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Sie werden nicht allein gelassen

Elf Fälle von sexuellem Missbrauch oder anderen Formen von Gewalt wurden der Diözese 2018 gemeldet. Wie geht die Kirche damit um?
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Foto: Pixabay

Seit Kurzem liegt das sensible Papier vor. Elf Fälle von sexuellem Missbrauch oder anderen Formen von Gewalt sind 2018 bei der von der Diözese Bozen-Brixen eingerichteten Fachstelle für Prävention und Schutz von Minderjährigen gemeldet worden. Sieben der elf Personen, die sich im vergangenen Jahr an die Fachstelle gewandt haben, waren Frauen.

“In der Mehrzahl der Fälle ging es um sexuellen Missbrauch und um körperliche Gewalterfahrung”, teilt die Diözese in einer Stellungnahme mit. Bis auf zwei Fälle, wo es sich um psychische Gewalt gehandelt habe, lägen die Missbrauchsfälle weit in der Vergangenheit zurück. In sechs Fällen seien die Täter Ordensleute gewesen, in drei Fällen Diözesanpriester, und in zwei Fällen seien die Täter weder Priester noch Ordensleute gewesen.

So weit die Zahlen aus dem Tätigkeitsbericht der diözesanen Fachstelle für Prävention. Wie nun damit umgehen? “Für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in unserer Diözese wird derzeit im Fachbeirat überlegt, eine entsprechende Studie durchzuführen”, teilt die Diözese mit.
Der Fachbeirat, von dem die Rede ist, hat sich 2018 sechs Mal getroffen und begleitet sowohl die Präventionsarbeit als auch die Arbeit der Ombudsstelle, um deren Qualität und Transparenz zu garantieren.

 

Ombudsfrau als erste Ansprechspartnerin

Bereits 2010 hatte der damalige Bischof Karl Golser einen “unabhängigen Ombudsmann für Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in diözesanen Einrichtungen” ernannt. Seit 1. Jänner 2018 hat Maria Sparber diesen Auftrag inne. Sie ist die erste Ansprechpartnerin für innerkirchliche Missbrauchsfälle. Zur Aufgaben der Ombudsfrau gehören vor allem das Anhören der Personen, die sich an sie wenden, das Ernstnehmen ihrer Missbrauchserfahrungen und Bedürfnisse, das Anbieten von Unterstützung und Informationen sowie die gemeinsame Absprache weiterer Schritte.

Maria Sparber war somit jene Figur, an die sich die elf Personen 2018 gewandt haben. “Vorwiegend wollten sie eigene Missbrauchserfahrungen mitteilen, derartige Beobachtungen melden, Begleitung und Unterstützung bei der Meldung von Missbrauchsfällen anfordern oder Informationen über Therapiemöglichkeiten einholen”, erklärt die Diözese.

 

Information, Beratung und Vorbild

Unabhängig von der Ombudsstelle ist die Fachstelle für Prävention und Schutz von Minderjährigen 2018 im Bereich der Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen aktiv gewesen und “hat eine umfangreiche Beratungsarbeit geleistet”, heißt es von der Diözese.. Ein wichtiger Punkt sind die Kontakte mit den Einrichtungen des Landes z.B. mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft, mit dem Kinderschutzzentrum in Rom und die Präsenz im Institutionellen Arbeitstisch des Landes gegen sexuelle Gewalt an Minderjährigen. In nächster Zeit soll die Zusammenarbeit mit den Ordensgemeinschaften abgeklärt und gemeinsame Standards für den Umgang mit betroffenen Frauen und Männern sowie für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen erarbeitet werden, kündigt die Diözese an. Es werde die “Einbeziehung von Missbrauchsopfern in den Aufarbeitungsprozess sowie in die Präventionsarbeit” angestrebt.

Ein wichtiger Beitrag zur Informations- und Sensibilisierungsarbeit sei die Tagung zum Thema: “sehen – erkennen – präventiv handeln – im Kontext der kindlichen Sexualität” gewesen. Dazu waren kirchliche MitarbeiterInnen aus allen Bereichen sowie Interessierte eingeladen worden. Dabei wurden die Entwicklung der Sexualität des Kindes, die Gefährdungen derselben u.a. auch durch die sozialen Medien aufgezeigt und sexualpädagogische Konsequenzen für die Präventionsarbeit gezogen. “Die Diözese hat damit ein sensibles und bedeutsames Thema mutig und offen aufgegriffen”, heißt es in einer Aussendung.

Und man schaut auf Südtirol: 2018 wurde der Leiter der Fachstelle, Gottfried Ugolini, in die Kommission für Prävention der italienischen Bischofskonferenz berufen, um dort die Erfahrungen einzubringen und mitzuarbeiten. Andere Diözesen im In- und Ausland haben sich für die Präventionsarbeit der Diözese Bozen-Brixen interessiert. Die Nachbardiözese Trient wird heuer nach ihrem Modell mit dem Aufbau einer Ombudsstelle und mit der Präventionsarbeit beginnen.