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First Man - Aufbruch zum Mond

Der vierte Spielfilm des La La Land-Regisseurs Damien Chazelle nimmt Abstand von traumhaften Musical-Einlagen und beschäftigt sich mit dem Astronauten Neil Armstrong.
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Foto: Universal

Damien Chazelle ist Anfang 30 und hat sich in Hollywood bereits einen Namen gemacht. In seinen ersten drei Filmen beschäftigte er sich in erster Linie mit Musik. Egal ob als Reflexion über musikalischen Erfolg, oder als Musical – Musik liegt Chazelle sehr am Herzen. Seine Figuren musizieren, sie singen und tanzen. Wie es der Zufall will, hat auch sein aktueller Protagonist eine musikalische Vergangenheit. Neil Armstrong, der wohl berühmteste amerikanische Astronaut war ein talentierter Musiker. „First Man“ erzählt seine Geschichte und ist das erste Werk in Chazelles Filmographie, das er nicht auch selbst geschrieben hat. Im Grunde ist es ein Auftragswerk, deckt sich in seinen Themen aber mit Chazelles bisheriger Arbeit. Zunächst muss aber eine These aus der Welt geschafft werden: „First Man“ ist keine Biographie von Armstrong.

Am stärksten ist der Film nämlich immer dann, wenn man die Räumlichkeiten der NASA verlässt und in das traute Heim der Armstrongs eintaucht.

Der Film ist auch keine detaillierte Abbildung der technischen Vorgänge innerhalb der Mondmission. Vielmehr ist er zweigeteilt. Auf der einen Seite sehen wir Neil Armstrong, den Astronauten, und die Nasa, die seit etwa 1961, dem Zeitpunkt, an dem der Film einsteigt, damit beschäftigt ist, die erste bemannte Mondladung durchzuführen. Die Russen sollen abgehängt werden, so der Plan, der derart utopisch und fantastisch erscheint, dass die Akteure selbst nicht so recht daran glauben wollen. Und die Forschungen und Tests laufen lange Zeit alles andere als rosig. Mehrere Männer sterben bei Experimenten mit neuen Technologien. Doch dann ist es endlich soweit, das Jahr ist 1969 und Neil Armstrong betritt gemeinsam mit Buzz Aldrin als erste Menschen den Mond. Soweit, gut, diese, so prominent über den Film schwebende Handlung ist jedermann bekannt und sorgt auch kaum für Überraschungen. Wir wissen natürlich, dass Armstrong und sein Team die Mondexpedition überleben wird, wir wissen, dass sie alle wieder heil auf der Erde ankommen werden. Wesentlich interessanter und vielschichtiger ist die andere Seite in „First Man“. Am stärksten ist der Film nämlich immer dann, wenn man die Räumlichkeiten der NASA verlässt und in das traute Heim der Armstrongs eintaucht. Denn Neil hat Familie, er ist verheiratet und hat drei Kinder, von denen eine Tochter Anfang der 60er verstirbt. Er ist Vater und hat somit eine Verantwortung zu tragen, der er sich nur zu gerne entziehen würde. Seine Frau zweifelt am Erfolg der Mission, und sie bangt um das Leben ihres Mannes. Aber sie sagt ihm auch klar, was sie denkt, und so kommt Neil nicht umhin, in sich zu gehen und seinen inneren Schweinehund zu überwinden. Diese Szenen sind vor allem deshalb so stark, weil Chazelle in der Besetzung seiner Hauptrollen gut gewählt hat.

Die Palette an Emotionen, die sich Foy und Gosling hier entgegen schmeißen, macht Freude und dürfte Foy eine Oscarnominierung einbringen.

Ryan Gosling verkörpert Armstrong, und ist nach La La Land nun zum zweiten Mal in einem Film des Regisseurs dabei. Er spielt ihn gewohnt souverän, als starken, aber nicht unfehlbaren Mann, der in manchen Momenten regelrecht überfordert von sich und seinem Leben scheint. Der eigentliche Star ist jedoch Neils Frau Jane, gespielt von Claire Foy. Sie spielt Gosling locker an die Wand und nimmt in ihren Szenen die Leinwand vollkommen für sich ein. Jane ist eine starke Frau, oftmals noch willensstärker als ihr Mann. Die Palette an Emotionen, die sich Foy und Gosling hier entgegen schmeißen, macht Freude und dürfte Foy eine Oscarnominierung einbringen.

First Man - Official Trailer (HD)

Dies sind die Höhepunkte von „First Man“, die stillen, intimen Momente. Dem gegenüber stehen die wesentlich action- reicheren Weltraumszenen, die jedoch auf eine unglaublich penetrante Art inszeniert sind. Chazelle scheint nur einen Weg zu kennen, um die Orientierungslosigkeit und die enormen physischen Kräfte, die auf die Astronauten einwirken, zu transportieren. Das Ergebnis sind hoffnungslos deplatzierte Wackelkamera-Szenen. Die Bilder werden bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, man erkennt nur noch Schemen und Farben, der eigentliche Inhalt verblasst. So bleiben diese Szenen auch kaum in Erinnerung, und wenn doch, dann weil man sich gegebenenfalls über sie ärgern muss. Das Unwohlsein der Astronauten wird nicht dadurch erzeugt, dass die Kamera unruhig sein muss. Chazelle hätte gut getan, sich einiges von seinen Vorbildern abzuschauen. An anderen Stellen tut er dies nämlich durchaus. Natürlich wird Kubricks „2001“ zitiert, die obligatorische Andock-Szene, begleitet von Walzer-Musik findet sich auch in „First Man".

„First Man“ ist ein durchaus unterhaltsamer und interessanter Einblick in den wohl wichtigsten Abschnitt der amerikanischen Raumfahrtgeschichte.

Die musikalische Untermalung, die wie erwähnt eine wichtige Rolle in Chazelles Filmen einnimmt, ist auch dieses Mal wieder gelungen. Stamm-Komponist Justin Hurwitz nutzt sehr intime Melodien und stellt ihnen Klangteppiche gegenüber, die an die B-Movies der 50er Jahre erinnern, aber durchaus charmant sind. An manchen Stellen entstehen gar Assoziationen zu einigen Melodien von Ennio Morricone. So ist „First Man“ ein durchaus unterhaltsamer und interessanter Einblick in den wohl wichtigsten Abschnitt der amerikanischen Raumfahrtgeschichte. Der Film beleuchtet den Protagonist dieser Epoche und zeigt ihn als Menschen, als Vater, als Ehemann. Doch der Film zeigt einmal mehr, dass das technische Spektakel, das Provozieren des menschlichen Sehnervs bei all seiner Pracht nicht mit den zwischenmenschlichen Momenten mithalten kann. „First Man“ ist immer dann am stärksten, wenn die Maschinen schweigen und die Herzen sprechen. Auf die eine oder andere Art und Weise. Das beste Beispiel ist die allerletzte Szene des Films, in der kein einziges Wort gesprochen wird und Blicke reichen, um die Beziehung zweier Menschen mehr als deutlich zu definieren.

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Benjy Kompasser Mo., 26.11.2018 - 16:14

Der Film ist sicherlich interessant. Das ist aber auch schon alles. Ein Oscar ist nicht unbedingt zu erwarten, wäre auch sehr verwunderlich. Eigentlich kann Ryan Gosling das besser, aber zu dieser Rolle konnte er natürlich nicht nein sagen. Trotzdem ist der Film oft langweilig und zieht sich. Kubrick konnte das damals schon besser und war doch spannender.
Kann man, muss man aber nicht sehen.

Mo., 26.11.2018 - 16:14 Permalink