Gesellschaft | Advent

Offline ist man weniger allein

Das Südtiroler Kinderdorf fordert Familien heraus: Bis Weihnachten einen Tag bewusst auf neue und digitale Medien verzichten – und stattdessen gemeinsam Zeit verbringen.
Weihnachten
Foto: Pixabay

Ein Leben ohne ist nicht mehr vorstellbar. Handy, Smartphone, Tablet sind zum ständigen Begleiter geworden. Im Bus, in der Supermarktschlange, am Klo und am Tisch – ein Blick auf Whatsapp, Instagram, Facebook, Twitter, Snapchat & Co. ist schnell geworfen, der letzte Rekord beim Online-Game rasch geknackt. “Die Versuchung, sich von den neuen Medien ablenken zu lassen, ist ständig präsent”, nickt Heinz Senoner. Und zwar querbeet in allen Altersklassen.

Der Sog der digitalen sozialen Netzwerke und der interaktiven Spiele aber verursacht “viel Rat- und Hilflosigkeit”, haben Senoner und seine Mitarbeiter vom Südtiroler Kinderdorf in ihrer tagtäglichen Arbeit festgestellt. “Etwa Eltern, die uns fragen, ob ihr 5-jähriges Kind schon ein eigenes Tablet braucht”, berichtet Direktor Heinz Senoner.

An die 400 Kinder, Jugendliche und Eltern, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, betreut die Südtiroler Kinderdorf Genossenschaft jedes Jahr. “Und jetzt möchten wir gerne Akzente setzen”, erklärt Senoner.

Für die Adventszeit fordert das Kinderdorf die Familien im Land heraus: Ein Abend pro Woche ohne Smartphone, Tablet, Computer oder Fernsehen. Stattdessen gemeinsam Zeit verbringen. “Die Offline-Family: Familienzeit statt Medienzeit” lautet der Titel des Appells. 

“In Familien gibt es oft das Phänomen, dass die Mitglieder viel an den Bildschirmen mit anderen in Kontakt sind, aber nicht mit den realen Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe. Vielleicht weil real gelebte Begegnungen anspruchsvoller sind als digitale?”, fragt man sich beim Kinderdorf – und verweist auf eine dänische Umfrage zum Thema Medienkonsum, die 2016 mit 1.600 13-Jährigen und einer vergleichbaren Gruppe von Eltern durchgeführt wurde. “Daraus geht hervor, dass die meisten befragten Kinder, aber auch die Eltern an Einsamkeit in der Familie leiden. Es stellte sich heraus, dass die Mehrheit der Kinder und der Eltern sich gegenseitig vermissen und mehr ungestörte Zeit mit ihnen verbringen will”, fasst Heinz Senoner zusammen. “Um tiefe Beziehungen zu leben, braucht es aber nicht nur gemeinsame Zeit, sondern vor allem ungestörte gemeinsame Zeit.”

Und wann wäre der bessere Zeitpunkt, als den Versuch, ungestört Zeit miteinander zu verbringen als die stillste Zeit im Jahr? Handy, Smartphone, Tablet weglegen und etwas suchen, das alle gerne machen – das schlagen Heinz Senoner und das Kinderdorf den Familien in der Adventszeit vor. Wie das gelingen kann? “Bereits vor dem Abendessen werden alle Geräte ausgeschaltet oder weggelegt.” Und dann? “Gemeinsam kochen, zu Abend essen, spielen, spazieren gehen, basteln, musizieren, Kekse backen, den Christbaum schmücken oder von sich erzählen und zuhören – die Alternativen sind unendlich.”

Wer schafft es, einen Tag in der Woche bewusst der Ablenkung durch die digitale Welt zu widerstehen? Beim Kinderdorf hält man die Familien, die diesen Versuch in der Adventszeit wagen, an, die Erfahrungen zu teilen – auf der Facebook-Seite des Südtiroler Kinderdorfes. Dort wird in der Vorweihnachtszeit jeden Tag eine Idee für gemeinsame Aktivitäten gepostet – “ein etwas anderer Adventskalender”, lächelt Senoner.