Kultur | Museumsquartier

Bozen im Mumienmodus

In Bozen beherrscht derzeit ein Thema die Stammtische und die Politik: die Mumie bzw. Ötzis zukünftiges Zuhause. Wie lange wird Bozen wohl noch im Mumienmodus bleiben?
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Foto: Snøhetta/Signa

Was bedeutet der Begriff „Mumienmodus“?

Den Begriff Mumienmodus findet man im Internet nicht, wohl aber den Begriff Modus. Und das ist in der Statistik der häufigste Wert, der in einer Stichprobe vorkommt. Von den gebräuchlichsten Wörtern, die derzeit in Bozen kursieren, dürften die Wörter Ötzi oder Mumie ziemlich häufig vorkommen. Aber das ist nur ein unwesentliches Indiz, von Bozen im Mumienmodus zu sprechen.

Relevanter ist ein Blick auf die Politik. Auch da ist die Mumie derzeit ein Thema. Geht es doch darum, zu entscheiden bzw. – wahrscheinlich – nicht zu entscheiden, wohin der gute Ötzi definitiv gebettet werden soll. Eigentlich gibt es die Frage nach dem künftigen Sitz des Archäologiemuseums schon länger, weil seit Jahren klar ist, dass die derzeitige Unterkunft einfach viel zu klein ist. Aber bisher hat dieses Problem keinem Politiker graue Haare wachsen lassen. Bis die Marktrecherche kam und das Gespann Benko + Hager den Virgl als idealen Platz für ein Museumsquartier von internationaler Ausstrahlung ins Spiel brachte. Sie begnügten sich dabei in gewohnter Professionalität nicht mit einer Ideenskizze und ein paar Rechenspielen, sondern beauftragten das Architekturbüro Snohetta aus Oslo, eines der namhaftesten Architekturbüros weltweit, mit einem Vorprojekt. Dies hat die Achse aus Kaufmannschaft und Politik zwischen Lauben und Gries in eine Art Mumienstarre versetzt.

Ötzi, das Allheilmittel zur Aufwertung der Altstadt?

Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kaufmannschaft in Bozen und Gries in den letzten Jahrzehnten besonders wirksame Ideen zur Aufwertung und Belebung des Stadtzentrums entwickelt hat. Wenn man vom Christkindlmarkt und diversen Märkten und Veranstaltungen auf dem Waltherplatz absieht, hat sich nicht viel getan. Im Gegenteil. Man hat zugeschaut, wie immer mehr traditionelle und typische Häuser geschlossen und sich unter den Lauben x-beliebige Ketten angesiedelt haben. Die Bozner Lauben haben ihr Alleinstellungsmerkmal längst verloren. Nun soll es Ötzi richten! Er muss unbedingt im Zentrum bleiben, sonst geht es mit den Geschäften drumherum abwärts. So argumentieren die Vertreter von HDS und SVP bis zum Überdruss. Ja, haben die Herrschaften nicht verstanden, dass in erster Linie das Angebot stimmen muss, die besondere Ware, der einmalige Service und der richtige Preis? Dann kommen die Kunden automatisch zu ihnen sowie sie auch zu den entlegensten guten Gastwirtschaften im Lande finden, auch wenn dort daneben meist keine museale Perle liegt. Mit anderen Worten: Die Kaufleute und Lokalbetreiber im Stadtzentrum müssen von sich aus mehr Kreativität, Vitalität und Attraktivität entwickeln und dürfen sich nicht darauf verlassen, dass ein daneben liegendes Museum die Kunden bringt.

Die SVP-Bozen im Mumienmodus

Von der Politik kann man mit Recht erwarten, dass sie sich immer wieder auf neue Situationen einstellen und darauf reagieren kann. Und man geht davon aus, dass sie sich eher am intelligenten Verhalten eines Wolfsrudels oder eines Fischschwarms orientieren würde und nicht am starren Modus einer Mumie. Aber genau das Letztere macht derzeit die Bozner SVP. Es war ja noch zu verstehen, dass sie sich, als Benko nach Bozen kam, mit den alteingesessenen Laubenkönigen zusammenschloss, um den Eindringling abzuwehren. Aber was in letzter Zeit ablief, verstehe ich nicht mehr. Da wird von Seiten der Partei die Vision einer Stadtentwicklung vom Rathausplatz nach Gries beschworen. Dabei weiß jedes Schulkind, dass sich Bozen in der nächsten Zukunft unweigerlich vom Waltherplatz über den Waltherpark zum neu zu verbauenden Bahnhofsareal hin entwickeln wird. Weiters vermittelt die Bozner SVP derzeit, dass sie nur die Interessen einer Klientel zu vertreten hat, nämlich die der Laden- und Hausbesitzer zwischen Rathausplatz und Grieserplatz. An die Bedürfnisse und Erwartungen der (bisherigen) Wähler in den anderen Stadtteilen verschwendet sie anscheinend keinen müden Gedanken.

Was mich definitiv an der politischen Weitsicht der derzeitigen Bozner SVP-Führung zweifeln lässt, war die Reaktion des Vizebürgermeisters auf die Vorstellung des klaren Ergebnisses der Bewertungskommission für ein Museumsquartier. Diese Starrheit im Denken und Agieren eines Politikers finde ich erschreckend. Ich kann sie mir nur so erklären: Dr. Christoph Baur ist sicher ein guter Rechtsanwalt. Als Vizebürgermeister von Bozen hat er aber offensichtlich die Stufe seiner Unfähigkeit erreicht.Und die Bozner SVP sollte sich konsequenterweise umbenennen in Stillstand Verteidigungs Partei.

Kein Platz für museologische Überlegungen?

Wenn eine Bank eine neue Filiale plant, denkt sie bei der Wahl der Lage, beim Raumbedarf und bei der Außen- und Innengestaltung ausschließlich an ihre Kundschaft und die betrieblichen Erfordernisse. Dasselbe macht jeder Kaufmann, jedes Hotel, jeder Betrieb. Für ein Museum soll dies aber nicht gelten. Ein attraktives Museum soll gefälligst dort sein, wo es als Lockvogel zur Kundenbeschaffung dienen kann. Ob die interessierten Besucher das Ötzimuseum leicht oder schwierig erreichen, ob sie im Regen Schlange stehen müssen oder nicht, ob ein Gebäude museumsgerecht umgebaut und eingerichtet werden kann, ob man es kosteneffizient führen kann. Solche und ähnliche Fragen sind für viele Politiker in Bozen anscheinend irrelevant bzw. werden gar nicht angesprochen. So ist mir aufgefallen, dass auch ein Paul Köllensperger bei der Frage zu einem eventuellen Museumsquartier in Bozen nur Überlegungen anstellte, ob und wie sich ein Standort auf die umliegenden Straßen auswirken würde. Nur Brigitte Foppa hat meines Wissens angemahnt, dass es bei dieser Debatte doch vor allem um museologische Überlegungen gehen sollte. Damit es dazu kommen kann, müssten allerdings einige den Mumienmodus wieder ausschalten.

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F. T. Mo., 25.03.2019 - 10:47

Hervorragender Kommentar, der die Mumien Laubenbesitzer und ihre eingespannten Vertreter bestens beleuchtet. Ihr einziges Interesse ist die Erhaltung der überzogenen Mietpfründe. Aber damit haben sie schon beim Bahnhofsareal Schiffbruch erlitten. Ich erinnere mich noch heute mit Vergnügen an den für die Causa eingespannten schnellsten Redner Südtirols. Ein Bub der so schnell redete dass ein guter Teil der Zuhörer nichts verstanden. Dafür wurde er in der, auch eigespannten, Presse als ein in Stadtentwicklung bewandertes Genie gefeiert. Deswegen bin ich schon gespannt welche Zurkusnummern uns demnächst bevorstehen.

Mo., 25.03.2019 - 10:47 Permalink