Wirtschaft | Protest

SAD wie Stasi?

Nach den jüngsten Vorgängen im Hause SAD platzt den Gewerkschaften erneut der Kragen: “Landesregierung samt Landeshauptmann sind gefordert!”
Spione
Foto: Pixabay

Wenn an diesem Vormittag von einer “unendlichen Geschichte” die Rede ist, nicken alle im Saal. Gewerkschaftsvertreter und Medien wissen um das Tauziehen zwischen SAD und Gewerkschaften, um die Auseinandersetzungen vor Gericht, die stockenden Verhandlungen um einen neuen Zusatzvertrag für die Angestellten. Nun scheint das Klima zwischen Betrieb und Angestellten einen neuen Tiefpunkt erreicht zu haben, der die Gewerkschafter von “Stasi-ähnlichen Methoden”, von “höchster Beunruhigung”, “großer Enttäuschung” und “weiteren Initiativen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln” sprechen lässt.

 

Wanted: Spione auf “geheimer Mission”

Donnerstag vergangener Woche wandte sich SAD-Generaldirektor Mariano Vettori mit einer obskuren Mitteilung an die “werten Journalistinnen und Journalisten unserer Südtiroler Redaktionen!”
Die SAD suche 50 “Kundschafter/innen”, die “in geheimer Mission für die SAD-AG Ordnung und Sicherheit im Nahverkehr überwachen und evtl. Verstöße oder Unregelmäßigkeiten melden”. Damit will die SAD auf “angeblich neue Beschwerden seitens bestimmter Institutionen und Bürger, die laut Auskunft der Abteilung Mobilität des Landes Südtirol in letzter Zeit eingegangen sein sollen”, reagieren. Die Entlohnung: Ein Einkaufsgutschein im Wert von 150 Euro, einzulösen in allen Spar-Geschäften.

 

“Diese Vorgehensweise ähnelt doch etwas den Stasi-Methoden, um einen plakativen Vergleich zu wagen”, kommentiert Richard Goller. Der ASGB-Gewerkschafter sitzt am Mittwoch Vormittag mit seinen Kollegen vom SGB-Cisl und SGK-UIL vor den Medienvertretern und fragt sich: “Wie wird die SAD mit den Hinweisen umgehen? Welche Konsequenzen wird es geben?” Für die Gewerkschafter ist die “geheime Mission” der SAD eine reine Alibi-Aktion, “ein Bluff”. Denn große Hoffnung, dass sich beim größten Transportunternehmen des Öffentlichen Nahverkehrs wahrhaftig etwas ändert, haben sie keine mehr.

 

Missstände und Mauern

“Die SAD mauert, hat uns die Tür vor der Nase zugeschlagen und zeigt keinerlei Dialogbereitschaft”, berichtet Josef Ploner vom SGK-Cisl. Die Zustände bei der SAD seien dieselben geblieben: Die Gewerkschafter berichten von Schichten von bis zu 15 Stunden am Stück, “und das drei oder vier Mal in der Woche – bei einer 6-Tage-Woche!” Über 100 Fahrer hätten seit Anfang 2017 gekündigt und Beruf gewechselt. Gesundheitliche Probleme, soziale Isolierung und familiäre Streitigkeiten seien keine Seltenheit unter den SAD-Chauffeuren, warnen die Gewerkschaften.

Und die “gravierenden Unzulänglichkeiten”, die jüngst Mobilitätslandesrat Florian Mussner nach immer neuen Beschwerden der SAD bei der Ausführung ihrer Dienste attestierte, seien Realität – “und hausgemacht”, stellen die Gewerkschafter klar. Der Hauptschuldige ist gleich ausgemacht: Ingemar Gatterer und die “zutiefst autoritäre Betriebspolitik” des SAD-Mehrheitseigentümers, wie Richard Goller sagt. Aber “anstatt zu hinterfragen, ob nicht doch etwa die Betriebsleitung Fehler gemacht hat”, locke Gatterer mit einer “Geheim-Mission” und Einkaufsgutscheinen, kritisiert Goller.

 

Kurswechsel in Sicht?

“Die Qualität im öffentlichen Nahverkehr ändert man nicht durch Kundschafter, sondern durch einen Strategiewechsel, der den Menschen wieder in den Vordergrund rückt”, wettert der ASGB-Gewerkschafter. “Busfahrer sind Menschen und keine Roboter – und sie transportieren Menschen und keine Steine”, fügt Josef Ploner hinzu.
Zutiefst enttäuscht zeigten sich die Gewerkschaften von der Politik: “Als Auftraggeber der öffentlichen Transportdienste, die von den Steuerzahlern mitfinanziert werden, wäre das Land, sprich die Landesregierung samt Landeshauptmann gefragt.” Erst am Dienstag dieser Woche hat die Landesregierung die geplanten Ausgaben für die Neuvergabe der Überland-Buslinien genehmigt: Knapp eine Milliarde Euro – 961.983.790,74 Euro – wird das Land in den kommenden zehn Jahren für die Linienverkehrsdienste hinblättern. “Sicherheit und Qualität müssen gewährleistet werden – für die Angestellten und damit für die Nutzer”, fordern die Gewerkschafter.

Man habe bei Landeshauptmann Arno Kompatscher um ein Treffen angefragt, aber bislang habe er keine Antwort erhalten, meint Richard Goller konsterniert. Aufgeben kommt allerdings nicht in Frage. Am Freitag, 20. April, steht der nächste 24-stündige Streik der SAD-Angestellten an (alle Details gibt es hier nachzulesen). Doch man will weiter gehen: “Wir haben landesweite Initiativen geplant, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Es braucht endlich einen Umschwung in dieser Situation!”