Gesellschaft | Armut

Die Folgen der Sparpolitik

Armut und Ausgrenzung sind die negativen Folgen der derzeit herrschenden Wirtschaftspolitik und des Vertrauens auf die positiven Auswirkungen des Marktes.

Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Fabio Petrini

Dazu gesellt sich die kurzsichtige Sparpolitik vieler Länder, die heute vor einem Berg von Schulden stehen. Die Gelder wurden im letzten Jahrzehnt aber nicht zugunsten der Bürger ausgegeben, sondern um das kränkelnde Finanzsystem zu stützen. Der daraus resultierende Aufschwung des Populismus, gepaart mit Egoismus, Neid und zunehmender Gewalt, stellt die positiven Entwicklungen der Nachkriegszeit in Frage und spaltet die Gesellschaft. Dabei hilft es wenig, wenn selbst Juncker, einer der Verursacher dieser Situation, letzthin Selbstkritik geäußert hat. Der Zug ist abgefahren und die alteingesessenen Politiker haben es versäumt, aufzusteigen.

Italien wurde von dieser Situation besonders stark betroffen. Politische Instabilität, Korruption, eine weit verbreitete Steuerhinterziehung und eine sehr hohe Staatsverschuldung haben das Land in eine Sackgasse geführt. Die politischen Auswirkungen wurden bei den letzten Wahlen sichtbar und es gibt berechtigte Befürchtungen, dass dies erst der Anfang war. Mit Schlagworten wie Mindesteinkommen, vorzeitige Rente, Quote 100, Flat Tax und dem Kampf gegen alles Fremde hat man zweifelsfrei gepunktet, nachdem die Mittelinksregierungen, von denen man sich eigentlich eine soziale Ausrichtung erwartet hatte, kläglich versagt haben. Nun sind wir am Scheideweg: Quote 100 und das sogenannte Bürgereinkommen werden zeitgleich mit den Europawahlen eingeführt. Dabei ist es egal, ob damit die Versprechen eingehalten wurden oder nicht: wichtig ist es, ein Zeichen zu setzen, dass sich nun Etwas bewegt.

Gegen die Notwendigkeit beider Maßnahmen ist wenig einzuwenden. Die Fornero -Reform war kompromisslos und ungerecht und die Bekämpfung der Armut ist eine Priorität in Zeiten der Krise. Grundsätzlich kann aber bereits jetzt gesagt werden, dass die ankündigten Maßnahmen wohl eher Wahlpropaganda sind und nicht die Lösung dieser Probleme. Quote 100, die an 38 Dienstjahre gekoppelt ist, dient den Bediensteten in vielen Bereichen wenig. Sie ist auf stabile Arbeitsplätze im Privatsektor und auf den öffentlichen Dienst zugeschnitten. Wer Saisonarbeiten oder andere prekäre Arbeiten verrichtet, ist meist aufgrund von Lücken bei den Beitragsleistungen ausgeschlossen. Ebenso fehlen Antworten für die Jugendlichen, die heute zwar die vollen Beiträge bezahlen, aufgrund des beitragsbezogenen Systems aber nur Aussicht auf eine geringe Rente haben. Das geringe Angebot an Arbeitsplätzen verschärft zusätzlich die Situation. Auch deshalb sind wir als Gewerkschaft für die Möglichkeit eines früheren Ausstieges aus der Arbeitswelt. Dabei darf man allerdings die restlichen Probleme nicht den zukünftigen Generationen überlassen. Ein solidarisches Rentensystem, das allen gerecht wird, war eine der Hauptforderungen der Gewerkschaften. Im Dekret ist davon nichts zu sehen.

Das Risiko der Verarmung verschiedener Gesellschaftsschichten ist eine Tatsache. Armutsbekämpfung ist ein vielschichtiges Problem, das man teilweise durch mehr Arbeit entschärfen kann. Es braucht aber auch die Sozialdienste, das Gesundheitswesen, Familienbetreuung, psychologische Dienste und Arbeitsplätze, damit die Arbeitsämter diese auch vermitteln können. Das Dekret ist hingegen ausschließlich auf den Bereich Arbeit ausgerichtet. Ein wachsender Arbeitsmarkt kann zwar einer Volkswirtschaft die notwendigen Ressourcen garantieren und den Einzelnen durch ein angemessenes Einkommen vor Armut schützen, es braucht aber auch andere Ansatzpunkte. Einmal davon abgesehen, ob es in Italien überhaupt genug Arbeit gibt, reicht manchmal der gute Wille des Einzelnen nicht aus. Man denke nur an krankheitsgebundene Arbeitslosigkeit, an der Schwierigkeit, besonders für Frauen mit Kindern, Arbeit und Familie in Einklang zu bringen, oder an die vielen psychischen Leiden, die zu einer Ausgrenzung führen. Es ist allerdings sehr bezeichnend, in welche Richtung man gehen will, wenn man von Maßnahmen gegen Sofalieger spricht.

Es ist derzeit unklar, wie viele Menschen in den Genuss dieser Maßnahmen kommen werden, nicht zuletzt deshalb, weil man eine finanzielle Obergrenze im Saatshaushalt festfelegt hat. Leistungen in diese Richtung sind sicherlich notwendig, deren Umsetzung im Dekret lässt allerdings viel zu wünschen übrig. Es handelt sich nämlich weniger um strukturell ausgerichtete Maßnahmen als vielmehr um kurzfristige Eingriffe vor einem wahlstrategischen Hintergrund. Die Einbeziehung der Sozialpartner fehlt völlig, obwohl diese verschiedene Vorschläge eingebracht haben. Von einem neuen Sozialstaat oder sogar von der Ausmerzung der Armut und einem neuen Rentensystem zu reden, ist daher wohl mehr als vermessen.