung. Damit zeigt sich, dass die USA ein strukturelles Problem haben. Niemand wirft Obama vor, nicht versucht zu haben das System zu ändern, doch er ist grandios gescheitert und seine Präsidentschaft wird "als  eine der größten Enttäuschungen in die amerikanische Geschichte eingehen." (Roland Benedikter auf stol.it am 9. November 2016). Die Amerikaner haben die Nase voll vom derzeit herrschenden "System", das liegt auch am Versagen der beiden Großparteien:

Die Republikaner sind so breit aufgestellt, dass keine klare Handschrift mehr erkennbar ist. Vom libertären Abtreibungsbefürworter bis hin zum erzkonservativen Kreationisten bildet die republikanische Partei zwar ein breites Spektrum der US-Gesellschaft ab, doch diese Zergliederung führt auch zu Problemen. So war die Partei nicht in der Lage, sich auf einige wenige Kandidaten zu einigen und schickte stattdessen 17(!) Kandidaten ins Rennen.
Für Trump war es ein Kinderspiel, sich als "bunter und finanziell schlagkräftiger Hund" in dieser Runde durchzusetzen. Hätte sich die Partei schon im Vorfeld auf zwei bis vier Vorwahlkandidaten einigen können, wäre Donald Trump womöglich nie zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden.

Auch die Demokraten haben mit Problemen zu kämpfen. Der demokratischen Parteiführung wurde im Zuge geleakter E-Mails die Manipulation der Vorwahlen zwischen Sanders und Clinton zugunsten von Clinton vorgeworfen. Nach der Präsidentschaftswahl wurde deutlich, dass die Demokraten beim durchschnittlichen, weißen Arbeiter kaum Rückhalt haben. Diese Schicht ist zwar traditionell eher republikanisch, dennoch schnitten die Demokraten bei dieser großen Zielgruppe schlechter ab als bei den vergangenen Wahlen. Clintons Kampagne legte einen Schwerpunkt auf die Themen Minderheiten, Latinos, Schwarze und LGBT.  Der durchschnittliche, weiße Amerikaner hat längst das Gefühl, dass linke, von Akademikern geprägte Parteien den Blick für die täglichen Probleme des Durchschnittsbürgers verloren haben, da man sich zu stark auf Randgruppen, Minderheiten und abstrakte Theorien wie Gender-Mainstreaming oder "safe spaces" fokussiert. Anstatt auf dieses Unbehagen einzugehen, wird schnell vom "Redneck" oder "white trash" gesprochen. Wenn die Demokraten bei den Midterms wieder mehr Einfluss gewinnen möchten, werden sie sich dieser Frage widmen und gegebenenfalls die Programmatik neu austarieren müssen. Ich möchte betonen, dass ich selbst die oben angesprochenen Themen für wichtig halte, man dabei aber nicht den Blick für die Alltagsprobleme des Durschnittsamerikaners verlieren darf - was schnell passieren kann, wenn von einem Elfenbeinturm voller Akademiker aus Politik gemacht wird.

Was ist zu erwarten? Entscheidend wird sein, wie Donald Trump und das Parteiestablishment sich arrangieren. Für die Parteileitung bleibt es ein Pyrrhussieg: Einerseits hat man nun fast die absolute Macht in den USA - andererseits muss man sich mit einem rebellischen und egozentrischen Präsidenten herumschlagen. Wenn die Zusammenarbeit funktioniert, könnte Trump bestenfalls zu einem zweiten Ronald Reagan werden, die US-Wirtschaft beleben, sowie die Beziehungen zu Russland verbessern und damit Ruhe in das internationale politische Parkett bringen. Schlimmstenfalls wird er von seiner eigenen Partei blockiert und die USA verlieren außenpolitischen Einfluss. Dies kann allerdings nicht im Interesse der republikanischen Parteileitung sein, denn dann würde man bei den Midterms die Mehrheit in den Kammern aufs Spiel setzen.

Trump ist sicherlich nicht der geeignetste Amerikaner für das höchste Amt im Staat - ebenso wenig wie Clinton. Trump startet im Gegensatz zu Obama mit einer extrem niedrigen Erwartungshaltung an seine Präsidentschaft ins Amt, was von großem Vorteil ist. Ich gehe davon aus, dass Trump das System nicht gegen die Wand fahren wird. Ob er mehr als eine durchschnittliche Präsidentschaft abliefern kann, wird sich zeigen - im Sinne des Weltfriedens und zum Wohle der US-Bürger wäre es wünschenswert.

* Originaltitel: "Monster und Messias - Parallelen zwischen Trump und Obama" Die Überschriftfunktion lässt aber nur 20 Zeichen zu...