Umwelt | Hintergrund

Wolfsgeheul

Kann eine Unterschrift wirklich etwas an der gefühlten Bedrohung durch den Wolf ändern? Fakten zu einer allzu emotionalen Diskussion.
wolfsgeheul.jpg
Foto: upi

Am Mittwoch Abend näherten sich die Unterschriften unter Arnold Schulers Online-Wolfs-Petition der 18.000-er-Marke. Dazu kommen – sehr zum Ärger von Grünen und Movimento 5 Stelle – noch die Unterschriften, die parallel zur Online-Initiative in Ratshäusern oder Forststationen gesammelt werden. Ihre Publicitywirksamkeit kann man der Aktion wahrlich nicht absprechen. Doch was bringt sie für die aktuelle Diskussion und wie viel näher bringt sie Südtirol einer Lösung? Wer sich mit seiner Unterschrift für „unverzügliche Maßnahmen zur Senkung des Schutzstatutes des Wolfes (in Brüssel) und zur Ermöglichung von geregelten Abschüssen in Südtirol ausspricht“, sollte sich keine allzu großen Erfolgschancen ausrechnen. Vor allem, wenn der Fokus auf das Wort unverzüglich gelegt wird. Dafür reicht es, sich auf der Zunge zergehen lassen, dass Italien seit 16 Jahren, also seit dem Jahr 2002, um einen piano di lupo ringt, einen nationalen Managementplan für Wölfe.

Der wäre aber wiederum die Voraussetzung dafür, die in Südtirol immer lauter geforderten Abschüsse unter bestimmten Umständen zu ermöglichen. Denn bislang gelten diesbezüglich die in Italien 1997 per Dekret umgesetzten Grundsätze der Habitat-Richtlinie aus dem Jahr 1992. Darin legt die Europäische Union ihren Mitgliedsstaaten für den Wolf, wie für viele andere wildlebendende Tiere und Pflanzen, strenge Schutzbestimmungen auf. Dazu gehört auch ein generelles Abschussverbot, von dem Brüssel zwar prinipiell Ausnahmen vorsieht. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen – wie der Gefährdung des Gleichgewichts innerhalb des Ökosystems oder einer konkreten Gefahr für Menschen – und vor allem unter Festlegung staatlicher Regeln. Schließlich sind die EU-Mitgliedsstaaten auch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand, den sogenannten guten Erhaltungszustand, aufbauen können.

(Fast) allein gegen den Rest Italiens

Doch wie viele Wölfe muss es geben, damit legal einer abgeschossen werden kann? Das ist in Italien bislang genauso offen wie viele andere Fragen, die für einen besseren Umgang mit der neuen Herausforderung beantwortet werden müssten. Der wichtigste Grund dafür? Es gibt zwischen Sizilien und Südtirol keine Einigkeit darüber, wie man mit dem Wolf umgehen soll. „Il lupo non si tocca“ versus abschusswütige Bauern oder Bürgermeister, Landwirtschaftsverbände gegen Umweltschützer und  vor allem Regionen versus Regionen: Das ist die Ausgangsposition des hochgradig emotionalen Kampfes, der - nach dem Bär - nun auch um den Wolf losgegangen ist. 

Umso unglücklicher ist die Tatsache, dass es tatsächlich Einstimmigkeit bräuchte, um endlich einen Schritt weiter zu kommen. Da die Kompetenz für Umwelt bis dato zwischen Staat und Regionen aufgeteilt ist, braucht es für den piano lupo ein einstimmiges Votum der Staat-Regionen-Konferenz. Doch dort steht nach dem jüngsten Vorstoß, doch unter bestimmten Bedingungen einen Abschuss zu erlauben, seit vergangenen Dezember wieder alles still.  Schließlich waren neben Trentino-Südtirol nur der Veneto, die Toskana und Valle d’Aosta für den auf technischer Ebene gefundenen Kompromiss zu haben. Alle anderen Regionen sagen klar: „No agli abbatimenti.“

Wenn nun auch nationale Medien wie La Repubblica oder La Stampa über den „Boom di firme a Bolzano per riaprire la caccia al lupo“ berichten, mag das tatsächlich ein wenig mehr bewirken, als Südtirols Bauern rechtzeitig vor dem nächsten Herbst davon zu überzeugen, dass ihr Landesrat voll hinter ihnen steht.

Doch selbst wenn man nun von Mittelitalien abwärts besser verstehen sollte, dass die montanari tatsächlich mehr Probleme mit dem Wolf zu haben scheinen als man selbst, ist es fraglich, ob es deshalb einen politischen Umschwung all jener Regionen gibt, die sich bislang hartnäckig geweigert haben, ihre Zustimmung zu Abschüssen zu geben. Und: Angesicht der aktuellen Situation in Rom ist die Frage, was ein neuer Umweltminister oder eine neue Umweltministerin an dieser Patt-Situation ändern könnte, äußerst hypothetisch.

Autonome Wünsche

Zumindest innerhalb der Landesämter scheint man die Hoffnung auf eine nationale Lösung für alle mittlerweile eher aufgegeben zu haben. Vielmehr schielt man dort in Richtung Deutschland, wo der Wolf selbst Platz im Koalitionsvertrag der neuen deutschen Regierung Platz gefunden hat. Das dort angestrebte föderale Prinzip würde man auch hierzulande ungeschaut kaufen. Sprich: Jede Region oder vielleicht sogar jede Provinz könnte je nach ihren Gegebenheiten selbst entscheiden, wie sie hinsichtlich "letaler Entnahme“ der Tiere vorgehen will.  Das bestätigt auch der Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei Luigi Spagnolli. „Wir versuchen, zumindest bei den technischen Vorschlägen mehr Autonomie zu bekommen“, sagt er. Der entsprechende Vorschlag müsste dann freilich noch vom Istituto Superiore per la Protezione e la Ricerca Ambientale (ISPRA) abgesegnet werden.

Sicher ist: „Unverzüglich“ ist solch eine Kompetenzübertragung ganz sicher nicht zu haben. Umso weniger, als erst einmal fraglich ist, wer in Rom überhaupt dafür zuständig sein wird. Noch entfernter schätzen Experten aber ein Aufweichen der Schutzbestimmungen in Brüssel ein. Denn: Die Habitat-Richtlinien selbst seien seit 1992 noch nie abgeändert wurden. Und auch ein Herabsetzen der Schutzstufe in besonderen Situationen wie zum Beispiel im Fall der Kormorane sei an eine explosionsartige Vermehrung der Tiere gebunden gewesen.

Selbst wenn beispielsweise das Wolfspaar am Monte Lessini in den vergangenen Jahren eindrucksvoll vorgeführt hat, wie schnell aus zwei Wölfen ein beachtliches Rudel werden kann oder der gerade erschienene Trentiner Jahresbericht zu den Großraubtieren zeigt, wie stark die Anzahl der Herden seit 2013 in unserer Nachbarprovinz gestiegen ist: „Unverzüglich“ wird auch die Zahl der rund 10.000 Wölfe in Europa sicher nicht explodieren.

 

Genauso sicher ist: Ein wolfsfreies Südtirol wird es trotz anderslautender Verkündungen so manches Bürgermeisters nicht geben. Darüber sind sich alle Beteiligten zumindest in Hintergrundgesprächen einig. „Die gesetzliche Lage wird es nie zulassen, dass man jedes Exemplar, das durch Südtirol streift, abschießen kann“, heißt es da. Dass nicht nur in Gemeindestuben, sondern auch von einem führenden Medienhaus oder politischen Vertretern immer noch das Gegenteil vorgegaukelt wird, verzögert nur noch weiter, was schon längst passieren hätte sollen: mehr Aufklärung, mehr Maßnahmen – kurzum mehr Ärmel aufkrempeln,  um mit den neuen Herausforderungen umgehen zu lernen.

Fundamentalpositionen – auf beiden Seiten - nützen dabei genauso wenig das finanzielle Taktieren der Bauern rund um die Herdenschutzmaßnahmen. Denn die bislang zahlenmäßig nicht einmal festzumachende Zahl an Wölfen, die Südtirol durchstreifen, würden zwar theoretisch bei einem Wildbestand von bis zu weit mehr als 100.000 Tieren, ausreichend Beute in der Wildnis finden. Doch wenn Schafe oder die menschliche Abfälle leichter zu kriegen sind, wählen auch Wölfe den Weg den geringsten Widerstandes, zeigt sich nicht nur in Studien, sondern in der Südtiroler Realität. Und wie der Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz Andreas Riedl in diesen Tagen nicht müde wird zu warnen: In zwei bis drei Monaten wird das Vieh wieder auf die Almen getrieben – und dann wird es in Südtirol angesichts der sturen Haltung des Bauernbundes noch weit mehr leichte Beute für den Wolf geben.

Bild
Profil für Benutzer Markus Gufler
Markus Gufler Do., 15.03.2018 - 08:19

Ich wäre dafür, dass die Stadtbevölkerung viel mehr in die Situation einbezogen wird.

Man könnte z.b. definieren, dass man die Wölfe leben und machen lässt. Man könnte sagen, ein gerissenes Schaf muss - dem Stadtbürger zuliebe - dann halt nicht eines natürlichen Todes oder kurz und schmerzlos mit einem Bolzenschuss sterben, sondern es kann schon mal einige Stunden dauern, bis es mit aufgerissenem Hinterteil langsam verblutet.
Aber so ist das Leben, und dem Stadtbürger ist Natur nun mal das allerwichtigste. Er weiß ja was er kaputt... äh wovon er spricht.

Um diese direkte Verbindung Wolfsfreiheit Stadtbürgerbefriedigung herzustellen würde ich vorschlagen, dass man - kapitalistisch wie das Leben nun mal ist - ein Nutztier-leben mit 3 Wochen Stadtbürger-Gehalt gleichsetzt. Das gerissene Schaf wird mittels Zufallsprinzip auf einen Stadtbürger umgelegt. Die 3 Wochen Gehalt werden 1:1 zum Ankauf eines Ersatz-Lebewesens verwendet.

Wer ist mit dabei? Geben wir dem Wolf eine Chance!

Do., 15.03.2018 - 08:19 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Markus Gufler
Markus Gufler Do., 15.03.2018 - 09:45

Nein ganz im Gegenteil und wie sehr deutlich und ernst gemeint geschrieben: Ich bin dafür die Stadtbürger viel direkter und mehr in die Situation zu involvieren. Das würde auch mich betreffen, sofern mit einer Involvierung (Sprich Verantwortung) der Wolfs-Schutz noch gesellschaftsfähig bliebe.

Man könnte das Ganze natürlich auch auf eine generelle Bühne stellen: Wie sinnvoll bzw. gefährlich ist es für eine Gesellschaft wenn Mehrheiten bevorzugt über Konsequenzen entscheiden, die allein andere Bevölkerungsgruppen treffen und zu tragen haben? (@servus leute bitte verstehen sie das als eine konkret an sie gerichtete Frage mit Bitte um eine Antwort)

Im Vergleich dazu: die Malser glauben immer noch, dass sie zu über 70% gegen Pestizide gestimmt haben, was eine sehr eigenartige Interpretation ist, weil es eben eine Entscheidung von nicht-Bauern über Bauern darstellt. Korrekt wäre die Behauptung und das Malser Tun, wenn sie ihre Entscheidung dauerhaft und zu über 70% im Lebensmittel-Geschäft und Restaurants treffen würden, indem sie ausschließlich Bio-Produkte kaufen und konsumieren. Dieser Wert liegt aber noch immer unter 10%. Die Steigerungszahlen beziehen sich - geschickt manipulierend formuliert - auf diesen Ausgangswert und nicht den gesamten Lebensmittelumsatz. Wenn also der Bio-Konsum (10%) um sagenhafte 50% steigen würde, dann sind das nicht 60 sondern 15%. Und eigentlich ist die Bevölkerung die gegen Pestizide oder Wolfsregulierungen, oder Dieselabgase ist, noch weit davon entfernt es selbst wirklich besser zu machen. Der Bio-Konsum liegt nämlich noch gar nicht bei 10% sondern eher bei 5% (https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-lebensmittel/mehr-zum-them…)

Hier gibt es also einen gravierenden Unterschied zwischen unbetroffenem Reden und effektivem Tun. Konkret gesagt: einer wirklichen Verantwortung die jemand übernehmen wollte. Eben z.B. indem man sagt, der Schaden den man durch einen Wildtier-Riss einem Bauern so ohne Weiteres zutraut, würde man durch ein Zufallsprinzip auch selbst übernehmen.

Ich meine den Vorschlag wirklich ernst! Das ist kein Spaß! Stadtbürger und Wolfs-Lover: Übernehmt doch eine Patenschaft und stellt sicher, dass eventuelle Schäden gedeckt sind. Rückgrat! Verantwortung! ...und nicht blose Klugscheißerei auf dem Rücken anderer!

Do., 15.03.2018 - 09:45 Permalink
Bild
Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga Do., 15.03.2018 - 21:41

Nichtbauern haben mehrheitlich über Bauern entschieden. Vorher haben Bauern die mehrheitlichen Nichtbauern, mit den Mitteln ihrer Wahl oder die ihnen empfohlenen , eingenebelt. Auch demokratische Mehrheiten haben Grenzen.

Do., 15.03.2018 - 21:41 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Markus Gufler
Markus Gufler Do., 15.03.2018 - 22:50

Antwort auf von rotaderga

Ja eben: wenn man die "Mittel" nicht will, sollte man die damit erzeugten Waren auch nicht kaufen und konsumieren!
Wenn man es doch macht, dann tut man genau drei Dinge:
1.) Schuld bzw. Bürde anderen zuweisen
2.) Keine Eigen-Verantwortung übernehmen
3.) den Einsatz der "Mittel" andernorts erforderlich machen

Gratulation! Solche Leute echauffieren sich auch gegen Kinderarbeit und laufen im Tshirt um 7,99.- herum.

Do., 15.03.2018 - 22:50 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sergio Sette
Sergio Sette Fr., 16.03.2018 - 10:57

Ogni commento/analisi non può che partire da una semplice constatazione: l'ambiente veramente "naturale", ovvero l'habitat di qualsiasi animale selvatico non esiste più. Questo è vero in Alto Adige più che in altre aree nazionali (e non) dove l'ambiente montano è spesso sottopopolato, a volte da tempo abbandonato.
Va da sé quindi che una qualche forma di regolamentazione della popolazione degli animali selvatici deve essere presa. A maggior ragione se questi sono pericolosi per l'uomo o danneggiano le attività umane.
Con questi presupposti, con l'elevato tasso di attività umana presente nel ns ambiente montano e la quantità di reddito che questo comporta, non si può pensare che nessuno volesse correre ai ripari. Di fatto il lupo molti lo hanno davanti o dentro al giardino di casa !

Sui modi in cui la petizione è stata pubblicizzata si può essere critici quanto si vuole ma anche questo fa parte del sistema Alto Adige. Che, mettiamoci bene il cuore in pace, gode di un consenso elevatissimo nella popolazione.

Quello che mi sorprende di più è la reazione nel campo ambientalista: come al solito ci si perde su temi simbolici, di bandiera o forse di facciata, come lupi, orsi o la tutela di qualche malghetta alpina. Quando il vero problema, specialmente se si pensa al lupo è un altro: lo sfruttamento che sembra non avere limite delle risorse naturali sulle ns montagne. Come si fa a lamentarsi del trattamento riservato al lupo quando nulla si dice/fa per frenare la trasformazione dei boschi, che del lupo sono appunto l'habitat naturale, in piantagioni/legnaie ?
E' un po' come lamentarsi del moscerino nell'occhio e ignorare il bastone che si ha conficcato nel sedere...
Oppure, sempre utilizzando un modo di dire popolare, pretendere di avere la botte piena e la moglie ubriaca.

Fr., 16.03.2018 - 10:57 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Ludwig Thoma
Ludwig Thoma Fr., 16.03.2018 - 18:16

Es wäre doch interessant zu wissen, ob Länder die eine Entnahme von Wölfen vorgesehen haben weniger Probleme haben. Auch sollte der LR vielleicht mal Zahlen vorlegen, aus denen hervorgeht wieviele Tiere von Wölfen gerissen wurden, wieviele durch Krankheit, Wetter oder wegen Abstürzen und nicht artgerechter Haltung ihr Leben gelassen haben. Auch sachdienlich wäre aufgrund welcher Daten er zu der Annahme kommt, dass allein die Entnahme besser funktionieren sollte als Herdenmanagement, bzw. eine Kombination der beiden Maßnahmen.

Fr., 16.03.2018 - 18:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sergio Sette
Sergio Sette So., 18.03.2018 - 12:50

Antwort auf von Ludwig Thoma

Giusto ieri il programma televisivo Presa Diretta ha mostrato l’esempio del Parco della Maiella dove i lupi sono gestiti in modo molto diverso. La statistica mostra come questi si nutrano solo per il 5% di animali non selvatici e quando lo fanno spesso accade che cerchino fra i rifiuti. In compenso nel parco non è necessaria nessuna forma di caccia agli ungulati perché il loro numero è tenuto sotto controllo da i lupi (forse è questo che disturba da noi, se è il lupo a cacciare che cacceranno i nostri cacciatori?)
Gli ungulati, reintrodotti a loro volta recentemente, hanno contribuito a mantenere i pascoli di alta quota sani e fertili. Insomma un bell’esempio di reintroduzione di equilibrio naturale.
Da noi penso però sia irrealizzabile perché la politica di gestione del bosco e delle risorse montane improntata allo sfrutttamento intensivo ha tolto ogni spazio per esperienze simili. E se nessuno la mette in dubbio è assolutamente inutile lamentarsi di ciò che da questa consegue.

So., 18.03.2018 - 12:50 Permalink