Politik | Meran

Zellers Privacy

SVP-Senator Karl Zeller hat gegen den Alto Adige und die Vizegeneralsekretärin der Gemeinde Meran geklagt. Ein Einschüchterungsversuch? Die Hintergründe einer Affäre.

Karl Zeller ist sichtlich erzürnt. „Hier bin ich das Opfer“, sagt der SVP-Senator, „es kann doch nicht angehen, dass eine hohe Beamtin aus rein privatem Interesse ein Dossier gegen mich zusammenstellt, es zwei Zeitungen zuspielt und ich öffentlich als Lügner bezeichnet werde“. Zeller fügt dann resolut dazu: „Das lasse ich mir nicht bieten“.
Auch Daniela Cinque ist freundlich aber bestimmt. Die Vizegeneraldirektorin der Gemeinde Meran ersucht um Verständnis. Sie möchte sich zum Fall derzeit öffentlich nicht äußern, sondern vor Gericht die Fakten darlegen. Die ausgebildete Rechtsanwältin macht dabei einen durchaus selbstbewussten Eindruck.
Karl Zeller und Daniela Cinque werden sich diese Woche vor dem Richter zur Mediationsverhandlung treffen. Mit dabei ist noch eine weitere beklagte Partei: Die italienischen Tageszeitung Alto Adige. Zu einer Einigung wird es aber kaum kommen.
Es ist nichts Neues, dass Politiker gegen Zeitungen und Personen vorgehen, von denen sie sich ungerecht behandelt fühlen. Doch diese Klage hat eine besondere Qualität. Es geht dabei nicht nur um die - gelinde gesagt - äußerst merkwürdige Auffassung eines Politikers von Öffentlich und Privat. Es geht auch um einen möglichen Einschüchterungsversuch durch einen der mächtigsten Politiker Südtirols.

Die Geschichte liest sich wie ein Drehbuch für die amerikanische Fernsehserie „Denver Clan“. Auch hier geht es um Macht und Intrige.

Es ist eine Geschichte, die sich zwischen öffentlichen Ämtern, privaten Liebesbeziehungen und höchsten Staatsstellen in Bozen und Rom abspielt. Die Geschichte liest sich wie ein Drehbuch für die amerikanische Fernsehserie „Denver Clan“. Auch hier geht es um Macht und Intrige.

Der Absatz

Ausgangspunkt der absurden Geschichte sind ein paar Zeilen im Alto Adige vom 15. April 2014. In einem Artikel, in dem es um die Steuererklärungen und Einnahmen der Südtiroler Parlamentarier geht, heißt es zu Karl Zeller:

Per Zeller - nel 2012 - la carica di deputato ed un reddito che sale grazie alla sua professione di avvocato. Introiti che arrivano spesso dal Comune di Merano, visto che al senatore della Stella alpina l’amministrazione della città del Passirio ha dato incarichi - dal 2005 al 2007 - pari a 200 mila euro e tra il 2008 ed il 2013 per 460 mila euro. Ovvero il 40% complessivo delle specifiche spese di settore del Comune di Merano.“

Karl Zeller goutiert diese Meldung aber gar nicht. Der SVP-Senator verlangt umgehend beim Alto Adige eine Richtigstellung. Zeller sagt darin, dass die angebene Summe so nicht stimme.
Die italienische Tageszeitung bringt am nächsten Tag Zellers Richtigstellung. Aber unter einem Titel, der den Meraner Politiker noch mehr erzürnt: „Compensi a Zeller - Il senatore smentisce, il Comune conferma“. Unter Zellers Dementi heißt es:

L’ Avvocatura del Comune di Merano però, da noi interpellata, conferma che „gli importi corrispondono in linea di massima a quanto liquidato all'avvocato Zeller e/o allo studio associato Thurin-Vinatzer-Zeller & partner nel corso del periodo citato, evidenziando che riguardano per lo più cause assegnate precedentemente al periodo indicato“.

Das Geld

Es ist dokumentiert, wer diese Aussage gemacht hat: Daniela Cinque. Offen und transparent. Der Alto-Adige-Chefredakteur fragt – nachdem ihm die Richtigstellung Zellers zugestellt wurde – bei der Gemeinde Meran schriflich nach, ob die publizierten Zahlen stimmen. Daniela Cinque ist als Vizegeneralsekretärin auch für die Anwaltschaft zuständig. Sie antwortet per E-Mail mit dem oben zitieren Satz.
Die Zahlen und Summen sind falsch“, sagt hingegen Karl Zeller auch heute noch zu salto.bz. Der SVP-Senator führt dazu einen gewichtigen Beweis an. „Ich habe einen Brief der Gemeinde, wo sich diese bei mir entschuldigt und erklärt, dass die Zahlen so nicht stimmen“. Was Zeller nicht sagt: Seine Argumentation beruht auf der Spitzfindigkeit eines Rechtsanwaltes.
Denn der angebliche Entschuldigungs-Brief wurde von keiner geringeren als von Daniele Cinque im Auftrag der Gemeinde verfasst. Die Meraner Vizegeneralsekretärin führt in dem Schreiben genau das aus, was sie auch in dem E-Mail an den Alto Adige geschrieben hatte. Der Betrag stimme, aber nicht der Bezugsrahmen. Karl Zeller und dessen Kanzlei hätten zwischen 2002 und 2013 660.000 Euro an Honorar von der Gemeinde Meran erhalten. Der Unterschied: Zwischen 2005 und 2013 waren es 460.000 Euro.

Zellers Angriff

"Ich wurde durch diesen Artikel blosgestellt“, sagt Karl Zeller. Vor rund einem Monat erreichte die Redaktion des Alto Adige deshalb eine Zivilklage. 60.000 Euro verlangt der Meraner SVP-Senator wegen „Diffamierung“. Zeller geht davon aus, dass die Herausgabe der Summen nicht rechtens sei, dadurch seine Privacy verletzt werde, weil die Daten nach drei Jahren gelöscht werden müssen und dass jemand diese Informationen widerrechtlich zusammengetragen hat, um sie gegen ihn einzusetzen.


 

Es kann doch nicht angehen, dass eine hohe Beamtin aus rein privatem Interesse ein Dossier gegen mich zusammenstellt, es zwei Zeitungen zuspielt und ich öffentlich als Lügner bezeichnet werde

Diesen Jemand benennt Zeller in seiner Klage: Daniela Cinque. Der Politiker macht die Vizegerneralsekretärin der Gemeinde Meran für alles verantwortlich und klagt deshalb gegen die Beamtin.
Zwischen April und Juni 2014 fordert Karl Zeller in mehreren Schreiben an den Meraner Bürgermeister Günther Januth, die Einleitung eines Diziplinarverfahrens gegen die Vizegeneralsekretärin. Dazu kommt es aber nicht. Der einfache Grund: Es gibt nichts, was man Daniela Cinque dienstrechtlich oder disziplinarrechtlich vorwerfen kann.
Dennoch geht Karl Zeller davon aus, dass Daniela Cinque die Summen dem Alto Adige bewusst zugespielt habe. Er spricht von einem „Dossier“. Beweise dafür gibt es keine. Doch der SVP-Senator verlässt sich anscheinend auf besondere Insiderinformationen aus der Gemeindestube Denn Zeller hat zur Anwaltschaft der Gemeinde Meran eine enge private Beziehung.

Zellers Lebensgefährtin

Karl Zellers Lebensgefährtin ist Alda Dellantonio. Die taffe 46-jährige Juristin leitet die Anwaltschaft der Gemeinde Meran. 2002 schafft die Gemeinde ein eigenes Rechtsamt, das fast alle Rechtsstreitigkeiten übernimmt. Dieses Amt unterstand lange der Vizegeneralsekretärin Daniela Cinque, bis es zu einer eigenen Abteilung wird. Als Alda Dellantonio 2012 in den Mutterschaftsurlaub geht, beschließt der Meraner Stadtrat, dass Daniela Cinque die Anwaltschaft interimistisch leiten soll. Deshalb antwortet auch Daniela Cinque auf die Alto-Adige-Anfrage. Genau das aber dürfte dem Paar Zeller-Dellantonio besonders bitter aufgestoßen haben.
Denn über seine Lebensgefährin glaubt Karl Zeller einen anderen amtsinternen, eigentlich vertraulichen und brisanten Hintergrund zu kennen. Im März 2014 trudelt in der Gemeinde Meran ein Schreiben des Rechnungshofes ein. Der Staatsanwalt verlangt darin eine Auflistung der externen Aufträge in Rechtsangelegenheiten, die die Gemeinde Meran vergeben hat.
Daniela Cinque, die das Schreiben beantworten muss, lässt in der Buchhaltung eine Liste erstellen, wieviel die Gemeinde zwischen 2002 und 2014 an Karl Zeller und seine Kanzlei gezahlt hat. Herauskommt dabei jene Summe, die sich später im Alto Adige und in der Tageszeitung findet. Am Ende wird aber nicht die Summe dem Rechnunsghof mitgeteilt, sondern nur die Beschlüsse zu den Aufträgen. Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof hat das Verfahren inzwischen eingestellt.
Im Schreiben des Rechungshofes wird nicht mein Name genannt und nur allgemein nachfragt“, behauptet Karl Zeller. Für den SVP-Politiker hat Daniela Cinque deshalb eine Erhebung zu seiner Person machen lassen, ohne einen institutionellen Auftrag dafür zu haben. Zeller spricht von einem Dossier, das angelegt wurde, um ihm zu schaden.
Der SVP-Politiker blendet dabei völlig die Tatsache aus, dass das angebliche Dossier nichts anderes als öffentliche Steuergelder sind, dass es Transparenzgesetze gibt, an die sich die Gemeinde und ihre Bediensteten zu halten haben und sich jeder Gemeinderat, aber auch Journalist, völlig offen die besagten Zahlen besorgen kann.
Karl Zellers Klage gegen Daniela Cinque kann deshalb aber auch in einem ganz anderen Zusammenhang gesehen werden. Einen Zusammenhang, der auch in der Schadenersatzklage angeführt wird und in dessen Mittelpunkt Zellers Lebensgefährin Alda Dellantonio und ihr fulminanter Aufstieg steht.

Der SVP-Politiker blendet dabei völlig die Tatsache aus, dass das angebliche Dossier nichts anderes als öffentliche Steuergelder sind, dass es Transparenzgesetze gibt, an die sich die Gemeinde und ihre Bediensteten zu halten haben und sich jeder Gemeinderat, aber auch Journalist, völlig offen die besagten Zahlen besorgen kann.

Frau Richterin

Der Ministerrat hat auf seiner Sitzung am 30. Oktober 2014 Alda Dellantonio zur neuen Richterin am Verwaltungsgericht Bozen ernannt. Es war eine Ernennung, die sich hinausgezogen hat. Dellantonio war bereits neun Monate zuvor vom damaligen Ministerpräsidenten Enrico Letta für dieses Amt vorgeschlagen worden. Dass die zuständige Gremien aber so lange brauchten, um grünes Licht für die Ernennung von Zellers Lebensgefährtin zu geben, liegt nicht nur an einem mehr als potentiellen Interessenskonflikt. Immerhin sind Karl Zeller und seine Kanzlei auf Verwaltungssverfahren spezialisiert, die in erster Instanz vor genau jenem Gericht behandelt werden, wo seine Lebensgefährtin in Zukunft als Richterin sitzen wird.


Dass sich die politisch abgesegnete Ernennung aber trotzdem verzögerte, hat einen anderen, bisher kaum bekannten Hintegrund. Als Daniela Cinque im Jänner 2014 aus der Zeitung erfährt, dass eine italienische Verwaltungsrichterin ernannt werden soll, bewirbt sie sich im allerletzten Moment über das Regierungskommissariat um den Posten.
Nachdem der Ministerrat am 31. Jänner Alda Dellantonio vorschlägt, erkundigt sich Daniela Cinque, die als Juristin deutlich mehr Dienstjahre und Erfahrung  als die ihr zeitweise dienstlich unterstellte Dellantonio hat, in Rom, ob ihr Gesuch rechtzeitig angekommen sei und bei der Entscheidung des Minsterrates berücksichtig wurde.
Nach der positiven Antwort aus Rom fordert die Meraner Vizegeneralsekretärin das Protokoll und die Begründung des Ministerrates für die Dellantonio-Ernennung an. Als Betroffene und Mitbewerberin hat sie nach geltender Bestimmung eindeutig das Recht, diese Unterlagen einzusehen. Doch die Antwort des Generalsekretariates lautet lapidar: „Segreto di stato“.
Daniela Cinque ist aber keine Person, die sich leicht einschüchtern lässt. Sie schreibt jetzt direkt an Ministerpräsident Matteo Renzi. Die Antwort ist ein beleidigtes Schreiben des Generalsekretärs des Ministerratspräsidiums, in dem das Unverständnis ausgedrückt wird, wie jemand an der Entscheidung eines so angesehenen Gremiums zweifeln kann.
Cinques Intervention hat nicht nur die Ernennung von Alda Dellantonio verzögert, sie kam in Rom auch Karl Zeller zu Ohren. Diese Geschichte dürfte dann auch der eigentliche Hintergrund für den Frontalangriff des SVP-Senators auf die Meraner Juristin und Beamtin sein.

Versuchte Einschüchterung?

Fast zeitgleich mit der Ernennung Alda Dellantonios durch den Ministerrat stellte Karl Zeller auch seine Zivilklage und seine 60.000-Euro-Forderung an den Alto Adige und an Daniela Cinque zu.
Man kann das als Zufall sehen oder als Versuch einer Einschüchterung. Denn Alda Dellantonio ist derzeit noch im Rechtsamt in Meran tätig. Ihre Ernennung zur Verwaltungsrichterin wird erst nach Ablauf der Rekursfrist gültig. Das ist Ende dieses Jahres der Fall.
Daniela Cinque aber überlegt - nach Informationen von salto.bz - ernsthaft einen Rekurs gegen die Ernennung von Dellantonio einzureichen. Nach Einschätzung von Juristen, die von salto.bz befragt wurden, hätte die Rekursstellerin durchaus Chancen, das Verfahren zu gewinnen. Sicher ist aber, dass ein solcher Rekurs die Angelobung von Zellers Lebensgefährtin zur Verwaltungsrichterin noch einmal deutlich verzögern würde.
Ist Zellers Klage deshalb ein klarer Fingerzeig, damit die Meraner Vizegeneralsekretärin von einem Rekurs ablässt? „Nein, es geht nicht darum, jemanden einzuschüchtern“, widerspricht Karl Zeller dieser Leseart.
Man darf gespannt sein: auf die Fortsetzung im Denver Clan, made in Meran.

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kurt duschek Mo., 24.11.2014 - 18:08

Information der Gemeinderatsfraktion der Grünen in Meran:

Anfrage von Cristina Kury mit schriftlicher Beantwortung:
An den Präsidenten des Gemeinderates Meran

Betrifft: Welche Summe hat die Gemeinde für die Rechtsvertretung in den
letzten 10 Jahren an RA Zeller bzw. an seine Kanzlei gezahlt? Wie
hoch ist insgesamt die Summe, die die Ge­mei­nde in den
letzten 10 Jahren für Rechtsvertretungen bezahlt hat?
Laut dem Internetportal salto.bz hat Senator RA Karl Zeller eine
Zivilklage gegen die Vizegemeindesekretärin Frau Daniela Cinque und
gegen die Tageszeitung Alto Adige eingereicht. Der Grund für die
Klage: Laut RA Zeller soll Frau Cinque Informationen, die der
„privacy“ unterliegen, dem Alto Adige weitergereicht haben.
Dabei handelt es sich um die Frage, welche Summe die Gemeinde an RA
Zeller bzw. an seine Kanzlei in den letzten 10 Jahren für die
Rechtsvertretung der Gemeinde bezahlt hat. Da RA Zeller die vom Alto
Adige im Frühjahr dieses Jahres angegebene Summe von 640.000 Euro
bestritten hat, hat sich der Alto Adige an Frau Cinque, die in dieser
Zeit die Funktion der Anwaltschaft ausübte, gewendet. Sie hat „in
linea di massima“ die ausbezahlte Summe bestätigt. Diese Auskunft
über die Verwendung von Steuergeldern, die jedem Interessierten,
Gemeinderäten und Journalisten frei zugänglich sein müsste, sind
laut RA und Senator Zeller eine „Verletzung der „privacy“ und
Grund für eine Zivilklage.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitrahmen: die oben
zitierten Ereignisse spielen sich im Frühjahr dieses Jahres ab. Die
Mitteilung über die eingereichte Zivilklage erreicht den Alto Adige
und Frau Cinque erst vor rund einem Monat. Dies bestärkt die
Vermutung, dass es an­dere, von RA Zeller nicht benannte
Hintergründe für die Einreichung der Zivilklage gibt, die als
Ein­schüchterungsversuch gewertet werden könnte.
Weiters relevant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass
laut Personalordnung des Landes die Gemeinde (also die öffentliche
Hand) die Anwalts- und Gerichtskosten ihres Personals vergütet, das
dieses für die Verteidigung in Zivilrechtsfragen in Zusammenhang mit
seinem Dienst­verhältnis zu bezahlen hat, sofern es nicht wegen
vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Handlungen oder
Unterlassungen verurteilt wird.
Auf Grund der oben aufgezeigten Vorkommnisse ersuche ich um eine
rasche Beantwortung folgender Frage:
Wird sich die Gemeindeverwaltung hinter ihre Vizegeneralsekretärin
stellen und sie vor weiteren Anschuldigungen und
Einschüchterungsversuchen in Schutz nehmen?
Und weiters:
RA Zeller behauptet immer noch, die angegebene Summe von Euro 640.000
für die von ihm ausgeführte Rechtsvertretung in den letzten 10
Jahren entspräche nicht der Wirklichkeit.
Um Klarheit zu schaffen, um welche Summen es sich handelt, ersuche
ich um möglichst rasche schriftliche Beantwortung der folgenden
Frage:
Welche Summe hat die Gemeinde Meran in den letzten 10 Jahren an den
RA Zeller bzw. an seine Kanzlei für die von ihm ausgeübte
Rechtsvertretung in verschiedenen Fällen ausbezahlt?
Welche Summe wurde insgesamt in den letzten 10 Jahren von der
Gemeinde für Rechtsvertretungen ausbezahlt?
Cristina Kury
Meran, den 24/11/2014

Mo., 24.11.2014 - 18:08 Permalink