Chronik | Gericht

Die Telefondaten

Das Überwachungsgericht hat im Fall der zwei ehemaligen Gerichtspolizisten der Auswertung der Telefondaten zugestimmt. Inzwischen wurden die Ermittlungen ausgeweitet.
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Foto: upi
Überwachungsrichter Peter Michaeler hatte es nicht leicht. Auf der einen Seite Anwalt Francesco Coran, der alles tut, um die Ermittlungen gegen seine Mandanten im Keim zu ersticken, auf der anderen Seite der stellvertretende Staatsanwalt Andrea Sacchetti, der darum kämpft, dass ihm wichtige Beweismittel nicht aus der Hand genommen werden.
Am Ende war es ein Sieg für die Anklage. Denn Richter Michaeler entschied am vergangenen Freitag, dass die Daten der fünf beschlagnahmten Mobiltelefone und Computer von einem Gerichtssachverständigen ausgewertet werden. Genau das hatte Coran zu verhindern versucht.
Dass es in diesem Beweissicherungsverfahren (incidente probatorio) gleich um ein halbes Dutzend Datenträger geht, liegt daran, dass sich die Ermittlungen gegen die zwei ehemaligen Gerichtspolizisten in den vergangenen zwei Wochen deutlich ausgeweitet haben.
 

Die Ermittlung

 
Vor drei Wochen enthüllte salto.bz exklusiv eine Geschichte, die nicht nur in Justizkreisen für einiges Aufsehen sorgte.
Am 27. Dezember 2018 durchsuchte eine kleine ausgewählte Gruppe von Beamten der Finanzwache, der Staatspolizei und der Carabinierispezialeinheit ROS die Privatwohnungen und Büros von zwei ehemaligen Carabinieri.
Die Ermittlungen, die vom leitenden Staatsanwalt Giancarlo Bramante und den beiden stellvertretenden Staatsanwälten Igor Secco und Andrea Sacchetti geführt werden, betreffen zwei Carabinieri, die jahrelang als Mitglieder der Gerichtspolizei am Bozner Landesgericht gearbeitet haben.
Einer der beiden war viele Jahre lang die rechte Hand von Chefstaatsanwalt Cuno Tarfusser. Er war an allen großen Ermittlungen der 1990-er und 2000-er Jahre federführend beteiligt. Der „Luogotenente“ gilt seit vielen Jahren als unbestrittene Autorität bei der Bozner Gerichtspolizei. Obwohl formal nicht vorgesehen, war er als einer der dienstältesten Ermittler eine Art Chef der Carabinieri am Gericht.
 
Der andere Carabiniere war über zehn Jahre lang der Fahrer der Chefstaatsanwälte. Der Brigadier hat so jahrelang Cuno Tarfusser herumkutschiert. Danach war er der Fahrer von Guido Rispoli. Zudem verwaltete er die fünf Dienstwagen der Gerichtspolizei.
Nach Jahrzehnten an der Staatsanwaltschaft endete der Dienst der beiden Gerichtspolizisten völlig überraschend im Frühjahr 2018. Der neue leitende Staatsanwalt Giancarlo Bramante trennte sich von beiden. Der Grund: Ein gestörtes Vertrauensverhältnis. 
 

Sichergestellte Beweise

 
Offizieller Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein privates Mittagessen, bei dem die beiden Carabinieribeamten Cuno Tarfusser und den Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi im Dienstwagen abgeholt hatten.
Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante leitet Vorermittlungen gegen den Brigadier und Fahrer ein, aber auch gegen den "Luogotenente" in seiner Eigenschaft als Mitfahrer und als offizieller Kontrolleur über den Fuhrpark der Staatsanwaltschaft.
In den Monaten darauf beginnt die Gerichtspolizei, die gesamte Dokumentation und die Fahrten der insgesamt fünf Dienstfahrzeuge der Staatsanwaltschaft zu überprüfen.
 Das Ergebnis: Es gibt nicht nur haarsträubende Unregelmäßigkeiten in den Fahrtenbüchern, sondern es scheinen auch Fahrten nach Como, Taranto und Verona auf, für die es keinerlei dienstliche Erklärungen gibt. Die Staatsanwälte gehen davon aus, dass Dutzende solcher Fahrten ausschließlich private Hintergründe haben. 
 
Zudem wurden im Landeskommando der Carabinieri in der Bozner Dantestraße im Schreibtisch eines der beiden Carabinieri 9.000 Euro an Bargeld gefunden, für die es bisher keine plausible Erklärung gibt.
Die Ermittler beschlagnahmten die Handys und Computer der Beschuldigten. Bereits im Jänner versuchte Anwalt Francesco Coran  vergelblich, vom Überwachungsgericht die Rückgabe der Datenträger zu erwirken.
 

Weitere Durchsuchungen

 
Dass es die Verteidigung vergangene Woche nochmals in höherer Instanz versuchte, dürfte daran liegen, dass sich die Ermittlungen inzwischen ausgeweitet haben. 
Aus den Telefondaten geht hervor, dass der ehemalige Chef der Bozner Gerichtspolizei engen Kontakt mit dem Veroneser Privatdetektiv Matteo Zamboni und dessen Agentur Matrix hatte. Zamboni und die Matrix sind bereits in einen italienweiten Skandal verwickelt, in dem Beamte der Staatspolizei und der Finanzwache sensible Polizeidaten an den Detektiv verkauft haben sollen. Mehrere Angeklagte arbeiten in Bozen.
Nach Informationen von salto.bz haben die Bozner Ermittler in Verona inzwischen auch die Mobiltelefone und Computer Zambonis beschlagnahmt. Zudem wurden auch die Telefone und Datenträger eines Bozner Unternehmers von den Ermittlern sichergestellt. Der Mann arbeitet im Sportbereich.
Anwalt Francesco Coran hat beim Beweissicherungsverfahren am Freitag versucht, die Auswertung der Daten einzuschränken. Allein auf die in den Ermittlungsakten aufgelisteten Telefonverbindungen. „Wenn ich bei einer Drogenrazzia eine Pistole finde“, argumentiert Staatsanwalt Andrea Sacchetti, „lasse ich sie dann liegen?“.
Ein Vergleich, der Richter Peter Michaeler anscheinend überzeugt hat. Der Richter verfügte die Auswertung aller Daten.