Umwelt | Seilbahn

Ein Sieg für wen?

Neue Details zum Seilbahnprojekt für Jenesien zeigen: Nur Spagnolli und Ladinser wussten von den Plänen. Viele kommen aus dem Staunen nicht heraus - und protestieren.

Mit ihrer Landtagsanfrage zur Seilbahn Jenesien haben die Grünen für viel Beunruhigung gesorgt. Lange Zeit schien sich niemand für das Projekt, das die Landesregierung mit einem Beschluss in der Vorweihnachtszeit 2015 in Angriff nehmen wollte, zu interessieren. Nun hat sich in Windeseile ein Bürgerkomitee gebildet, das dem Vorhaben mehr als skeptisch gegenüber steht. Es sind die Bewohner des Kondominium Rendelstein, die von den Plänen, die Talstation der Seilbahn Jenesien in die Nähe des Siegesplatzes zu verlegen, gar nichts halten. Denn die Kabinen würden direkt über ihrem Haus, nahe der St. Anton-Brücke am östlichen Talferufer drüber fahren. Mit ihrem Protest sind die Anrainer bereits bei Mobilitätslandesrat Florian Mussner vorstellig geworden, haben eine Reihe von Argumenten, die klar gegen die Realisierung des Projekts sprechen, vorgetragen. Unterstützung bekommt das Bürgerkomitee von verschiedenen Seiten.


Vielerlei Schutz, der nichts zählt?

Von einem “verkehrstechnischen Unsinn mitten in der landschafts-, denkmals- und ensemblegeschützten ‘grünen Lunge’ unserer Stadt” spricht etwa Rudi Benedikter. Der ehemalige Projekt-Bozen-Gemeinderat hält das Vorhaben für “absoluten Nonsens”: “Trassenführung in 34 Metern Höhe, im zickzack über die Talfer, und Talstation zerstören das vielfach geschützte Landschaftsbild von der Talferbrücke bis zur Fagenschlucht.” Außerdem verstoße der ausgewählte Standort der neuen Talstation in den Talferwiesen zwischen westlichem Brückenkopf, Talfer und Petrarcapark “gegen alle nur denkbaren Schutzbestimmungen”. Denn dort gelten, listet Benedikter auf:

1  Landschaftsschutz kraft Bozner Landschaftsplan: Petrarcapark
2. Denkmalschutz: Talferbrücke-Siegesplatz-Achse
3. Ensembleschutz: Schutzzone 40 (“die Talfer und ihre Ufer von St.Anton- bis Drususbrücke”) und Schutzzone 46 (“von der Talferbrücke bis Mazziniplatz”)
4. Bozner Masterplan – “UFERPLAN”: “Die Ufer von Talfer und Eisack sind tragender und vitaler Baustein der gesamten Stadt; die Uferflächen müssen in ihrer Gesamtheit aufgewertet und von allen Hindernissen für die Nutzung und Zugänglichkeit befreit werden (…)”
5. Wasserschutznormen (hydraulischer und zivilschutztechnischer Art)

Nach der Vereinbarkeit mit den verschiedenen Schutzbestimmungen hatten auch die Grünen in ihrer Landtagsanfrage gefragt. In der Antwort, die nun vorliegt, erklärt der zuständige Landesrat Mussner kurz angebunden, dass der Standort Talferwiesen mit dem Ensembleschutz vereinbar sei und bei der Errichtung der Talstation das Amt für Denkmalpflege miteinbezogen werde. “Die Sache mit dem Ensembleschutz ist zu verifizieren”, entgegnet Brigitte Foppa.


“Privater würde sich das niemals leisten”

Die Grüne Landtagsabgeordnete ist keineswegs zufrieden mit den spärlichen Antworten von Florian Mussner. So wollte sie unter anderem wissen, auf Grundlage welcher Bedarfserhebung und Datenlage die neue Zusatztrasse geplant wurde. “Durch eine zentrumsnahe und verkehrstechnisch mit dem bestehenden Busnetz verbundene Anbindung kann eine Steigerung der Fahrgastzahlen um mindestens ein Drittel erreicht werden. Es wurden diesbezüglich keine Datenerhebungen durchgeführt”, so die Antwort. “Was ist das für eine Vorgehensweise?”, fragt sich Foppa. Das Land will 25 Millionen Euro für die neue Seilbahn ausgeben – ohne Bedarfserhebung? “Das würde sich ein Privatunternehmen niemals leisten”, ist die Grüne überzeugt.

Die Trassenführung der Seilbahn, wie sie in den Plänen der Südtiroler Transportstrukturen AG STA steht.
 

Wer hat davon gewusst?

“Sehr interessant” ist für Foppa auch der Weg, den das Projekt im Rahmen der Absprache der Planung zwischen Land und Stadtgemeinde Bozen eingeschlagen hat. “Von Jänner bis Juni 2015 wurde der im Dezember von der Landesregierung abgesegnete Beschluss unter Einbeziehung der Abteilung Mobilität und der Gemeinde Bozen erarbeitet.” So steht es in Mussners Antwortschreiben. Am 11. Juni 2015 sei die Trasse schließlich Bürgermeister Luigi Spagnolli und Vizebürgermeister Klaus Ladinser vorgestellt worden. Foppas lapidares “sehr interessant” bezieht sich auf die Tatsache, dass die Grünen bis zu den Gemeinderatswahlen im Mai 2015 in der Mobilitätskommission der Gemeinde Bozen vertreten waren. “Dort wurde NIE, nie über das Vorhaben einer neuen Seilbahn gesprochen”, erklärt sie. Doch auch Judith Kofler Peintner kann sich nicht erinnern, dass nach den Wahlen das Vorhaben besprochen worden sei. Und sie saß immerhin als Zuständige für Mobilität in der Stadtregierung. Dass offenbar nur Spagnolli und Ladinser über das Projekt informiert worden seien und die Informationen nicht weiter gegeben hätten, zeugt für Brigitte Foppa von einem “klassischen Fall für den Regierunsstil der beiden Victoryhelden”.

Die Grünen und auch Rudi Benedikter wollen auf jeden Fall weiter an der Sache dran bleiben. Ebenso wie das Bürgerkomitee der Talfer-Anrainer. Und auch Claudio Della Ratta zeigt sich einverstanden mit dem Anliegen, die Zukunft Seilbahn in die Hände der Bozner zu legen. “Come sempre la Provincia dispone e la città si deve adeguare”, kritisiert der PSI-Politiker. Doch um das Diktat von oben dieses Mal zu verhindern, hat sich inzwischen ein weiteres Gespann eingeschaltet: SVP-Stadtobmann Dieter Steger und der Bürgermeisterkandidat der Bozner Volkspartei Christoph Baur. “Das Seilbahnprojekt Jenesien hat bei vielen Bürgern der Stadt Besorgnis ausgelöst, weil sowohl Privatwohnungen, als auch das Grün der Talferwiesen davon stark beeinträchtigt werden könnten. Das Talfergrün hat als grüne Lunge für die Stadtbevölkerung absoluten Vorrang und soll erhalten bleiben”, schreiben die beiden in einer Aussendung. Steger und Baur ersuchen deshalb “um die verbindliche Zusage der Landesregierung, dass das Projekt in enger Zusammenarbeit mit der künftigen Stadtregierung verwirklicht wird, um eine Beschädigung des Grüns auszuschließen.” Wer auch immer nach den Wahlen am 8. Mai Bozen regieren wird, soll also in die Planung und Realisierung der neuen Seilbahn nach Jenesien mit einbezogen werden. Besser spät als nie.

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Joe Meola Do., 17.03.2016 - 11:50

"Beschädigung des Grüns..." was soll bitte das denn???
Hoffentlich wird diese unheilvolle Allianz am 8. Mai die Quittung für ihre ganzen Mauscheleien erhalten!

Do., 17.03.2016 - 11:50 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 17.03.2016 - 12:41

Bleibt zu hoffen, die Grünen machen nicht einen auf Verhinderer, sondern suchen konkret und konstruktiv nach besseren Lösungen. 34m-Ständer auf den Talferwiesen klingt wirklich nicht toll, aber die Anwohner von Heinrich-, Cadorna- und Fagenstraße freuen sich über jedes Auto aus Jenesien, das nicht vor ihrem Fenster vorbeifährt. Und dass die Bahn mit Parkplatz bei der Mittelstation auch eine Park&Rail Möglichkeit für die Sarner ist, sollte hier auch nicht möglich sein. Seid grün und nicht destruktiv!

Do., 17.03.2016 - 12:41 Permalink
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Brigitte Foppa Do., 17.03.2016 - 23:30

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Wir hatten uns schon vor Jahren mit der Seilbahn befasst und unsere Gegenvorschläge lanciert. Nämlich: bestehende Bahn sanieren, Bahn ohne Begleitung vorsehen und mit dem freiwerdenden Personal die Öffnungszeiten verlängern und die Seilbahn in Jenesien ins Dorf hinauf bringen. Kosten vermutlich nicht mal die Hälfte. Dass die künftige Seilbahn nicht für die Pendler da ist, sondern für Touristen und Ausflügler, ist bekannt. Der Verkehr wird deshalb nur geringfügig abnehmen. Dagegen werden die Pfeiler in den Talferwiesen ein Rieseneingriff in das Landschaftsbild sein. Das ist destruktiv.

Do., 17.03.2016 - 23:30 Permalink
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Benno Kusstatscher Fr., 18.03.2016 - 00:04

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Wenn mit "Touristen" wir Bozner gemeint sind...? Oder sind die täglich Blechlawine vorm Lido oder die zugeparkten Wiesen unterm Edelweiß noch nie aufgefallen? Und nein, ich bin früher selber mit dem Bahndl gependelt, als es noch vernünftige Betriebszeiten hatte und mir ist nicht bekannt, dass die Pendlerfunktion nicht ähnlich erfolgreich wie bei der Rittnerbahn sein könnte. Ich gebe in zwei Punkten völlig Recht: erstens ist die Anbindung ans Dorf und auf den Salten zu überdenken und zweitens müssen wir mit den Talferwiesen etwas vorsichtiger umgehen. Aber weder das eine noch das andere sind ein Grund, die Überlegung zu versenken. Beispielsweise würde eine schienengebundene Strecke entlang der Grieser Wassermauer bis hin zum ehemaligen Pissoir am 4.Novemberplatz überhaupt nichts kaputt machen und könnte auch noch Runkelstein aufwerten.

Fr., 18.03.2016 - 00:04 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Do., 17.03.2016 - 13:43

Mich würde mal interessieren wo Stadt und Land das Geld für so ein Projekt auftreiben wollen. Bozen ist ja bekanntlich pleite und das Land scheint ja nur mehr Geld für de Flugplatz ausgeben zu wollen...

Do., 17.03.2016 - 13:43 Permalink