Politik | Volksbefragung

Ja oder Nein, das ist hier die Frage.

Heut wird in einer beratenden Volksbefragung über das Flughafengesetz abgestimmt. Anschließend wird der Landtag über das Gesetz abstimmen. Aber wie?
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Heut wird abgestimmt. In den letzten Wochen und Monaten wurde zum Flughafenkonzept des Landeshauptmanns wirklich alles gesagt, was zu sagen war und wir werden in den nächsten Tagen auch die Kampagne zu dieser ersten landesweiten Volksbefragung ausgiebig kommentieren.

Der Wahltag ist immer ein ganz besonderer Tag. Wer „wahlgekämpft“ hat, fühlt sich ganz eigenartig in der Schwebe, im Gefühl, alles getan zu haben, was man tun konnte. Für die DemokratInnen liegt eine große Ruhe in diesem Tag. Sie wissen, dass das geschieht, was für die Mehrheit der BürgerInnen, denen das Thema wichtig ist, richtig ist.

(Dies ist übrigens auch die einzige Haltung, in der sich Personenwahlen ertragen lassen. Auch da ergibt sich ein ganz spezifisches Gefühl der Gelassenheit daraus, dass man ein Angebot gemacht macht, über das nun andere entscheiden und das wird das Richtige sein.)

Den heutigen Schwebezustand möchte ich dazu nutzen, über einen Aspekt nachzudenken, der bisher noch nicht im Fokus der Debatten war. Heut wird in einer beratenden Volksbefragung über das Flughafengesetz abgestimmt. Anschließend wird der Landtag definitiv über das Gesetz abstimmen. Der LH hat das politische Versprechen abgegeben, dass die Mehrheit das Votum des Volkes in jedem Fall (sogar wenn das gesetzlich vorgesehene Quorum nicht erreicht wird) umsetzen wird.

Die Übernahme des Votums des Volkes eröffnet für uns VolksvertreterInnen jedoch ein Dilemma.

Sollte das NEIN gewinnen, das ich unterstütze, so ist es für mich als Abgeordnete ein Leichtes: Bei der Abstimmung im Landtag stimme ich mit NEIN und setze somit meine eigene Herzensüberzeugung und den Mehrheitsentscheid der Volksbefragung um.

Was aber, wenn heute das JA gewinnt? As überzeugte Direktdemokratin muss ich bei der Abstimmung über das Gesetz mit JA stimmen, um dem Wählerwillen Rechnung zu tragen. Damit komme ich aber in Konflikt mit dem Auftrag, den mir meine eigenen WählerInnen bei meiner Wahl von 2,5 Jahren gegeben haben. Ganz sicher waren unter den 9.270 Stimmen keine oder nur sehr wenige FlughafenbefürworterInnen und viele von ihnen würden nicht verstehen, wenn ich plötzlich für den Flughafen stimmen würde.

Wir sind hier an einer Nahtstelle zwischen direkter Demokratie und Repräsentantendemokratie, mit zwei sich möglicherweise zuwiderlaufenden Aufträgen und ich bin mir unsicher, was das Richtige ist. Meine eigene innere Meinung tendiert dazu, den direktdemokratischen Auftrag voranzustellen  und im Falle eines JA-Sieges anschließend im Landtag für das Gesetz zu stimmen. Aber das hieße auch, meinen WäherInnen ihre Stimme zu nehmen, die sie ja über mich ausdrücken. Andererseits widerstrebt es zutiefst meiner demokratischen Auffassung, den Auftrag der WählerInnen nicht umzusetzen. Als das in Mals im Nachfeld der Volksabstimmung zu den Pestiziden passiert ist, war ich entrüstet. Nun spüre ich selbst das Dilemma – auch wenn ich auf der anderen Seite stehe.

Mein „Problem“, das ich hier aufwerfe, ist gewissermaßen ein Luxusproblem, da ich ja nicht in der politischen Mehrheit bin. Auf ihr lastet in Wirklichkeit das gesamte Ausmaß dieses Dilemmas, und natürlich könnte ich auch einfach sagen, dass sich damit eben die Mehrheit befassen soll und ich stimme einfach meinem Herzen folgend. Aber mein Kriterium ist immer, die Sachfrage voranzustellen.

Wir haben im „Grünen Rat“ darüber lange diskutiert. Es überwogen die Stimmen jener, die dazu neigen, den Wählerauftrag voranzustellen und das NEIN unserer Wählerschaft auch in die Endabstimmung zu tragen. Es würde nicht verstanden, wenn wir als Grüne nun plötzlich mit JA stimmen würden, war eine weitere, ernstzunehmende!, Sorge. Mit der werden sich umso schwerwiegender auch all jene Abgeordnete der Mehrheit herumschlagen müssen, die selber vom JA überzeugt sind, im Falle eines NEIN aber dieses umsetzen müssen.

Eine praktische Lösung könnte sein, im Falle des JA-Sieges heute, bei der Abstimmung im Landtag nicht teilzunehmen und der Mehrheit die Möglichkeit zu geben, das JA umzusetzen. Diese könnten dasselbe im Falle eines NEIN tun.

Andererseits ist Nicht-Mitstimmen auch immer ein Akt der Selbstaufgabe.

Es ist ein schönes Dilemma, das ich hier erörtere. Es zeigt, wie vielschichtig Demokratie ist und wie sehr sie sich derzeit entwickelt und wie sehr wir uns mit ihr entwickeln müssen. Jede und jeder an ihrem oder seinem Ort und hoffentlich nicht alleine. Denn eines ist sicherer Gewinn in der Demokratie: Man entscheidet nicht allein.

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gorgias So., 12.06.2016 - 12:49

Ich möchte aus dieser "Herzensangelegenheit" eine Vernunftsfrage machen. Und eigentlich bin ich von diesem Kuddelmuddel Ihrer Überlegungen ein bischen entäuscht, da Sie anscheinend nach der ganzen Außeinandersetzung mit dem Thema noch nicht die Instrumente der direkten und repräsentativen Demokratie in ihrem Geiste verstanden haben.

Der Unterschied zwischen einer Volksbefragung und eine Volksabstimmung, den ich jetzt nicht unterstellen möchte dass Sie ihn nicht wissen, ist dass bei einer Volksabstimmung das Ergebnis Verbindlich ist, oder wenn es sich um ein Gesetz handelt, dieses nicht eine parlamentarische Abstimmung benötigt.

Parlamentarier üben ein freies Mandat aus. Diese sind nur der formalen Einhaltung des gesetzlichen Rahmens und dem eigenen Gewissen verantwortlich.

Eine Volksbefragung ist ein Mittel für das Volk über einen Sachverhalt zu befragen, die dann die Volksvertreter in ihrem eigenen Ermessen zur Kenntnis nehmen können.

Was hier in diesem Fall Konkret bei der Flughafenbefragung vieleicht Sie konfus macht, ist dass der Landeshauptmann sich entschieden hat das Ergebnis als Bindend zu nehmen. Sich also im Falle eines Ergebnisses das seinen Überzeugungen nicht übereinstimmt trotzdem sich nach dem Ergebnis der Volksabstimmung zu richten. Dieses Versprechen ist ein Gentelmenagreement zwischen ihn und dem Wahlvolk. Würde er sich an dem Ergebnis nicht halten ist das formal völlig korrekt, doch wäre aus einer moralischen und demokratiepolitischen Sicht zweifelhaft.

Nun komme ich zur Grünen Fraktion und Ihnen: Ich habe nichts in den Medien gehört, dass Sie oder die Grüne Fraktion sich selbst verpflichtet haben sich an das Ergebnis zu binden. Somit kann kein Interessenskonflikt zwischen ihren Überzeugungen und einem dem Wahlvolk gegebenen Versprechen entstehen.

Was sie aber moralisch Verpflichtet sind, als gewählter Repräsentant zum Südtiroler Landtag, dessen Amt Sie angenommen haben, ist Ihr freies Mandat auszuüben und nach ihrem Gewissen abzustimmen. Dafür wurden Sie gewählt und dafür werden Sie auch bezahlt. Nicht mehr und nicht weniger.
Wegbleiben oder duckmäuserisches Entschuldigen eines Stimmverhalten weil man in der Opposition ist, sind der Ehre des Amtes nicht würdig und Schaden dem Prinzip und der Idee des freien Mandates, den Grundstein der repräsentativen Demokratie.

So., 12.06.2016 - 12:49 Permalink
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Bernhard Oberrauch Di., 14.06.2016 - 14:42

das Problem stellt sich für mich nur, wenn Legislative und Exekutive vermischt werden. Im Landtag, und unterstützend über Volksbefragungen und Referenden (=Legislative), werden Beschlüsse aus verschiedenen Meinungen gefasst, und die Landesregierung (=Exekutive) setzt dann die Beschlüsse um.

Di., 14.06.2016 - 14:42 Permalink
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Thomas Benedikter Di., 14.06.2016 - 16:08

Dem ganz konkreten Dilemma, in wenigen Wochen als Landtagsabgeordnete einem Flughafen-Ausbaugesetz zustimmen zu müssen, ist Brigitte Foppa glücklicherweise enthoben. Und welch ein NEIN die Bürgerschaft dem LH vermittelt hat! Doch hat Bernhard Oberrauch auch nicht ganz recht, denn ein Flughafen-Ausstiegsgesetz wird der Landtag demnächst tatsächlich beschließen müssen. Wiederum fällt es Brigitte da nicht schwer, zuzustimmen. Hätte das JA gewonnen, wäre es zur Abstimmung über das vom LH vorgelegte Landesgesetz zur Subveentionierung gekommen, wo du mit bestem Gewissen hättest mit NEIN stimmen. Und zwar, weil es - wie Gorgias völlig richtig anmerkt - kein imperatives Mandat gibt, weder seitens der Wählerinnen, noch seitens der Abstimmenden bei einer Volksabstimmung. Ihr seid laut Verfassung dem Gemeinwohl und der ideellen Gesamtheit der Bürger verpflichtet. Und wenn du die einzige wärst, die einen solchen Flughafen für unverinbar mit dem Gemeinwohl hältst, könntest du im Landtag noch dagegen stimmen.

Di., 14.06.2016 - 16:08 Permalink
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gorgias Di., 14.06.2016 - 22:57

Antwort auf von Thomas Benedikter

Dem ganz konkreten Dilemma, in wenigen Wochen als Landtagsabgeordnete einem Flughafen-Ausbaugesetz zustimmen zu müssen,

Sie widersprechen sich. Am Ende stellen Sie es ja richtig:

Und zwar, weil es - wie Gorgias völlig richtig anmerkt - kein imperatives Mandat gibt, weder seitens der Wählerinnen, noch seitens der Abstimmenden bei einer Volksabstimmung. Ihr seid laut Verfassung dem Gemeinwohl und der ideellen Gesamtheit der Bürger verpflichtet. Und wenn du die einzige wärst, die einen solchen Flughafen für unverinbar mit dem Gemeinwohl hältst, könntest du im Landtag noch dagegen stimmen.

Wo wäre dieses Dilemma bitte bei einem positiven Ausgang gewesen, außer in den eingebildeten Leiden der Brigitte F. ?

Di., 14.06.2016 - 22:57 Permalink