Kultur | Salto Afternoon

Duell zu dritt

Die Westernoper Amalia ist ein Abarbeiten an den großen Film- und Westernklassikern. Und an gängigen Klischees darüber.
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Foto: ©Haydn

Eine große Kinoleinwand, ein Haydn-Orchester in kleiner Besetzung – die zweigeteilte Bühne der Westernoper Amalia ist schlicht gehalten. In der Mitte des Studiotheaters im Stadttheater in Bozen liegt ein großer Stein, ein Findling, als unschuldiges und für  minimalistisch gehaltenes Reenactment aus dem Pfossental. Unschuldig wird sich die holde Maid Amalia nach der ersten Filmszene auf ihn setzten, ihre erste Arie vortragen und Gefühle preisgeben. In der alpinen Hauptfigur ist in Ansätzen die Rolle der Amy (Grace Kelly) aus dem Western High Noon zu erkennen, begleitet wird ihr Leben von zwei Naturburschen und einer Horde Krampussen, die sich inmitten einer kargen Landschaft archaisch bewegen. Der Film, der im Hintergrund der singenden Westernhelden abläuft, veranschaulicht den Plot und blitzt mit der einen oder anderen synchronen Gegenüberstellung Bühne/Film auf. 

Man hat den Eindruck Tarantino, Leone, Morricone sitzen gemeinsam bei einer Jam-Session und spielen Filmmusikklassiker

Am Ende des ersten Teils erlebt das Publikum die Ankunft von Jakob, einem Mann der seine Heimat vor Jahren verlassen hatte, nun zurückkehrt, und – was sonst – seine Ungerechtigkeit rächt. Es kommt zum feinen Duell zu dritt, vorgetragen in Sopran, Tenor und Bass – den Film im Nacken. Die Oper aus vielen Versatzstücken der Film- und Musikgeschichte wirkt manchmal wie ein unentschlossenes Rollenspiel, das einerseits die Grenzen verschiedener Gattungen aufhebt, anderseits werden gerade die Bezüge zur Genre-Tradition überproportional hervorgehoben.

Die Idee zur Oper hatte Franziska Guggenbichler Beck, das dramaturgische Konzept erarbeitete Julian Twarowski. Herausgekommen ist nicht etwa ein Varietétheater, das durch viel Abwechslung dem Kurzweiligkeitsanspruch unserer Gegenwart entgegenkommt. Amalia ist aber nicht weit davon entfernt. Immer wieder treiben die Musiker die Szenen und den Film weiter, es gibt kaum Momente der Ruhe, wie man sie sich im Pfossental durchaus erwarten kann. Mit ruhiger Kameraführung im Stil des Kinoerfolgs Das finstere Tal hat Kameramann Daniel Mahlknecht die Landschaft eindrucksvoll eingefangen, die Produktion des Theaterstreifens lag in den Händen von Martin Rattini (Helios).

Mirjam Gruber (Amalia), Matthew Peña (Jakob) und Andrei Zukov (Ernst) tragen die ihnen zugeschriebenen Arien berühmter Opern hervorragend vor und ernten verdienten Zwischenapplaus. Die Musikcollage zu den Bildern stammt vom israelischen Komponisten Michael Cohen-Weissert und will gleich mehreren Klischees entsprechen - manchmal heroisch, manchmal melancholisch, manchmal spannungsgeladenen. Man hat den Eindruck Tarantino, Leone, Morricone sitzen gemeinsam bei einer Jam-Session und spielen Filmmusikklassiker.

Im Rahmen von Forces of Nature folgt Anfang März bei Oper.a 20.21 das Stück Vixen. Erzählt wird Leo š Janáčeks Das schlaue Füchslein, die Geschichte eines Försters, der eine Füchsin gefangen nimmt, um sie zu zähmen. Diesmal ist das Genre Märchen Zaungast bei der elitären Gattung Oper.