Wirtschaft | Nahverkehr

Last Avenue

Die SAD ist beim Verwaltungsgericht mit dem Versuch abgeblitzt, per Eilverordnung die Werberichtlinien des Landes im Busverkehr zu kippen. Es war nur ein Vorspiel.
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Foto: First Avenue
Der Rekurs der SAD AG gegen das Land und die Landesgesellschaft STA AG wurde bereits vor Wochen hinterlegt. Die SAD klagt darin gegen eine Verordnung des Landesrates für Mobilität, mit dem das Land die kommerzielle Werbetätigkeit in und auf den Zügen und Bussen im Südtiroler Nahverkehr regelt. Ingomar Gatterer & Co wollen mit der Klage die vom Land verfügten Einschränkungen zu Fall bringen und ein geplantes Millionengeschäft retten.
Weil man sich beim Geldverdienen selten Zeit lassen kann, haben die Kläger beim Verwaltungsgericht eine Dringlichkeitsverfügung beantragt. Der Antrag: Das Gericht solle das Dekret des Landes unmittelbar außer Kraft setzen.
Doch damit ist die SAD jetzt abgeblitzt.
Das Verwaltungsgericht hat am 22. Jänner den Erlass einer Dringlichkeitsverfügung abgelehnt. Damit fällt die inhaltliche Entscheidung erst im Hauptverfahren, das vor dem Bozner Verwaltungsgericht in eine paar Monaten über die Bühne gehen wird.
Dass der Fall trotzdem spannend bleibt, liegt nicht nur am Streitgegenstand, sondern auch am eigenwilligen Umgang mit Interessenkonflikten, der in der Bozner Gerstburg herrscht.
 

Mussners Machtwort

 
Im neuen Mobilitätsgesetz des Landes sind auch die „Zuständigkeiten des Landesrates/der Landesrätin“ genau festgehalten. Dabei heißt es unter anderem:
 
„Der Landesrat/Die Landesrätin für Mobilität erlässt die Vorschriften über die Ausstattung, die Farbgebung und das Layout der Verkehrsmittel des öffentlichen Liniendienstes sowie jene über die Nutzung der Werbeflächen.“
 
Diese Vorschriften hat der damalige Landesrat Florian Mussner am 31. Juli 2018 per Dekret Nr.11588/2018 erlassen. Es ist jene Verordnung, die die SAD jetzt vor dem Verwaltungsgericht anficht.
Im Dekret werden nicht nur die Farbgebung und die Ausstattung der Busse äußerst detailliert definiert, es wird auch genau festgelegt, welche Schriften in welcher Größe auf und in den Bussen angebracht werden dürfen.
Zudem wird die Werbetätigkeit geregelt. Dazu heißt es:
 
„Die Nutzung der Werbeflächen wird für alle Verkehrsmittel der Linienverkehrsdienste (Züge, Busse, Seilbahnen, Trambahnen, etc.) einheitlich geregelt. Auf den Außen- und an den Innenflächen dieser Verkehrsmittel darf keine Werbung angebracht werden. Diese kann ausschließlich über die Innenbildschirme in den Verkehrsmitteln ausgestrahlt werden, und nur im Falle von Doppel- bzw. Breitformatbildschirmen. Ein Bildschirm bzw. eine Bildschirmseite ist allein der Fahrgastinformation vorbehalten. Der zweite Bildschirm oder Bildschirmseite, der/die in erster Linie der institutionellen Information der Fahrgäste und zur Bewerbung von Initiativen im Nahverkehr dient, kann in beschränktem Ausmaß für die Ausstrahlung von kommerzieller Werbung (Fremd- und Eigenwerbung des Betreibers) genutzt werden.“
 
In Anlage C des Dekretes wird die genaue Umsetzung dieser Richtlinien festgelegt. Demnach muss der Busbetreiber Informationen zum Verkehrsdienst und die Anschlusssituation bei Haltestellen immer wieder einspielen. Zudem müssen 30 Prozent der Werbezeit dem Land für institutionelle Werbung zur Verfügung gestellt werden. Diese wird über die STA AG in das System eingespielt. „Es geht dabei ausschließlich um öffentliche Informationen“ sagt STA-Direktor Joachim Dejaco.
Der Punkt, der Ingomar Gatterer & Co aber am schwersten trifft: Der Busbetreiber – und damit auch die SAD – darf auf den Bildschirmen in den Bussen nur maximal 30 Prozent der Fahrzeit für kommerzielle Werbung nutzen.
 

Das große Geschäft
 

Diese Bestimmung macht einem groß geplanten Deal einen Strich durch die Rechnung.
Seit über einem Jahrzehnt betreibt die „First Avenue“ alle Werbeflächen in und an den Südtiroler Bushaltestellen. Das Unternehmen, das inzwischen mehrheitlich der Athesia AG gehört, und die SAD AG haben im November 2018 ein Abkommen abgeschlossen. Es geht dabei um die Werbung in und an den Bussen in Südtirols.
„Durch die geschlossene Partnerschaft erweitert First Avenue, Südtirols Marktführer in Außenwerbung und Digital Media, sein Portfolio um 1.200 Außen- und 500 Innenwerbeflächen auf mehr als 340 Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr und erreicht landesweit sowohl in den Städten als auch in der Peripherie die gesamte Südtiroler Bevölkerung und Touristen“, heißt es in einer Presseaussendung der Athesia-Tochter.
Das Unternehmen aus dem Reiche Ebner bietet seit Monaten nicht nur die Bildschirm- und Innenwerbung, sondern auch Außenwerbung auf den Bussen an. Man kann die Flächen buchen, und es werden genaue Preise angegeben.
So, als würde es weder das Werbeverbot auf den Bussen noch genaue Richtlinien für die Bildschirmwerbung geben.
 
Der Rekurs und der Versuch, das Dekret des Landes vor dem Verwaltungsgericht zu kippen, muss wohl vor allem vor dem Hintergrund dieses geplanten Geschäftes betrachtet werden.
Der erste Versuch der SAD AG, per Eilverordnung die eigenen finanziellen Interessen durchzusetzen, ist jetzt in die Hose gegangen. Es wird sich zeigen, wie das Verwaltungsgericht im Hauptverfahren entscheiden wird.
 
 

Blinde Richter?

 
Dieser Fall ist aber jetzt schon ein Musterbeispiel dafür, wie fahrlässig man in der Bozner Gerstburg mit augenscheinlichen Interessenkonflikten umgeht. Die Ablehnung des SAD-Antrages wurde diese Woche von einem vierköpfigen Richtersenat entschieden. Es ist allgemein Usus, dass die Richter, die den Dringlichkeitsantrag behandeln, auch die Hauptverhandlung führen.
Dem Senat, der in diesem Fall entschieden hat, gehört aber auch Margit Falk Ebner an. Die Bozner Richterin hat damit ein Urteil unterzeichnet, das gegen ihre persönlichen finanziellen Interessen geht.
 
Denn Margit Falk Ebner hätte mit diesem Fall niemals befasst werden dürfen. Falk Ebner ist die Ehefrau von Toni Ebner, selbst Athesia-Aktionärin und Teilhaberin einer Familienholding, die die Mehrheit an der „Athesia AG“ hält. Formal ist die Athesia-Tochter „First Avenue“ zwar nicht Prozesspartei, doch es dürfte selbst für einen juridischen Laien erkenntlich sein, dass dem Athesia-Unternehmen durch eine Annahme des Rekurses ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht.
Demnach hat die Richterin persönliche finanzielle Interessen, die mit dem Ausgang dieses Verfahrens zusammenhängen. Augenscheinlicher kann ein Interessenkonflikt kaum sein. Selbst die Tatsache, dass der Richtersenat den Eilantrag dennoch abgelehnt hat, ist sicher beachtenswert, ändert an dieser Konstellation nichts.
Es ist mehr als überraschend, dass am Bozner Verwaltungsgericht diese Verquickung der Interessen niemandem aufgefallen zu sein scheint; auch die Anwaltschaft des Landes hat bisher keine Einwände erhoben.
Entweder man ist blind oder im (schein)heiligen Land Südtirol gelten andere Regeln.