Wirtschaft | Solland

“Wir brauchen keinen neuen Pugliese”

Bürgermeister Paul Rösch warnt vor den Kosten und Risiken der möglichen Weiterführung des Siliziumwerks in Sinich – und sieht das Land am Zug.
Paul Rösch
Foto: Stadtgemeinde Meran

Mehr als 100.000 Euro. So viel kostet das Siliziumwerk in Sinich die Steuerzahler jede Woche. Eine Menge Geld, findet wohl nicht nur Paul Rösch. Zumal es um einen Betrieb geht, der nach seinem Konkurs im Dezember 2016 schon zig Male gerettet schien. Aber von möglichen Investoren immer wieder fallen gelassen wurde. Nach den jüngsten Entwicklungen rund um die Solland Silicon mahnt der Meraner Bürgermeister nun vor voreiligen Freudensprüngen – und davor, “einen maroden Betrieb am Laufen zu halten.”

 

Die Odyssee geht weiter...

Nachdem der letzte Deal im Frühjahr dieses Jahres geplatzt war, die x-te Versteigerung versandet, hätte das Werk des Betreibers Solland Silicon Schritt für Schritt bis April 2019 stillgelegt werden sollen. Zum Missfallen der Gewerkschaften, die seit Jahren gegen die Missstände bei der Solland – die liefen mit der Übernahme durch den kampanischen Unternehmer Massimo Pugliese Ende 2014 weiter, bevor Pugliese Ende 2016 Konkurs anmeldete – protestieren. “Das Schicksal der rund 100 Beschäftigten ist ungewiss – es besteht die konkrete Gefahr, dass sie Ende des Jahres ihren Arbeitsplatz verlieren”, warnte Stefano Parrichini am 22. Oktober, als er als Landessekretär der CGIL-Fachgewerkschaft FILCTEM bestätigt wurde.

Anfang dieser Woche gab es für Parrichini dann Grund zur Hoffnung. Bei einem Treffen mit Vertretern des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und dem Minister für die Beizehungen zum Parlament, Riccardo Fraccaro (M5S) in Rom, wurde der Vorschlag diskutiert, die Stilllegung der Solland zu stoppen und den Betrieb erneut auf den Markt zu bringen. Als “positiv” beschrieb Parrichini das Treffen im Anschluss. Der Forderung der Gewerkschaften, eine neuerliche Versteigerung anzupeilen, “in der klargestellt wird, dass die Kosten zur Sanierung, auch für vergangene Tätigkeiten, nicht dem letzten Käufer angelastet werden”, sei Gehör geschenkt worden, so Parrichini. Dass die Solland bislang keinen Abnehmer gefunden habe, sei nämlich auch der Tatsache geschuldet, dass “es keine Klarheit über die Kosten der Sanierung gibt”.

Um das Interesse möglicher Käufer an der Produktionsstätte nicht zu verringern, sollen auch die Umweltklauseln im Angebotsvertrag abgeändert werden.

 

Noch eine x-te Chance?

“Nun erwarten wir diesbezüglich eine klare Antwort seitens des Landes, das sich im Einklang mit dem Ministerium zu diesem Vorschlag äußern muss”, meinte Parrichini am Mittwoch. Er hofft auf eine neuerliche Versteigerung vor der angepeilten Stilllegung kommenden April. “Es wäre untragbar, dass die Solland geschlossen wird, bevor nicht alle Möglichkeiten zu einer Wiederaufnahme der Produktion ausgeschöpft sind”, sagt der Gewerkschafter. “Das sind wir auch den Familien jener Bediensteten schuldig, die sich bis zum heutigen Tag für die Sicherheit der Anlage eingesetzt haben.”

Seine Unterstützung hat Minister Fraccaro zugesagt. Doch der Ball liegt beim Land, das eine mögliche neue Versteigerung und die entsprechenden Bedingungen für die Übernahme des Sinicher Siliziumwerkes festlegen muss. Denn die Solland steht in einem Gewerbegebiet von Landesinteresse.

 

Wenn die Chemie nicht stimmt

Das Land in der Pflicht sieht auch der Meraner Bürgermeister. “Sobald sich die Landesregierung über ihre Vorstellungen und Prioritäten im Klaren ist, stehen wir zur Verfügung, um diese im Gespräch mit dem Land mit den Ansprüchen und Bedürfnissen unserer Stadt in Einklang zu bringen”, kündigt Paul Rösch an. Er warnt zugleich eindrücklich davor, blindes Vertrauen in eine neuerliche Versteigerung zu setzen. “Ich verstehe, dass man sich an jeden Strohhalm klammert”, zeigt der Bürgermeister Verständnis für die Bemühungen der verbliebenen Solland-Belegschaft, das Werk so lange wie möglich in Betrieb zu halten. Aber Rösch verweist auch auf die Kosten des “derzeit notdürftigen Betriebs”: Jede Woche, die das Werk vom Land länger künstlich am Leben erhalten werden müsse, koste die Steuerzahler über 100.000 Euro.

Davon abgesehen, dass er überzeugt sei, “dass unsere Steuergelder weit vernünftiger und nachhaltiger eingesetzt werden könnten, um den verbliebenen Arbeitern eine Zukunft zu ermöglichen, als einen maroden Betrieb am Laufen zu halten”, sei und bleibe “das Wichtigste für Meran, aber auch für die angrenzenden Gemeinden, nach wie vor die Sicherheit der Anlage in Sinich”.
“Es handelt sich hier schließlich nicht um eine normale Fabrik”, erinnert Rösch an die Chemikalien, die im und unter dem Werk gelagert sind. “Nicht umsonst steht sie unter der Aufsicht des Landeszivilschutzes. Und nicht umsonst gilt für die Anlage bis zur Entleerung der Silane, die sich nun anscheinend bis April hinziehen wird, die Seveso-III-Richtlinie der EU, die Unfälle im Umgang mit gefährlichen Stoffen vermeiden sollen.”

Und mit “zweifelhaften Rettungsversuchen” habe man schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht, erinnert Rösch an den grandios gescheiterten Massimo Pugliese: “Was wir brauchen, sind Klarheit und eine Garantie für die Sicherheit. Was wir nicht brauchen, ist ein neuer Pugliese, der das Blaue vom Himmel verspricht und am Ende verbrannte Erde hinterlässt.”

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Oskar Egger Sa., 17.11.2018 - 09:11

Herr Bürgermeister, hoffentlich haben sie dieses Mal mehr Erfolg und es gelingt Ihnen, die Ohren der anderen Verantwortlichen für die Erkenntnis des Irrsinns zu öffnen, dieses gefährliche Geldschluckerunternehmen zu Lasten der Steuerzahler und zum Schaden der Gesundheit und der Arbeitnehmer weiterzuführen..

Sa., 17.11.2018 - 09:11 Permalink
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Sigmund Kripp Sa., 17.11.2018 - 09:40

Ich verstehe auch nicht, warum sich die Gewerkschaften immer für dieses Fass ohne Boden einsetzen! 100.000 € pro Woche, das sind ZWEI Bruttojahresgehälter eines Angestellten. Also hat man in einem Jahr die 80 Leute locker bezahlt! Südtirol ist nicht das Land der großen Arbeitslosigkeit! Ich denke, für die 80 qualifizierten Mitarbeiter lässt sich sehr schnell ein neuer Arbeitsplatz finden. Auf volkswirtschaftlich weit günstigere Weise!

Sa., 17.11.2018 - 09:40 Permalink
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Michael Bockhorni So., 18.11.2018 - 17:22

das Geld wäre in Umschulungsmaßnahmen der ehemaligen Beschäftigten sicher sinnvoller angelegt, denn wer weiss denn angesichts des globalen Marktes für Siliziumprodukte, wie lange diese Arbeitsplätze bei einem Verkauf des Werkes gesichert wären.

So., 18.11.2018 - 17:22 Permalink