Wirtschaft | Straßburg

Alles bio oder was?

Ab 2021 gelten EU-weit strengere und angeglichene Produktionvorschriften im Bioanbau. “Leider keine Einigung bei Pestizidrückständen”, bedauert Herbert Dorfmann.
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Foto: Pixabay

Bio boomt. Nicht nur in Südtirol, wo auch der Bauernbund die Zeichen der Zeit erkannt und gemeinsam mit den Bioverbänden und der Politik eine Bio-Offensive gestartet hat. Sondern auch, und vor allem, in Europa.

In der EU wurde 2016 ein Umsatz von 30,7 Milliarden Euro mit Bio-Lebensmitteln erzielt. Ein Plus von 47,7 Prozent in vier Jahren. Auch die ökologische Anbaufläche nimmt zu und ist zwischen 2012 und 2016 um 18,7 Prozent auf fast 12 Millionen Hektar angestiegen.

Um das Wachstum unter Kontrolle zu behalten, und um sicherzustellen, dass in der EU nur hochwertige Bioprodukte verkauft werden, wurden neue Regeln notwendig.
“Damit sollen den Bauern europaweit möglichst dieselben Wettbewerbsbedingungen gewährt und den Konsumenten gleiche Qualität in ganz Europa garantiert werden”, erklärt der Südtiroler EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann die Absicht hinter der neuen EU-Verordnung, mit der die Produktionsvorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten angeglichen werden. Und die heute (19. April) vom EU-Parlament in Straßburg genehmigt wurde und mit 1. Jänner 2021 in Kraft tritt.

 

Mehr Kontrollen und Anreize

Mit 466 Ja, 124 Nein und 50 Enthaltungen genehmigten die EU-Abgeordneten die neue EU-Verordnung über den Biolandanbau. Unter anderem sind darin strengere Kontrollen entlang der gesamten Lieferkette vorgesehen. Außerdem müssen Bio-Produkte, die in die EU importiert werden, künftig den europäischen Standards entsprechen. Derzeit ist es so, dass importierte Bio-Lebensmittel aus Nicht-EU-Ländern ähnliche, aber nicht identische Standards erfüllen müssen.

Zudem wird der Anbau von Bioprodukten in der EU stärker gefördert und erleichtert. “Die starke Nachfrage nach Bioprodukten in Europa kann derzeit nur durch Einfuhren aus Drittländern gedeckt werden. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Produktion in der EU zunehmen würde und der heimische Bedarf besser befriedigt werden könnte. Es ist nämlich auch nicht im Sinne einer nachhaltigen biologischen Landwirtschaft, wenn Waren Tausende von Kilometer transportiert werden müssen”, meint Herbert Dorfmann.
Ein Anreiz für die Umstellung auf Bio soll unter anderem die Gruppenzertifizierung für Kleinerzeuger darstellen: Die ermöglicht es, kleineren Betrieben Zeit und Geld bei der Umstellung auf ökologischen Landbau zu sparen.

 

Wermutstropfen Pestizide

Neue Auflagen gibt es auch, um die Verunreinigung mit chemischen Pestiziden oder synthetischen Düngemitteln im Bioanbau zu vermeiden. Doch in diesem Punkt ist Herbert Dorfmann nicht vollständig zufrieden. Denn: “Leider ist es mit dieser Verordnung nicht gelungen, eine einheitliche europäische Regelung bei den Rückständen von Pflanzenschutzmitteln zu finden.” Wie der Südtiroler EU-Parlamentarier erklärt, gelten in Italien wie in wenigen anderen EU-Staaten sehr strikte Regeln und Schwellenwerte für Rückstände auf Biolebensmitteln – werden die überschritten, darf das Produkt nicht auf den Markt kommen. “In vielen Staaten gibt es aber keine spezifischen Regeln, Bioprodukte können dort gleich viele Rückstände enthalten wie konventionelle Lebensmittel”, führt Dorfmann aus, “während bei uns oft bereits ungewollte Verunreinigungen durch angrenzende konventionell wirtschaftende Bauern zu Problemen führen”.

“Diese verschiedenen Standards sind in Europa eigentlich nicht akzeptabel”, findet Dorfmann. “Es kann nicht sein, dass beispielsweise ein Südtiroler Bioapfel mit einer minimalen Verunreinigung vom Markt genommen werden muss, während ein deutscher oder französischer Bioapfel mit deutlich höheren Rückständen bei uns als Bioapfel verkauft werden darf.”

Es seien vor allem die Bioverbände aus Nordeuropa gewesen, die jahrelang gegen striktere Auflagen bei den Rückständen gekämpft hätten, berichtet Dorfmann – “leider haben sie sich letztlich durchgesetzt”.

Dies sei aber “ein kurzsichtiger und hoffentlich auch kurzfristiger Erfolg”, so Dorfmann. Er ist überzeugt: “Ein Konsument, der ein Bioprodukt kauft, wünscht sich ein Lebensmittel, das möglichst frei ist von Pflanzenschutzmitteln und er soll ein solches bekommen. Mit ein bisschen mehr Weitsicht und Kompromissbereitschaft wäre es möglich gewesen, eine ambitionierte und praxistaugliche Regelung auf den Weg zu bringen.”

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Sigmund Kripp Sa., 21.04.2018 - 08:15

Nur einige Anmerkungen: Der unabsichtlich und von anderen Verursachern als dem Biobauern kontaminierte Apfel muss nicht "vom Markt genommen" werden, er kann in Italien nur nicht mehr als Bioapfel verkauft werden. Das ist ein Unterschied, wenn auch ein für den Biobauern sehr unangenehmer. Allerdings ist das Italienische Gesetz auch realitätsfern: Mit den aktuell möglichen Nachweismethoden kann ich praktisch nirgends in der Talsohle absolut rückstandsfrei produzieren! Denn unsere Luft ist verschmutzt und sie trägt Schadstoffe – die nicht der Biobauer rauslässt! – weit umher. Insofern ist die italienische Rechtslage, nach der in Biolebensmitteln nichts im Bioanbau Unerlaubtes über der Nachweisgrenze drin sein darf, absurd und die nordischen Länder praktizieren eine pragmatischere Vorgangsweise. Daher mein eher sarkastisch gemeinter Schluss: entweder wir verbieten die konventionelle Landwirtschaft, damit italienisch-bio produziert werden kann, oder wir geben Bio auf, weil es unter den gegebenen Umständen in Italien nicht möglich ist!

Sa., 21.04.2018 - 08:15 Permalink