Gesellschaft | Doping

Taschlers Fehltritt

Paukenschlag in den Dopingermittlungen: Biathlon-Papst Gottlieb Taschler soll seinen Sohn Daniel zum EPO-Doping zu Michele Ferrari geschickt haben.

Seit vier Jahren liegt der Ermittlungsbericht der Carabinieriabteilung NAS in einem Aktenfaszikel in Padua. Die Staatsanwaltschaft Padua hatte damals gegen den Dopingarzt Michele Ferrari ermittelt und Anklage in Dutzenden Fällen wegen Dopings erhoben. Das Material der Staatsanwaltschaft ist so umfangreich, dass dieser Teil der Ermittlungen bisher in Vergessenheit geraten war.
Vor einigen Wochen aber wurden diese Akten dem italienischen CONI übermittelt. Am Mittwoch landeten Auszüge aus dem Ermittlungsbericht in der „Gazzetta dello Sport“. Hauptperson in dem Ermittlungsakt ist der Südtiroler Biathlon-Papst Gottlieb Taschler und dessen Sohn Daniel. Es ist ein Paukenschlag, der einen Schatten auf einen der erfolgreichsten Südtiroler Sportler wirft und auf einen Menschen, der wie kein Zweiter den unglaublichen Erfolg von Antholz als internationales Biathlon-Zentrum personifiziert.

Vater und Sohn

Gottlieb Taschler ist eine Fixgröße im Biathlon. Der heute 52jährige Antholzer nahm an drei Olympiaden und an neun Biathlon-Weltmeisterschaften teil. Er holte bei der Olympiade in Calgary 1988 Bronze mit der italienischen Staffel und schafften bei den Weltmeisterschaften 1986 eine Bronzemedaille und 1991 sogar Gold. Nachdem Taschler seine aktive Laufbahn beendete, war er jahrelang italienischer Nationaltrainer und er ist seit vielen Jahren Vizepräsident der internationalen Biathlon Union. In diesem Amt wurde er erst im September 2014 wiederbestätigt.
Gottlieb Taschler ist aber vor allem auch der Kopf und die Seele des größten und erfolgreichsten Südtiroler Wintersportereignisses: Er ist der Organisationschef von Biathlon Antholz.
Taschlers Sohn Daniel ist in die Fußstapfen des Vaters getreten. Der heute 27-Jährige ist Mitglied der italienischen Biathlon-Nationalmannschaft. Bisher blieben Daniel Taschler große internationale Erfolge aber versagt.
Vater und Sohn stehen aber im Mittelpunkt einer Geschichte, die einen dunklen Schatten auf ihre bisherige Karriere werfen könnte.

Die Anrufe

In den Ermittlungsakten liegen mehrere Abhörprotokolle, die sowohl Gottlieb als auch Daniel Taschler schwerstens belasten. So findet sich die Abschrift eines Telefongesprächs vom 20. Juli 2010, in dem Gottlieb Taschler den Dopingarzt Michele Ferrari anruft, um ein Treffen für seinen Sohn zu vereinbaren. Daniel Taschler und Michele Ferrari treffen sich dann auch am 22. Juli, am 13. August und am 1. Oktober 2010 in Antholz. Ähnlich wie bei Alex Schwarzer findet eines der Treffen mit dem Dopingarzt am 25. September 2010 aber auch an der Autobahnausfahrt Ferrara Nord statt.
Die Ermittler haben erdrückende Beweise dafür gesammelt, dass Michele Ferrari Daniel Taschler mit EPO gedopt hat. Es gibt Dutzende abgehörte Telefongespräche, die mehr als eindeutig sind.

„In der Spritze“

Die „Gazzetta dello Sport“ veröffentlicht eines der Abhörprotokolle. Es ist ein entlarvendes Gespräch.

Michele Ferrari: Sehr gut, aber besser sind diese hier (erklärt ihm das genaue EPO-Medikament)

Daniel Taschler: Ja.

Ferrari: Gut, die niedrigeren. Hast du noch nicht damit begonnen?

Taschler: Nein.

Ferrari: Gut, dann machen wir eine kleines Programm. Heute haben wir den 17....bist zu jetzt zuhause?

Taschler: Ja, ich bin daheim.

Ferrari: Wie lange?

Taschler: Noch den ganzen Monat.

Ferrari: Ah, du bist immer daheim. Gut. Nimm sie, wenn du daheim bist, nimm sie immer daheim.

Taschler: Ja.

Ferrari: Einen Tag ja, einen Tag Pause, so wie wir ausgemacht haben.

Daniel: In die Vene?

Ferrari: In die Vene.

Daniel: 1000 immer?

Ferrari: Immer 1000.

Daniel: Und danach?

Ferrari: Die Hälfte.

Daniel: Die Hälfte?

Ferrari: Die andere Hälfte kannst du in der Spritze lassen. So bleibt es dir eine Weile besser erhalten...und dann tust du es weg.

Daniel: Ah...in der Spritze.

Ferrari...in der Spritze und du machst dir nur die Hälfte.

Taschlers Rolle

Die Ermittler gehen davon aus, dass Gottlieb Taschler beim Doping seines Sohnes eine aktive Rolle gespielt hat. „Il capo del biathlon mandava a dopare il figlio“, titelt dann auch die Gazzetta.
Indizien dafür gibt es genügend. Nicht nur, dass Gottlieb Taschler direkt den Kontakt zu Michele Ferrari gesucht hat und die Treffen für seinen Sohn ausmachte. Der Doping-Arzt gibt auch genau Anweisungen an Taschler Junior, wie die weitere Kontaktnahme erfolgen soll.

In einem der angehörten Telefongespräche sagt Michele Ferrari:

Diesmal aber treffen wir uns in Ferrara Süd. Ich gebe dir auch noch eine andere Telefonnummer, die du aber nicht über dein Telefon anrufen darfst. Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist und das du nur für diese Gespräche benutzt. Du besorgst dir ein anderes Telefon über eine dritte Person, die nicht du und auch nicht Gottlieb ist, die aber ein Telefon und eine Sim-Karte kauft. Du darfst diese Simkarte aber auch nicht in deinem Telefon benutzen, denn sonst kann man das zu dir zurückverfolgen. Also, ich gebe dir jetzt meine andere Nummer, es ist eine Schweizer Rufnummer, die du aber nur für diese Sache gebrauchst. Es ist auf jeden Fall besser, wenn du überhaupt nicht anrufst.....“

In mehreren Anrufen fragt Michele Ferrari Daniel Taschler direkt nach dem Vater. Zudem ruft Gottlieb Taschler eine Woche nach Beginn der EPO-Verabreichung bei Ferrari an. Taschler informiert den Arzt, dass sein Sohn eine Bronchitis habe. Ferrari rät: Er soll das Trainig unterbrechen und im Bett bleiben.
Einige Wochen später fährt Gottlieb Taschler seinen Sohn zu Michele Ferrari zur Visite. Wenig später schafft Daniel Taschler dann eines seiner besten Ergebnisse. Er wird im Sprint von Altenberg Fünfter.
Für Gottlieb Taschler gilt die Unschuldsvermutung. Der Südtiroler Biathlon-Papst wird in dem Ermittlungsakten aber schwer belastet. Die Frage, die sich jetzt stellt: Stürzt nach Alex Schwarzer ein weiteres Südtiroler Sportdenkmal wegen Dopings vom Sockel?

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Willy Pöder Sa., 13.12.2014 - 04:37

"Der Kopf und die Seele des größten und erfolgreichsten Südtiroler Wintersportereignisses..." (siehe im Artikel oben) war ohne Zweifel Paul Zingele, der im Ausklingen der Sechzigerjahre die Idee dazu hatte, die Initiative ergriff und das Ganze in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut und in Schwung gebracht hat. Auf Paul Zingele folgte Franz Rieder. In dessen Fußstapfen trat dann Gottlieb Taschler. Weltcuprennen und Weltmeisterschaften wurden sowohl unter Paul Zingerle als auch unter Franz Rieder wie später auch unter Gottlieb Taschler ausgerichtet. Taschler hebt sich von seinen Vorgängern in der Hauptsache durch den großzügigen Um- und Ausbau der Sportanlagen in Antholz-Obertal ab. Jeder der drei Präsidenten hat in seiner Zeit Außergewöhnliches geleistet - dank der kompromisslosen Mitarbeit und Unterstützung durch die Antholzer Bevölkerung selbst.

Sa., 13.12.2014 - 04:37 Permalink