Gesellschaft | Aus dem Blog von Frank Blumtritt

Homöopathie

Nach Klimawandel und Wirtschaftskrise fehlte uns nur noch die Notiz, dass die Homöopathie unser Verderben sein wird. Aber gehen wir der Reihe nach...
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Movimento 5 Stelle

Ein Minister besucht eine Hahnemann-Ausstellung im naturkundlichen Museum zu Rom. Ein ehrenwerter Arzt mit journalistischem Talent empört sich im "Alto Adige", dass man damit die Scharlatanerie propagiere und liefert wissenschaftliche Belege über die Unwirksamkeit der Homöopathie. Ein ehrenwerter Physiker mit nicht weniger journalistischem Talent legt noch einen Scheit aufs Feuer und belegt wissenschaftlich, dass homöopathische Heilmittel reines Wasser sind.

Unser ehrenwerter Arzt und Journalist ist ein Verfechter der "evidence based medicine", jener Medizin, die ihre Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien belegen kann. Dieser Ansatz ist löblich und die Schulmedizin selbst hat hier einen riesigen Nachholbedarf, denn nur ein relativ kleiner Teil aller medizinischen Maßnahmen in unserem supermodernen und sündhaft teuren Gesundheitssystem sind "evidenzbasiert" und die an vielen Patienten entstandenen Schäden durch Behandlungsfehler sind enorm hoch, wie uns Versicherungsgesellschaften in der ganzen Welt gerne bestätigen würden.  Die wahre Gefahr für Patienten in der modernen Gesellschaft kommt von der klassischen Schulmedizin, welche tendenziell überdiagnostiziert und überbehandelt (Auf die verschiedenen Lobbys, die daraus profitieren, soll hier nicht näher eingegangen werden).

Das Problem ist international bekannt und absolut evidenzbasiert, wird aber weder in Insider-Kreisen, noch in den öffentlichen Medien gerne publiziert. Viel lieber kritisiert man/frau die Alternativmedizin - und das, obwohl man gerade in Krisenzeiten froh sein sollte, wenn sich Menschen, statt dem Gesundheitssystem auf die Tasche zu fallen, fast zum Nulltarif mit natürlichen Heilmitteln kurieren. Desahlb werden z.B. homöopatische Heilmittel in kostenbewussten Ländern von Staat oder Krankenkassen finanziert. Nicht so bei uns. Und das, obwohl die Homöopathie, also das "reine Wasser", in Italien nur von Ärzten betrieben werden darf und die Heilmittel apothekenpflichtig sind. Komisch, gell? Auch die Akupunktur ist in Italien Ärzten vorbehalten, obwohl auch sie, wie die Homöopathie, eine rein energetische Wirkungsweise hat und physiologisch - also nach westlicher Wissenschaft - nicht erklärbar ist.

Die abendländische Wissenschaft kann nicht alles erklären und sie wird einem Zen-Buddhisten nicht gerecht. Sie ist sehr wohl geeignet, ihre eigenen Erkenntnisse zu hinterfragen und hat damit auch fürwahr genug zu tun. Inzwischen sollte man das Wohlbefinden und die Selbstheilungskräfte derer, die Shiatsu, Qi Gong, Akupunktur oder Homöopathie betreiben einfach hinnehmen und respektieren - und das vor allem dann, wenn sie unser krisengeschütteltes Gesundheitssystem dadurch entlasten. Die manchmal verbreitete These, dass bei solchen Patienten schwere Krankheiten unbehandelt bleiben, ist nicht belegt und stützt sich auf reine Anekdoten. Patienten, die klassische Behandlungen von schweren Krankheiten verweigern hat es immer gegeben und wird es immer geben, mit oder ohne Scharlatanerie. Das Prinzip, dass Jede/r frei entscheiden kann, ob und welche Behandlung er/sie will, ist gottseidank im Grundgesetz verankert.

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gorgias Sa., 06.07.2013 - 11:09

Antwort auf von Sylvia Rier

"Je nachdem ob ein Gymniasiast zum Militär ging, eine Laufbahn als Lehrer oder Beamter einschlug, war seine Rechtschreibung richtig oder falsch"

Die soziale Konstruktion des Rechtschreibfehlers - Wie fehlerfreies Schreiben zum Kriterium für Bildung und Intelligenz wurde von Kirill Levinson

http://www.einsteinforum.de/index.php?id=819

Und übrigens:
Wie kleinkariert muss man sein, um jemanden in einem Kontext wie einen Blog orthographische Fehler vorzuhalten? Bildung bedeutet auch das Essentielle zu erkennen. - Diesmal für Sie mit Dopppel-S.

Sa., 06.07.2013 - 11:09 Permalink
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Frank Blumtritt Sa., 06.07.2013 - 12:21

Antwort auf von Sylvia Rier

Oh Gorgias, ob ich "kleinkariert" bin, kann beim lesen dieses Blogs Jede/r für sich entscheiden. Unbestritten ist wohl, dass Sie ein selten eitler Mensch sind. Zu Allem was ich geschrieben habe, fällt Ihnen nix Besseres ein, als den millionsten link zu finden, der Ihnen angeblich auch im Unrecht noch Recht geben soll (haben Sie eigentlich auch so was wie eine eigene Meinung, oder küssen Sie die Geliebte erst, wenn Sie einen evidenzbasierten Artikel dazu gefunden haben..?). Dass Rechtschreibung nicht Ihre Stärke ist, haben inzwischen Alle gemerkt und mich stört das ja auch nicht im Geringsten, solange einer nicht überheblich ist und dauernd so tut, als wäre er unfehlbar. Das gilt halt der Spruch mit dem Wald, in den man hineinruft...

Sa., 06.07.2013 - 12:21 Permalink
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gorgias Sa., 06.07.2013 - 13:10

Antwort auf von Sylvia Rier

Ich möchte nur noch was klarstellen: Die Links, die ich setzte sind keine Anlass-Recherchen, sondern Bücher oder Themen mit denen ich mich auseinandergesetzt habe und die zu meiner Meinungsbildung beigetragen haben. Die Zitate kenne ich schon länger. Ich finde es billig wenn jemand sie einfach zum Anlass googeln würden. Ich glaube diese Quellenoffenlegung ist auch ein Zeichen der Transparenz und ich kann mir vorstellen, dass Ihre Überzeugungen auch nicht ohne ein gewisses Studium enstanden ist. Wer sollte Ihnen dann vorwerfen es sei nicht Ihre Meinung?
Außerdem ist nur schwer mit jemanden zu Diskutieren, dem gewissen Grundlagen fehlen. Soll jeder selbst entscheiden ob er die Gelegenheit wahrnimmt.
Ob ich eitel bin oder nicht können sie sich soviele Gedanken machen wie sie möchten. Jedenfalls habe ich kein Foto ins Netz gestellt, in dem ich aussehe als ob ich gerade eine Marienscheinung erblickt hätte.

Sa., 06.07.2013 - 13:10 Permalink
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no name Mi., 03.07.2013 - 11:28

Résumé 03.07.2013 ich beantworte nun mal für mich die vorhin von mir gestelle Frage, ob die Diskussion fruchtbar war. Für mich war sie das durchaus.
1. Ich habe verstanden, dass ich, wenn ich nicht wissenschaftlich genug bin, auf Facebook gehöre (wo ich nicht hin will);
2. dass meine Fragen meistens nicht beantwortet werden, während ich auf Fragen und Behauptungen eingehe: also ich habe verstanden, dass der Dialog nicht immer ein solcher ist, sondern ein Mono- oder sonstwas;
3. dass die Diskussion sehr schnell ausartet und ins Persönliche abgleitet, die Position auf Biegen und Brechen verteidigt wird, nach dem Motto: nieder mit dem Gegner, auf ihn mir Gebrüll und dass wir sehr weit weg sind von einer Gesprächskultur, die den anderen wahrnimmt und ihn in seinen Latschen lässt, vielleicht auch einmal ein paar Schritte mit denselben ausprobiert;
4. dass wir hier "nur" über Homöopathie debattiert haben und einige schon einige Tode gestorben sind, dass es keinen Moment des Consens' oder der Annäherung gegeben hat, nicht einmal ansatzweise ein Verstänsdnis, keine Einsicht, kein Entgegenkommen;
5. schlussendlich habe ich verstanden: wenn wir hier die Alternative, also sozusagen die "Elite" darstellen, dann fürchte ich mich regelrecht vor der direkten Demokratie. Das hab ich verstanden! Danke an Alle.

Mi., 03.07.2013 - 11:28 Permalink
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no name Mi., 03.07.2013 - 11:48

"Die Faszination, die vom Krieg ausgeht, und die Langeweile, die der mühselige Frieden verbreitet, haben schon viele irritiert." ...aus Der Krieg die Lust, der Frieden die Macht von Dr.M.L.Moeller, Arzt, nicht Homöopath, Psychanalytiker und Friedensforscher

Mi., 03.07.2013 - 11:48 Permalink
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Frank Blumtritt Do., 04.07.2013 - 01:52

Inspiriert von Weiss Heid, juckt es mich als Autor doch auch ein kurzes Abschluss- (?) Statement zu wagen. Bin mir völlig unsicher, ob ich nun stolz sein soll, den absoluten Kommentar-Rekord unter den blogs aufgestellt zu haben... naja, kommunizieren - wenn auch manchmal schlecht - ist vielleicht immer noch besser als apathische Funkstille, vor allem, wenn es um sozial relevante Themen geht, wie die Gesundheit.
Leider hat die Diskussion sofort mit dem ersten Kommentar von David Gruber schlecht angefangen, der gleich mit seinem ersten Satz einen, sich leider im Folgenden als chronisch erwiesenen, aggressiven Stil pflegte: "zunächst mal ist Ihre Argumentation ein reines Ablenkungsmanöver..." und gleich darauf das zweite Urteil: "...diese Argumentation erweist sich als falsch..." (zum Thema Ersparnis für das Gesundheitswesen). Obwohl ich dann sofort mit sehr evidenten Zahlen konterte, wurde darauf nicht mehr eingegangen. Ab diesem Moment wurde das Thema "Globulo vs. Placebo" diktiert und es ein Großteil der Diskussion reduzierte sich auf einen nutzlosen Kampf zwischen den Fraktionen "Statistik-Talibanen" und "Schöngeister"...
Aber es gab durchaus auch sehr interessante und bereichernde Momente. Mit 113 Kommentaren haben wir ja schon statistisch ausreichend große Zahlen, um eine kleine, aber aussagekräftige Sozialstudie über kommunikative Kompetenzen anzustellen (was meinst du, David?). Bin nicht ganz mit Weiss Heid einverstanden, dass es keinen Moment der Annäherung gegeben hat. A bisserl schon. Aber wie wohl so oft, hat sich manch eine/r den Startartikel dann gar nicht mehr durchgelesen und man/frau redete eigentlich an manchem Thema vorbei, das ich eigentlich ansprechen wollte. Interessant, dass Niemand auf meine Frage eingegangen ist, warum die Verschreibung der harmlosen Globuli und reinen Wässerchen der Homöopathie denn bei uns ein Exklusivrecht der Ärzte ist (im Ausland dürfen sie z.B. auch Heilpraktiker u.ä. anwenden) und diese auch apothekenpflichtig sind...
Auch hoffte ich, dass Jemand meine aus den heiligen Schriften JAMA und BMJ zitierten Studien zur Überdiagnostizierung und Überbehandlung kommentieren und in Relation zur harten Kritik an Alternativmedizin setzen würde. Überhaupt wollte ich den Artikel im Alto Adige zur Homöopathie nur als Aufhänger und stellvertretend für alle alternativen Methoden sehen. Denn sie haben eben alle gemeinsam, dass sie keine wissenschaftlichen Beweise über ihre Wirkungsweise liefern können. Das hatte ich ja eigentlich von Anfang an gesagt...
Ansonsten stimme ich weitgehend dem Résumé von Weiss Heid zu und möchte noch meine Betrübnis zu den letzten Kommentaren von Gorgias gegenüber Silvia kundgeben. So tief sollte man eigentlich nicht sinken, dass man sich in dieser Form- aus der totalen Anonymität heraus - auf reale Personen mit Foto, Namen und Nachnamen stürzt! Ich hoffe da doch sehr auf eine Läuterung. Es ist nie zu spät.

Do., 04.07.2013 - 01:52 Permalink
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no name Do., 04.07.2013 - 06:17

Résumé, die zweite am 04.07.2013. In der Bemühung um einen unpersönlichen Agorá-ton erlaube ich mir zu bekräftigen was F.Blumtritt in seinem Résumé resumiert: es war eigentlich schon viel gesagt, im Beitrag und in der Folge wurde kaum darauf eingegangen, denn die Diskussion hat sich sofort verlagert, was eben in Debatten passiert, die nicht moderiert werden und wenn gleich mit nicht aufgefangenen, oft ungewollten Angriffen gestartet wird.
Ich habe mir auch über den Aspekt ágorá und Persönliches Gedanken gemacht und bin zum Schluß gekommen, dass der Marktplatz ja über Generatione von Männern bestimmt wurde. Frauen argumentieren ganz offensichtlich anders und auch das birgt Konfliktpotential, denn es geht dann, wie bemerkt, sehr schnell nicht mehr um die Inhalte. Auch hierin muss gelernt werden, von beiden Seiten.
Übrigens, die Globuli haben ja eine umwerfende Wirkung hier...
Was mich, am Ende jetzt ganz besonders interessiert ist die von @mutand aufgeworfene Frage: "Jedenfalls habe ich herausgefunden, dass der Südtiroler Sanitätsbetrieb an der Gesellschaft SAIM (Südtirol Informatik und Medizin GmbH) zu 51% beteiligt ist. Weiss jemand mehr über SAIM?" Darauf erwarte ich auch eine Antwort.

Do., 04.07.2013 - 06:17 Permalink
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gorgias Fr., 05.07.2013 - 00:55

Ja es ist wirklich Zeit für ein Rèsumè. Andere haben es auch getan und mich nicht ungenannt gelassen. Aber dazu später.
Es wurden auf beiden Seiten auch Dinge gesagt, die außerhalb des sachlichen Diskurs standen. z.B. "Die weisen und die orangen Globuli" kann man mit Humor nehmen, waren auch nicht ernst gemeint. Einige fühlten sich dabei so persönlich Angegriffen, als ob man ihre Religion beleidigt hätte.
Doch mein Rèsümè ist, dass es eine asymetrische Diskussion war. Es gab ein entscheidendes Gefälle zwischen den Gegnern und den Befürwortern.
Es ist so als ob sich zwei Gruppen über Chemie streiten und eine kennt nicht das Periodensystem. Oder über Biologie und eine hat sich noch nie mit der Evolutionslehre auseinandergesetzt oder über Paläontologie und eine Gruppe hat noch nie was von der Radiokarbonmethode gehört.

Genauso kann man nicht darüber Reden ob Homöopathie nicht mehr ist als eine Placebowirkung (durch Autosuggestion) und Selbstbetrug (durch eine nur eingebildete Wirkung) oder nicht, wenn man sich nicht mit der erfolgreichen Technik eines wissenschaftlichen Experiment macht. In dem man Fremd und Selbsttäuschung /Beinflussung dadurch aushebelt dass jene die eine Mittel einehmen als auch jene die es Verabreichen nicht wissen ob sie das Mittel oder nur ein Placebo einnehmen. Die Randomisierung ist eine Methode dass man verhindert dass man die Versuchs- und die Kontrollgruppe nicht zufällig sondern unbewußt nach Wunschdenken erstellt (egal ob dieses Wunschdenken darin besteht dass etwas etwas wirkt oder nicht) und natürlich hat die Kontrollgruppe selbst auch eine Funktion und zwar objektiv zu messen wie es gewesen wäre wenn man das Mittel nicht eingenommen hätte und wie groß die Unterschiede sind.

Das Gefälle das ich vorhin angesprochen habe Besteht darin dass manchen mathematisches und statistisches Denken fremd ist. Die Spitze war wohl die Bemerkung in einem der letzen Résumés.
Menschen ohne mathematisches Verständis fehlt etwas esentielles. Es ist eine Form von funktionalem Anaphabetismus

"Wenn wir mündige Bürger in einer modernen, technologischen Welt möchten, dann müssen wir ihnen drei Dinge beibringen: lesen, schreiben und statistisches Denken."
H.G. Wells

"Als ich mit Mathe-Didaktikern über Kerncurricula diskutiert habe, sah ich immer mehr, dass Mathematik nicht eine Fähigkeit ist, die man den Spezialisten überlassen darf. Es handelt sich um eine Kulturtechnik, die den eigenen Lebenszusammenhang strukturiert und bestimmt. Wenn man über die nicht verfügt, ist man wirklich kulturbehindert."
http://www.zeit.de/2013/23/mathematik-elmar-tenorth

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/denken-statt-rechnen-die-wahr…

Zu "Statistik-Taliban" finde ich passt nur noch dieses Zitat:
"Die Verurteilung des Starken ist „die Lieblings-Rache der Geistig-Beschränkten"
F.W.Nietzsche

Was meine Person noch angeht wurde ich persönlich Angegriffen so habe ich diesmal geantwortet. In der Diskussion war kompromisslos, aber nicht unredlich in der Argumentation. Zu meiner kritischen Denkweise und scharfen Ton stehe ich ohne Vorbehalte.

"Der gebildete Mensch hat die Pflicht, intolerant zu sein."
Nicolás Gómez Dávila

Fr., 05.07.2013 - 00:55 Permalink
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no name Fr., 05.07.2013 - 11:00

Antwort auf von gorgias

@Oliver Hopfgartner, meines Erachtens ein sehr kultivierter junger Mensch, gebildet und tolerant spricht an, wo es schon viel früher, in den Schulen, im Argen liegt: kaum ein Kind, dass, soweit es nicht durch Gene oder Gehirnhälfte zu Mathematik einen natürlichen Zugang hat, nicht durch einen überhebliche Mathematiklehrkraft dauerhaft kastriert wird. Ich konnte persönlich beobachten wie Kinder, durch Verständnis und Zuwendung, also durch die emotionale Intelligenz ihrer Lehrer zu Genies wurden, die Mathematik mit ihrem ganzen Sein interior- und exteriorisierten und andere, deren "Professoren" sie als Idioten hinstellten, unfähig ihr Wissen zu vermitteln als durch dieses destruktive Muster und die auf der Strecke blieben. Und bei Statistikern ist das noch schlimmer, denn wenn man eine Statistik in ihren Grundlagen zu hinterfragen anfängt, dann merkt man bald, worauf sie oft aufbaut. Auch da braucht es große Professionalität, die leider oft nicht gegeben ist und es braucht Querdenker, die sich erlauben zu ergründen, wo das Systhem seinen Schwachpunkt hat.

Fr., 05.07.2013 - 11:00 Permalink
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David Gruber Fr., 05.07.2013 - 11:05

Antwort auf von gorgias

Darf ich fragen was Sie mit "Und bei Statistikern ist das noch schlimmer, denn wenn man eine Statistik in ihren Grundlagen zu hinterfragen anfängt, dann merkt man bald, worauf sie oft aufbaut." meinen?
Worauf baut denn eine Statistik auf?

Fr., 05.07.2013 - 11:05 Permalink
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no name Fr., 05.07.2013 - 16:05

Antwort auf von gorgias

@David Gruber, sind wir zum unpersönlichen Sie übergegangen? Ich hab Sie wohl verärgert, als ich sagte, ich liesse Ihnen gern das letzte Wort? Dies war keine Attacke "ad hominem", sondern lediglich eine Reaktion auf Ihr " Weiss Heid, ich wiederhole.....", das mir viel über den Kommunikationstil vermittelt. Ich brauche Ihnen sicher nichts darüber zu erzählen, was den Kontext von Statistiken ausmacht und die Weltanschauungen, die ihnen zugrundeliegen. Mir gefällt die genaue, allerdings etwas ältere Arbeit von R.Sander "Statistik zwischen Intuition, Didaktik und Kritik: Kongnitionswissenschaftliche Ansätze und Befunde zur Repräsentation und Verarbeitung quantitativer Information im statistischen Denken unter besonderer Berücksichtigung ihrer Interdipendenz und der daraus resultierenden Implikationen zur angewandten sozialwissenschaftlichen Statistik" Ruhr-Univ.Bochum. Ich weise vor allem darauf hin, worauf sie nicht aufbaut, z.B. in der Medizin: auf einer Methodik zur individuellen Beurteilung und Prognostik. Und, für jeden (Idioten, so @Gorgias) verständlich, ein kleines, altes Beispiel: Es gibt eine randomisierte Doppelblindstudie (Kovacs et al. über den Einfluss der Matratzenhärte bei chronischen Rückenschmerzen. Die Matratzenhärte wird bei vielen Patienten mit chtonischen Rückenschmerzen als wesentlicher Faktor betrachtet. Die Studie bewies, dass im Durchschnitt die mittelharte Matratze zu den wenigsten Beschwerden führte. Sollen nun alle Patienten auf einer mittelharten Matratze schlafen? Auch die 10% die vermehrt Schmerzen hatten? Der Statistik zuliebe, sozusagen. Oder auch diejenigen, die auf härteren und weicheren Matratzen bessere Ergebnisse hatten?

Fr., 05.07.2013 - 16:05 Permalink
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David Gruber Fr., 05.07.2013 - 17:44

Antwort auf von gorgias

Ich kenne mich schon selbst gar nicht mehr aus, mit wem ich per Sie oder per Du bin (warum verwenden wir denn nicht einfach 'you' ) . :) Verzeih mir den Verhaspler :) Und verärgert bin ich sowieso nicht. Da braucht es weitaus mehr.

Was die Statistik betrifft, bist du aber nicht auf meine Frage eingegangen, du hast ja nur eine Dissertation zitiert. Was ich eigentlich von dir wissen wollte, bzw. mir nicht ganz klar ist: Worauf wolltest du mit deinem ersten Kommentar hinaus. ("Und bei Statistikern ist das noch schlimmer, denn wenn man eine Statistik in ihren Grundlagen zu hinterfragen anfängt, dann merkt man bald, worauf sie oft aufbaut.") Heißt das jetzt, dass a priori alle Statistiken tendenziell falsch sind (aus welchem Grund)? Oder, dass es ein inhärentes Problem in der Statistik gibt, sodass sie eigentlich zu nichts verwendet werden können? Oder anders gefragt: Was können Statistiken und was nicht? Kann man/Sollte man Statistiken in der Medizin anwenden? Wenn nein, warum nicht?

Dass man aus einer Stichprobe nie eine individuelle Vorhersage treffen kann, hat auch in dieser Diskussion glaube ich niemand behauptet. Eine Studie hilft aber (z.B. dem Arzt) Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Also: "Mit welchem Medikament ist dem Patienten mit dieser und jener Krankheit höchstwahrscheinlich am besten geholfen". Eine Studie beantwortet also die Frage, ob und wie gut ein Präparat *im Schnitt* hilft. Als Patient ist mir ehrlich gesagt weitaus lieber so ein Mittel zu verwenden, das mir über den Placebo-Effekt hinaus [sehr wahrscheinlich] hilft. In einer idealen Welt erwarte ich mir also von meinem Arzt, dass er die aktuellen Papiere und Arbeiten kennt und sich immer auf dem neuesten Stand der Forschung hält, sodass ich a) immer die bestmögliche Therapie mt einem spezifischen Wirkstoff bekommen und b) mich nicht selbst in die Literatur einlesen muss. Ich wüsste nicht, wie ein Arzt sonst eine Entscheidung treffen sollte?

Angewandt auf deinem Fallbeispiel der Matratzen würde ich also einem Patienten zunächst eine harte Matratze empfehlen. Aber je nachdem wie signifikant die Studie von Kovacs war und je nach berichteten Konfidenzintervalle, wäre ich mir dieser Empfehlung mehr oder weniger sicher. (Du scheinst die Studie ja besser zu kennen. Mich interessieren zwei Fragen: a) wie verblindet man der Versuchsperson gegenüber die Härte einer Matratze und b) wie wurde kontrolliert, ob die weiche Matratze der Studie *härter* ist, als die Matratze worauf die Versuchsperson bis vor Beginn der Studie geschlafen hat? Könnte es also sein, dass eine *relative* Verhärtung der Matratze zu einer Linderung der Schmerzen geführt hat?)

Fr., 05.07.2013 - 17:44 Permalink
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no name Fr., 05.07.2013 - 18:35

Antwort auf von gorgias

@ David Gruber, also nichts für ungut. Zu Deiner Frage: hast Du sie nicht selbst exzellent beantwortet? Ich meinte nämlich genau das und ich kann darüber gern noch recherchieren, wenn ich Zeit habe. Ich zweifle nicht an der Nützlichkeit von Statistiken, genausowenig wie an dem Wert der Mathematik, aber schon allein im Bezug auf die Matratzen (nein, ich hab an der Studie nicht teilgenommen:) ergeben sich Schwierigkeiten in den Parametern und so glaube ich (ich sage, ich glaube! und habe es gesehen), dass in Statistiken, die eben nicht immr sehr professionell gemacht werden (kannst Du dem zustimmen?) Werte und Daten gar nicht aufscheinen, die aber das Ergebnis total verändern würden oder dass die Gelder nicht bereit sind, um über Aussagekräftiges (für die Statistik) noch näher recherchieren zu können. Ebenso habe ich die Menschen beobachtet (auch mich selber) beim Ausfüllen von Fragebögen für die Statistik, gehen wir zurück zur Formulierung dieser Fragebögen (!) und zur Krönung, der Abfrage von Daten am Telefon: ich kann nicht auf eine einzige Nuance eingehen. Und das ist die Realität der Mittelmäßigkeit. Es geht nicht (nur) um Wissenschaftliches und selbst da hab ich gesehen, dass mir die Statistik nicht mal wahrscheinlich die Sorge nehmen kann, dass mir nicht ein Astroid um die Ohren fliegt, deswegen sind für mich Statisken große Hilfen aber oft weit von der Wahrheit entfernt, überhaupt dann, wenn es um Ursachen und Wirkung geht.

Fr., 05.07.2013 - 18:35 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 05.07.2013 - 19:11

Antwort auf von gorgias

halte ich mir immer gern folgenden Satz vor Augen: "There are three kinds of lies: Lies, damned lies, and statistics.". Aber das Problem sind m. E. weniger die Statistiken an und für sich, als vielmehr die blinde Statistik-Gläubigkeit, die uns m. E. zu dümmsten Fehlern und Fehlschlüssen verleitet. Ein bisschen weniger direkt, aber doch auch ein markantes Sätzlein in diesem Zusammenhang ist m. E. dieses hier: "But of course it's not quite that simple. Averages conceal individual differences".

Fr., 05.07.2013 - 19:11 Permalink
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gorgias Fr., 05.07.2013 - 21:40

Antwort auf von gorgias

@Weiss Heid
"Sollen nun alle Patienten auf einer mittelharten Matratze schlafen? Auch die 10% die vermehrt Schmerzen hatten? Der Statistik zuliebe, sozusagen. Oder auch diejenigen, die auf härteren und weicheren Matratzen bessere Ergebnisse hatten?"
Ein Problem ist die Datenerhebung, das andere die Aufbereitung und Auswertung und ein weiteres sind die Schlußfolgerungen die man daraus zieht. Damit man eine Statistik nachvollziehen kann muss:
1. Die Datenerhebung dokumentiert sein
2. Die Aufbereitung und Auswertung nachvollziebar sein (am bestesten in dem man die Rohdaten auch veröffentlichet)
3. Die Schlussfolgerungen richtig begründen bzw. getrennt überlegen was sie für einen praktischen nutzen hat
Danach kann man sich mit einer Statistik kritisch auseinadnersetzen.
Wenn in der Bildzeitung ein Fünf-Zeilen-Artikel mit der Überschrift: Untersuchung sagt am besten sind mittelharte Matratzen, dann ist alles gesagt. Was klinische Studien anbelangt, die sind nicht so eindimensional wie dieser Matratzen-Test. Sondern bauen auf strukturierte Fragestellungen auf.
Übrigens würde mich wie Daniel Gruber interessieren, wie man hier noch verblinden kann?
Dem Beitrag "In Sachen Statistiken" kann ich bis auf dem ersten Satz zustimmen.
Wer an Statistiken glaubt ist dumm. Wer an Statistiken kategorisch zweifelt steht ein bischen besser dar.
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Statistiken können das selbstständige Denken nicht ersetzen, sie können keine persönlichen Entscheidungen für einem Treffen, sie können aber Entscheidungen vorbereiten, treffen muss man sie dann mit der eigenen Bauch.
Was aber Statistiken können (und logisches Denken auch) Fehler zu verhindern die aufgrund von falscher Intution getroffen werden. Die Werbung funktioniert ja am besten weil sie uns über unsere Intution manipuliert.

Hier eine kleine Biblographie zum Thema:
- Der Hund, der Eier legt: Erkennen von Fehlinformation durch Querdenken
- Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition
- Das Einmaleins der Skepsis: Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken
- Mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit. Logisches Denken und Zufall
- Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden

Fr., 05.07.2013 - 21:40 Permalink
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Frank Blumtritt Sa., 06.07.2013 - 09:56

Antwort auf von gorgias

Leider mehr Positionsverhärtung als Résumé... Ich habe den offensichtlich sehr humorvoll gemeinten "Statistik-Taliban" einem ebenfalls (selbst-)ironischen "Schöngeist" gegenübergestellt, um wirklich über den Dingen zu stehen. Dazu passt das eher arrogante Nietzsche-Zitat mit den "geistig Beschränkten" eigentlich gar nicht, finde ich, und "geistig beschränkt" ist ein Begriff, der nicht ins Vokabular eines aufgeklärten Menschen gehört.
Auch dein Zitat "Menschen ohne mathematisches Verständnis fehlt etwas esentielles. Es ist eine Form von funktionalem Analphabetismus" hätte ich nicht noch mal ausgegraben, denn das Attribut des "funktionalen Analphabetismus" passt eher zu Jenen, die mehrmals darauf bestehen, "essentiell" mit einem "s" zu schreiben...
Dein letztes Zitat, nehme ich an, soll wohl das Résumé vom Résumé sein und ich vermute, dass du dich deshalb besonders damit identifizierst. Meine grundsätzliche Frage dazu: Wie gebildet ist ein Mensch, der sich selbst als gebildet bezeichnet? Außerdem finde ich den Versuch, den Begriff "Intoleranz" salonfähig zu machen sehr gefährlich...

Sa., 06.07.2013 - 09:56 Permalink
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no name Sa., 06.07.2013 - 14:03

Antwort auf von gorgias

@Frank Blumtritt, ich schätze das humorvolle Darüberstehen, das ich aus Deinen Zeilen immer wieder erkenne. Auch ich hatte den Begriff des Statistik-Taliban als liebevollen Versuch gesehe, dem Diskurs eine andere Wende zu geben. Ich meine einen großen Unterschied zwischen fairer Kommunikation und Rhetorik (gegen die ich schon im Gymnasium eine Abneigung hatte) erkannt zu haben, der mir so noch nie bewußt war! Du jedenfalls beherrscht die Kunst, fair zu kommunizieren, die ich für einen Manager als unerlässlich betrachte. Bin über diesen Beitrag auf vieles aufmerksam geworden, auch darüber, dass man Wirkung nicht einfach an eine einfache ankoppeln kann. Was ich auch bemerken muss (ich weiss nicht, ob Du mir da zustimmen kannst) ist, dass die Debatte, in dieser Form, eventuell die Positionen zementiert und mir fällt dabei ein, dass jemand mal gesagt hat: alles Schriftliche verhärtet den Konflikt. Nun, dieser Konflikt dauert jetzt schon 200 Jahre, mit guten Argumenten auf beiden Seiten und ich meine, für die Zukunft ist es wünschenswert, die Energien zu bündeln, wie Dr. Thuile vorschlägt, um für den Menschen das Beste zu entwickeln, z.B. gute Anamnesen, die notwendige Zeit ermöglichen, den Patienten als ganzen Menschen zu sehen, sein Umfeld und seine Geschichte miteinzubeziehen, Kommunikationsformen, die die Selbstheilungskräfte unterstützen, die Eigenkompetenz des "inneren Arztes" fördern, die Konstitution, das Geschlecht (!!) und das Alter, den Lebensstil berücksichtigen usw. Um hier, auf der Agora, Fakten aufzuzeigen, hab ich mich bei beiderlei Ärzten informiert und meine Besorgnis liegt momentan mehr in Richtung Entwicklung der traditionellen abendländischen Medizin: mir wurde erzählt (von Allopathen), dass die Vertreter der Pharmafirmen fast keine Medikamente mehr in ihren Köfferchen mitbringen, sondern ausschließlich Nahrungsergänzungsmittel verschiedenster Art, da diese cash bringen, dass die Fortbildungen fast nur noch von den Pharmafirmen organisiert werden, ebenso werden die Unis durch sie unterstützt, dass Medikamente, mit großer Wirkung und kleinem Preis, nicht forschungsrelevant sind, dass die Studien und Statisken ad hoc gemacht werden und man grundsätzlich immer auf den Sponsor zu achten hätte (dies wollte ich nicht sagen, bevor ich mein Wissen nicht durch Menschen aus der Praxis und nicht aus der Bild, (anscheinend @Gorgias Lieblingsblatt, da er sie so oft zitiert, denn mir würde sie nie einfallen...) noch einmal bestätigt bekommen habe. Wir haben also, als Endverbraucher, nichts, aber auch gar nichts zu lachen und vielleicht wirken nur die Homöopathie und andere Heilmethoden dagegen.

Sa., 06.07.2013 - 14:03 Permalink
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gorgias Sa., 06.07.2013 - 18:54

Antwort auf von gorgias

Ein wissenschaftlicher Versuch stellt nur fest ob, etwas wirkt und nicht wie. Solange aber die Homöopathie sich in seiner Wirkung nicht von einem Placebo unterscheidet, braucht man keine Theorien aufstellen ob die Wirkung mono- oder multikausal ist.
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Natürlich wirken Homöopathika, aber nur als Placebo und das bedeutet würde ein Hersteller sich die Substanz, das Schütteln und das Rühren bei der Herstellung seiner Zuckerkügelchen sparen, würde niemand den Unterschied erkennen. Sowohl der Arzt als auch der Patient selbst nicht.
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Wenn Sie wirklich nicht den Unterschied zwischen namentlich Erwähnen und Zitieren kennen, dann würde ich Sie bitten einfach zu schweigen.

Sa., 06.07.2013 - 18:54 Permalink
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Frank Blumtritt So., 07.07.2013 - 00:04

Antwort auf von gorgias

Danke für die positive Rückmeldung! Ob die Verschriftlichung die Fronten verhärtet? Ich glaube eher nicht, dass es in einer direkten Diskussion weniger hitzig und hart zugegangen wäre. Der Vorteil hier ist, dass man sich Alles noch mal durchlesen kann besser nachvollziehen kann, was man richtig oder falsch geschrieben hat. Die Zeitverzögerung erlaubt mehr Reflexion und ich finde, wenn man etwas schriftlich formulieren muss, dann wird es immer fundierter. Andererseits bleibt Geschriebenes stehen und schafft somit mehr Verbindlichkeit, bekommt mehr Gewicht, egal ob man sich eine Blöße gegeben hat, oder ob man Erfolg damit hatte...
Deine Berichte über das Verhalten der Pharma-Industrie entsprechen zweifellos der Realität. Das wird im Betrieb oft bestätigt. Ein Gesundheitswesen im kapitalistischen System leidet selbstverständlich mit den Märkten. Kurz: Weniger business=weniger Qualität. Je öffentlicher die Systeme, umso billiger sind sie und umso besser sind die outcomes. Extrembeispiele sind hier die Vereinigten Staaten (teuerstes System mit sehr schlechtem Ergebnis für die Bevölkerung) und Kuba (billigstes System und mit die besten Ergebnisse weltweit). Gemessen werden hierbei Indikatoren wie Kinder- und Säuglingssterblichkeit, Lebenserwartung, chronische und Infektionskrankheiten, Zugänglichkeit, Arbeitsschutz.

So., 07.07.2013 - 00:04 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 05.07.2013 - 07:56

Statistiken und Wahrscheinlichkeiten (und die Fähigkeit, damit umzugehen), ist das hier vielleicht von Interesse:

http://www.zeit.de/2013/27/staatsverschuldung-rechenfehler-thomas-hernd… (der hoch wissenschaftliche Rechenfehler, der die Welt veränderte, wurde just gestern von "Zeit online" noch einmal aufgearbeitet (die ich mir übrigens erlaube, weiter zu lesen, auch wenn gorgias behauptet, ich sei damit überfordert. Zwar legt er mir gleichzeitig die Lektüre der philosophischen Hintertreppe und Verfall und Ende des öffentlichen Lebens ans Herz… die wohl beide kaum das Niveau von BILD haben dürften, die er mir gerade noch zutraut und ein Abo empfiehlt).

http://www.zeit.de/2013/27/staatsverschuldung-rechenfehler-thomas-hernd…

Und übrigens: Warum gibt’s denn hierauf keine Reaktionen vonseiten der wissenschaftlich-kritisch Gebildeten? Ich hatte den Artikel schon einmal unter einem entsprechenden Kommentar von David Gruber verlinkt.

http://www.freitag.de/autoren/columbus/hiv-in-afrika-und-die-boese-homo…

Und jetzt noch einmal, wahrscheinlich zum fünften (!!!) Mal: DIE KÜGELCHEN WIRKEN BEI MIR NICHT, auch wenn ich es mir noch so sehr wünschen würde, weil mir das Prinzip „Wirkung ohne Nebenwirkung“ sehr gefallen würde. MICH kann gorgias also nicht gemeint haben, wenn er schreibt, dass sich „jemand so persönlich angegriffen fühlt, als ob man ihre Religion beleidigt hätte“, von den humorigen „orangen und weißen Kügelchen“. Aber: Wen dann?

Last but not least: Ich darf an die heftigsten und untergriffigsten Attacken erinnern, mit denen gorgias sich bei jeder Gelegenheit, die ich ihm durch einen Text über Frauenrechte und Zusammenhänge liefere, über mich hermachte. Das spielte in meinem „Angriff“ (mah, was man darunter versteht...) mit, war aber keineswegs der Auslöser.

Und jetzt grüße ich, wen immer von mir gegrüßt werden möchte und sonst keinen, mit Schopenhauer: Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.

Fr., 05.07.2013 - 07:56 Permalink
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David Gruber Fr., 05.07.2013 - 10:14

Antwort auf von Sylvia Rier

Hallo Silvia,
zu deinem Freitag.de Artikel, gibt es einige Punkte, die ich ansprechen möchte:
1. Ich bin kein Arzt und deswegen bin ich mir völlig unklar darüber, ob es ethisch/medizinisch vertretbar ist bei massiven Nebenwirkungen eine Therapie abzusetzen. Anders formuliert: Selbst wenn Sherr tatsächlich nur bei massiven Nebenwirkungen rein homöopathisch behandelt haben soll, heißt dies ja noch lange nicht, dass dies gängigen medizinischen Richtlinien entpsricht. Bei einer Chemotherapie gibt es auch massive Nebenwirkungen, aber wird sie deswegen gleich vollständig abgesetzt? (Nochmal: Ich kenne mich da zu wenig aus, mir erscheint es aber sinnvoller gewisse Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, um z.B. ein Krebsleiden zu besiegen)
2. Der freitag.de Artikel scheint wirklich gut recherchiert zu sein; allerdings schreibt Sherr in seinem Blog höchstpersönlich: "So I am happy to go for a simple trial initially, with one arm of AIDS patients with homoeopathy and no ARV. There are plenty of statistics on ARV treatment and patients with no treatment at all that we can compare to." [1] Selbst wenn diese Untersuchung nur in Planungsstufe war (und evtl. gar nie durchgeführt wurde), zeigt es mir doch die Gefahr, die von solchen Personen ausgeht, falls die mal tatsächlich einen "Sponsor" finden, der so ein Trial genehmigt...
3. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass eine Behandlung KOMPLEMENTÄR erfolgt, dann verstehe ich nicht wo die Kostenersparnis (die ja von Franck propagiert wird) erfolgen soll. Anders gesagt: "konventionelle Behandlung" < "konventionelle Behandlung + Placebo" (egal wie günstig das Placebo im Endeffekt ist). Oder mache ich hier einen Denkfehler?
4. Mein erbrachtes HIV/AIDS Beispiel ist nur eines von vielen: So sind Fälle dokumentiert, wo Homöopathika als Malariaprophylaxe eingesetzt wurden (und Menschen deswegen gestorben sind) [2, 3]. Inzwischen werden Globuli auch als Borreliose Vorsorge empfohlen, oder auch für eine Asthma Therapie (einfach googlen). In meinen Augen sollten den Patienten die "spezifischen Effekte" (Ernst 2009) einer Therapie, gerade bei derartigen Krankheiten, nicht vorenthalten werden. Dass Kontext-Effekte (Patient-Arzt Betreuung, Placebo Effekte, etc) auch wichtig sind, versteht sich von selbst.

[1] http://semiskimmed.net/woo/jeremy_sherr_AIDS/two-meetings.html
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9815426
[3] http://www.guardian.co.uk/science/2006/jul/14/medicineandhealth.lifeand…

Fr., 05.07.2013 - 10:14 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 05.07.2013 - 18:57

Antwort auf von Sylvia Rier

zu 1. Ich weiß es auch nicht, aber ich glaube, kein Arzt (!) setzt eine Therapie „einfach so“ ab. Ich habe auch nicht verstanden, dass Sherr das getan hätte, d. h. er hat nicht die Patienten angehalten, ihre Therapie zugunsten seiner homöopatischen Behandlung abzubrechen. Ich glaube aber zu wissen, dass Patienten – unter ärztlicher Anleitung, versteht sich – entscheiden können, z. B. eine Nachbehandlung abzubrechen, wenn sie deren Nebenwirkungen als gar zu belastend empfinden und das Risiko abschätzbar ist. In solchen Fällen kann ich in einer homöopathischen Behandlung kein Problem erkennen.
zu 2. Natürlich hast du recht, was die Gefahr angeht. Diese Gefahren bestünden aber wohl auch in der konventionellen Medizin, wenn der Gesetzgeber nicht vorbauen würde? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Scharlatan un Quacksalber (denn in so einem Falle müsste natürlich von solchen geredet werden, und keinesfalls von einem Arzt) eine Studie durchführen könnte, in deren Verlauf das Leben vieler Patienten mir nichts dir nichts aufs Spiel gesetzt wird. Glaubst du wirklich, dass das möglich wäre, dass Gesetz und Ordnung eines beliebigen Rechtsstaates dieser Erde so etwas zuließen?
Zu 3: Könnte uns wahrscheinlich Frank mehr sagen. Ich glaube, deinen Kollegen A. Mutand Mutschlechner hätte dieser Punkt auch interessiert. Zum Teil scheint ihn Dr. Thuile ja beantwortet zu haben.
Zu 4: Ja, ich weiß, es soll solche Fälle geben, aber die müssen sich m. W. alle vor dem Gesetz verantworten.
„In meinen Augen sollten den Patienten die "spezifischen Effekte" (Ernst 2009) einer Therapie, gerade bei derartigen Krankheiten, nicht vorenthalten werden. „ Ja, natürlich, aber ich finde auch, dass dieser Grundsatz in der konventionellen Medizin genauso zu gelten hat (dass dem leider nicht so ist, mit schwer wiegenden Folgen, haben wir ja zur Genüge gesehen). Der Patient hat das Recht, umfassendst informiert zu werden, über Vor- und Nachteile, und der Arzt hat die Pflicht, diese Information zu erteilen: Anderenfalls ist ja eine qualifzierte Patienten-Entscheidung gar nicht möglich.
Und jedenfalls wirst wohl auch du anerkennen (müssen), dass die Schäden, die z. B. von der Pharmaindustrie angerichtet werden, in keinem Verhältnis stehen zu jenen, die von der Homöopathie angerichtet werden. Das soll jetzt keine Entschuldigung sein, aber es darf in einer Diskussion wie dieser auch nicht unter den Tisch gekehrt werden.
Dieses Fazit des „columbus“ von „Der Freitag“ bringt „das Problem“ m. E. sehr gut auf den Punkt: „Gelassenheit ist angesagt.“ (…) „Die Homöopathie ist nicht wissenschaftlich widerlegt, wie es SPON gerne sehen möchte, sondern es ist bisher kein überzeugender positiver Wirknachweis, im Sinne der klassischen, wissenschaftlichen Medikamentenprüfung, erbracht worden. - Das dürfte, mit den Vorgaben der kritischen Kritiker, für immer recht schwer bleiben, weil schon das Therapieprinzip der Homöopathie dagegen spricht.
Aber Homöopathie wird rund um den Globus recht erfolgreich betrieben und wissenschaftliche Kritiker oder Journalisten die „Alpha“ sein wollen, sollten nicht zu unfairen Methoden greifen, um eine eher harmlose Nische der Heilbehandlung herunter zu putzen.“ (…)

Fr., 05.07.2013 - 18:57 Permalink
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Frank Blumtritt Fr., 05.07.2013 - 20:05

Antwort auf von Sylvia Rier

zu deinem Punkt 3: Du machst keinen Denkfehler. Ich habe nie behauptet, oder gar "propagiert", dass KOMPLEMENTÄRE Behandlungen Kosten sparen, weil sie ja, logischerweise, zusätzliche Leistungen erfordern. Gespart wird nur, wo der Patient zB STATT einem Antibiotikum ein paar Tropfen einer Echinacea-Tinktur nimmt, die jahrelang hält und genommen werden kann. Bestes Beispiel für teuer: die Komplementärmedizin in Meran. Ein echter Luxus, dessen wissenschaftliche Auswertung noch aussteht, wie ich ja bereits mal geschrieben habe...

Fr., 05.07.2013 - 20:05 Permalink
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no name Sa., 06.07.2013 - 17:24

Ergänzung am 06.07.2013: Folgender Beitrag ist eine nette, vor allem unterhaltsame Lektüre zum Thema und lässt über Sicherheiten reflektieren:
Association of Natural Medicine in Europe e. V.
Mitglied von EPHA,
Brüssel
ANME- Info:
'Zu skeptische Leute sind meist zu leichtgläubig' Gedanken zur derzeitigen Homöopathie-Diskussion
von Georg Ivanovas
Der SPIEGEL hat sich auf die Seite der Skeptiker geschlagen. Mit einer Titelgeschichte und mehreren Beiträgen auf Spiegel Online schwappt die Kampagne gegen die Homöopathie von England auch nach Deutschland herüber. Einen konkreten Anlass für die jetzige
Medienaufmerksamkeit gab es eigentlich nicht, und natürlich fragen wir Homöopathen uns, ob die nichts Besseres zu tun haben. Aber wahrscheinlich fragt man sich das als Betroffener einer solchen
Kampagne immer.
Um was geht es? Um Wissenschaft eher nicht, denn wissenschaftlich ist das Ganze ein Sturm im Wasserglas. Dieser Beitrag soll, dem Stil der Kampagne entsprechend, eher locker formuliert sein, im Gegensatz zu ihr jedoch wissenschaftlich fundiert, was zugegebenermaßen einem Text immer eine gewisse Schwere gibt. Zuerst aber ein Erlebnis , das auf den ersten Blick nichts mit dem Thema zu tun zu haben scheint. Vom Hörensagen schreiben
In den 80ern des letzten Jahrhunderts lebte ich auf dem Land. Unser Nachbar, ein Bauer, war noch nie über die engen Grenzen der oberschwäbischen Region hinausgekommen. Da machte er sich
plötzlich auf, um mit den anderen Bauern der Gegend, das Stammwerk der FORD-Traktoren in England zu besuchen. Es war eine gut geplante Lobby -Fahrt, bei der die Gruppe, wie er später
erzählte, auch einen Abstecher in ein Kernkraftwerk machte. Es hatte ihm dort gut gefallen und er schloss seine Erzählung ganz pathetisch mit der Aussage: „Die Kernkraft ist sicher!“.
Was soll man dazu sagen? Wie sollte dieser einfache Mann über ein Thema ein Urteil fällen können, bei dem die versiertesten Fachleute heftigst stritten? Ich war nicht schlecht erstaunt, als wenige Wochen
später ein Artikel im Deutschen Ärzteblatt erschien, der eine Gruppenfahrt von Ärzten zu einem Kernkraftwerk beschrieb. Es war eine Zeit, in der das Thema ganz hoch auf der innenpolitischen Agenda stand. Nicht weiter erstaunlich (oder vielleicht doch?) kam das Ärzteblatt, ganz wie das oberschwäbische Bäuerchen, zu dem Schluss, dass die Kernkraft sicher sei. Von der Expertise der Experten
Die Spiegel-Autoren Grill und Hackenbroch fanden auf ihrer Reise durch das Land der Homöopathie „keine überzeugenden Belege für die homöopathische Wirksamkeit der Zuckerkügelchen.“ (Spiegel 8/10, S. 9). Das kann vorkommen. Vor allem, da das Thema der Wirksamkeit und des Wirksamkeitsnachweises eher langweilig ist. Spannender und unterhaltsamer sind da schon manche Aktionen der Skeptiker.
Skeptiker sind eine seltsame Spezies. Es handelt sich dabei um Menschen, die, wie wir fast alle, davon überzeugt sind, eine gutes Verständnis der Welt zu besitzen. Was sie aber von vielen Anderen
unterschiedet, ist, dass sie einen extrem hohen wissenschaftlichen
und moralischen Anspruch besitzen, und das noch für einen Bereich, der ihnen eigentlich fremd ist. Im Endeffekt ist es aber so,
dass sie ganz einfach andere Dinge glauben als diejenigen, die sie verurteilen. Für sie gilt, was Bleuler einmal gesagt hat, dass nämlich zu skeptische Personen andererseits zu leichtgläubig sind.
Einer der bekannteren Skeptiker ist Simon Singh, ein begnadeter Sachbuchautor, der in letzter Zeit seine Berufung darin sieht, die Homöopathie und andere alternative Verfahren zu bekämpfen. Das
ist sein gutes Recht. Dass derzeit eine Verleumdungsklage gegen ihn im Gang ist, angestrengt vom britischen Chiropraktikerverband, ist inakzeptabel. Ich hätte ihn, wenn er es akzeptiert hätte, mit
meiner ganzen Kraft unterstützt, ganz nach Voltaires demokratischem Vorbild. Aber das macht seine Argumentation nicht richtiger.
Der unumstrittene Platzhirsch unter den Experten zur Homöopathie und den Naturheilverfahren ist Edzard Ernst, Lehrstuhlinhaber für alternative Heilverfahren in Exeter, England. Niemand hat so
viel zu diesem Thema publiziert wie er. Möglicherweise, dies gälte es aber erst zu untersuchen, gibt es keinen Wissenschaftler in der Wissenschaftsgeschichte, der eine längere Publikationsliste besitzt
als Ernst. An anderer Stelle habe ich die Qualität dieser Quantität genauer untersucht (1). Hier ist nur von Interesse, dass Ernst sich in Interviews (2) und seinem Buch (3) bezüglich der Homöopathie als besonders kompetent betrachtet. Er bezeichnete sich sogar einmal als
'ausgebildeten Homöopathen' (4). Als der Zentralverein der homöopathischen Ärzte ihm jedoch ein wenig auf den Zahn fühlte, musste er zugeben, dass er nicht annähernd die von ihm proklamierte
Expertise besitzt (5). Nach diesem Interview entfernte Ernst eine Passage bezüglich seiner homöopathischen Ausbildung aus seinem Curriculum Vitae auf der Homepage seiner Universität, und auch im letzten Spiegel-Interview gab er sich deutlich zurückhaltender, was sein homöopathisches Wissen betraf. Eigentlich gibt es wenig, was Ernst für diesen Lehrstuhl qualifizierte und qualifiziert.
Die Mythen der Skeptiker
Es sind weitgehend dieselben Punkte, die der Homöopathie vorgeworfen werden. Fast alle davon sind entweder ganz falsch oder zumindest so nicht richtig. Wegen der noch immer ungelösten
Frage, was bei der Homöopathie eigentlich wirken soll, wird kurzerhand alles an Wissen und Beobachtung der Homöopathen als Unfug abgetan, so als ob es sich bei ihnen um Debile handele.
Hier die geläufigsten Mythen der Skeptiker.
1)Das Ähnlichkeitsprinzip ist wissenschaftlicher Unsinn Dass sogenannte paradoxe Reaktionen nicht nur vorkommen, sondern vielleicht sogar die Regel sind, das zeigen kybernetische Modelle. Es sind aber nicht nur Modelle. In vielen biologischen
Systemen und auch beim Menschen konnte diese Art der Reaktion beobachtet werden. Unsinn ist das Ähnlichkeitsprinzip nur, wenn man vom Maschinenmodell des Menschen ausgeht. Dieses
Modell wurde um 1850 in die Medizin eingeführt, also kurz nach Hahnemann. Obgleich dieses triviale Modell biologischer Vorgänge seit hundert Jahren überholt ist, wird es trotzdem noch von
vielen Medizinern und vor allem von Skeptikern weit er vertreten. Man könnte, in der Umkehr eines beliebten Arguments, durchaus behaupten, dass die Skeptiker seit Hahnemanns nichts dazu gelernt
haben. Epistemologisch ist das 100% richtig.
Es ist ja oft so, dass man die eigenen Fehler den Anderen mit besonderer Vehemenz ankreidet. In der Psychologie wird das
Projektion genannt.
2) Die Homöopathie ist ein widerlegtes Verfahren. Diese Aussage beruht weitgehend auf einer im Lancet veröffentlichten Metaanalyse zur Homöopathie (5). Das begleitende Editorial rief sogar das Ende der Homöopathie aus (6). Nun ist diese Metaanalyse in ihrer Machart so schlecht, dass sie zurecht nie erschienen wäre, wenn sie ein
positives Ergebnis für die Homöopathie erbracht hätte. Aussagen werden verdreht, Äpfel mit Birnen verglichen und wesentliche Fakten ganz einfach verschwiegen (7). Sie ist das, was man im
Angelsächsischen als fiddled (getürkt) bezeichnet oder auch als
evidence biased medicine (evidenzparteiische Medizin). Jede Bilanz in meiner Wahlheimat Griechenland ist da zuverlässiger.
3) Doppelblinde Studien sind der Goldstandard
Das ist ein komplexes, ein umstrittenes Thema (8,9) . Es ist sicher so schwierig wie das Thema der Reaktorsicherheit. Hier nur ein paar Kostproben. Oft ist das, was kurzfristig nützt, langfristig sch
ädlich. Aber unser Goldstandard-Wissen beruht meist auf kurzfristigen Studien. Selbst bei so eingehend untersuchten Therapien wie der Hormonersatztherapie bei Frauen zeigte erst eine sehr langfristige Studie mit Tausenden von Frauen
(WHI-Studie), dass diese Therapie zu vermehrten Komplikationen und Todesfällen führt. Noch kurz vor den ersten Veröffentlichungen zur WHI schrieb das New England Journal of Medicine geradezu
euphorisch: „Die Entwicklung oraler Antikonzeptiva stellt einen wesentlichen Fortschritt für die Gesundheit der Frauen im letzten Jahrhundert dar“ (10). Goldrichtig lag das Journal da nicht.
Und bei all dem wissen wir nicht mal, ob das, was wir über ein Kollektiv erfahren, auch für einen Einzelnen zutrifft. Beck-Bornholdt und Dubben vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
haben das so zusammengefasst: „Große Zahlen liefern
ein statistisch gesehen genaues Ergebnis, von dem man nicht weiß, auf wen es zutrifft. Kleine Zahlen liefern ein statistisch gesehen
unbrauchbares Ergebnis, von dem man aber besser weiß, auf wen es zutrifft. Schwer zu entscheiden, welche dieser Arten von Unwissen die nutzlosere ist.“ (11) Dazu kommt, dass vermutlich selbst bei den Steuererklärungen weniger gedreht wird als bei unseren evidenzbasierten Studien. Smith, der ehemaliger Herausgeber des British Medical Journal, bezeichnete die evidenzbasierte Medizin sogar als verlängerten Arm der Marketingabteilung der Pharmaindustrie (12). Natürlich kennen die Skeptiker diese ganze Problematik nicht. Wie sollen sie auch? Sie sind zumeist wohlmeinende Laien, die sich auf das Hörensagen verlassen und gerne akzeptieren, dass Doppelblindstudien der Goldstandard sind. Hört sich ja auch gut und überzeugend an. Aber selbst
Herr Ernst scheint die Unzulänglichkeiten der evidenzbasierten Medizin nicht besser zu kennen. Er thematisiert sie jedenfalls nie.
4) Das Wirksamkeits-Paradox
Wer sich Studien zur Homöopathie anschaut, richtig anschaut, und nicht nur Ergebnisse vom Hörensagen reproduziert, stößt auf ein seltsames Phänomen, das ich das Wirksamkeitsparadox
genannt habe. Dieses Paradox ist für die Akupunktur noch deutlicher belegt, da es zu ihr mehr Studien gibt. Es zeigt sich, dass je individueller und praxisnäher eine Studie ist (und damit auch
statistisch weniger verlässlich), desto sicherer wird die Homöopathie (oder Akupunktur) besser abschneiden als ein Placebo und/oder eine medikamentöse Standardtherapie. Je größer und statistisch solider eine Studie ist, desto sicherer wird die Homöopathie nicht besser abschneiden als ein Placebo, aber beide werden deutliche bessere Ergebnisse aufweisen als eine medikamentöse Standardtherapie (9).
Auch wenn Dubben/Beck-Bornholdt hier fragen würden, welche Art des Wissens die nutzlosere ist, so muss dennoch die Frage der Schlussfolgerung erlaubt sein. Rein logisch wäre doch, die orthodoxe Standardtherapie aus dem Leistungskatalog der Krankenkasse zu streichen, da sie schlechter abschneidet als eine Placebotherapie. Ab
er das Gegenteil ist der Fall. Solche Beispiele zeigen, dass es nicht um Logik geht. Und wieder gilt: Es ist den Skeptikern nicht zu verübeln, dass sie mit all diesen Details nichts anfangen können. Solche Themen sind notwendigerweise jenseits ihres Horizonts. Dass dies auch für den Lehrstuhlinhaber für Alternativmedizin zuzutreffen scheint, wiegt dagegen schon schwerer.
5) Wer heilt hat nicht notwendigerweise Unrecht All diese Ungereimtheiten um den Wirksamkeitsnachweis schlagen sich durchaus in der Praxis nieder. Es ist ja oft so, dass Patienten mit einer
Plastiktüte voller Medikamente zu uns kommen. Sie sind krank, obgleich sie brav alle diese evidenz-zertifizierten Medikamente einnehmen. Wenn dieselben Patienten nach einem Jahr homöopathischer Therapie gesund sind und keine Medikamente mehr benötigen, so ist das, in der Tat, kein Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie. Aber es ist ein Beweis, dass mit dem Wirksamkeitsnachweis etwas nicht stimmen
kann.
Schlussfolgerung
All die Kritiker und Skeptiker machen es sich zu leicht. Komplexe Themen werden mit einfachen Sprüchen abgetan. Aber was sich gut und griffig anhört, muss noch lange nicht stimmen. Auch wird
aus Lautstärke noch lange keine Wissenschaft. Im Grunde ist diese gesamte Kampagne zutiefst zynisch. Es scheint eher um Besserwisserei zu gehen und nicht um die grundlegende Frage nach
den Prinzipien von Therapie und Heilung. Ich glaube , das Grundproblem der Kritiker liegt darin, dass sie die Homöopathen für minderbemittelte Spinner halten, sich selbst aber für klug und
kompetent. Aber es ist nicht so. Und deshalb sind die Skeptiker laut und schrill. Sicher ist nur: Zu einer besseren Medizin führt das nicht.
Referenzen (1) Ivanovas G (2010): Bildzeitung goes Science -
Singh und Ernsts bittere Pillen
, Homöopathie
Konkret 1/10: S. 86-98
http://www.homoeopathie-konkret.de/Resources/Wissen
schaft-1.10.pdf
(2) Eberle U (2009)
Interview zur Alternativmedizin: "Es wirkt, falls S
ie wollen",
Stern.de 27.3.09
http://www.stern.de/gesundheit/gesundheitsnews/int
erview-zuralternativmedizin-es-wirkt-
falls-sie-wollen-659346.html
(3) Singh S, Ernst E (2009):
Gesund ohne Pillen - was kann die Alternativmedizin
?
Hanser,
München
(4) Ernst E (2002):
A systematic review of systematic reviews of homeop
athy
, Br J Clin Pharmacol.
54; 6: 577-82.
(5) Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L, Juni P,
Dorig S, Sterne JA, Pewsner D, Egger M
(2005):
Are the clinical effects of homoeopathy placebo eff
ects? Comparative study of
placebo-controlled trials of homoeopathy and allopa
thy
, Lancet. 2;366(9487):726-32
(6) Lancet editorial (2005):
The end of Homeopathy,
Lancet 366; 9487: 690
(7) Dellmour F (2006):
Klinische Studien und Metaanalysen in der Homöopath
ie
, Deutsche
Zeitschrift für klinische Forschung 5/6: 52-60
http://www.dzkf.de/heft/2006_05-06/12.pdf
(8) Ivanovas G (2009):
Kritik der reinen Evidenz. Homöopathie in der evide
nzbasierten Medizin

Teil 1
,
Homöopathie KONKRET 3.9: 10–18
http://www.homoeopathie-konkret.de/Resources/EBM01_
HK3.09.pdf
(9) Ivanovas G (2009):
Evidence-biased medicine und Zynismus. Homöopathie
in der
evidenzbasierten Medizin
– Teil 2, Homöopathie KONKRET 3.9:19–32
http://www.homoeopathie-konkret.de/Resources/EBM02_
HK3.09.pdf
(10) New England Journal of medicine editorial (200
2):
Good news about oral contraceptives
, N
Engl J Med 346:2078-2079
(11) Beck-Bornholdt HP, Dubben HH (2003):
Der Schein der Weisen.
Rowohlt, Reinbek bei
Hamburg
(12) Smith R (2005)
Medical Journals Are an Extension of the Marketing
Arm of Pharmaceutical
Companies
. PLoS Med 2(5): e138
http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=
get-document&doi=10.1371/journal.pmed.0020138

Sa., 06.07.2013 - 17:24 Permalink
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Profil für Benutzer David Gruber
David Gruber Mo., 08.07.2013 - 11:44

Antwort auf von no name

Zu sekptische Leute sind meist zu leichtgläubig - Eine Replik

WeissHeid hat hier ja einen Text von Georg Ivanov (einem praktizierenden Homöopathen) gepostet, auf den ich in diesem Kommentar eingehen will. Achtung: sehr lang!

Gleich nach seiner Einleitung berichtet also Georg Ivanovas von einer Anekdote eines Bauers, der in den 80ern ein Kernkraftwerk in England besucht und daraus schließt, dass die Kernkraft sicher sei. Die Kernaussage von Ivanovas (so verstehe ich sie zumindest) ist, dass der Bauer als Laie eigentlich gar nicht über die Sicherheit der Kernkraft ein Urteil fällen kann, genausowenig wie die "Skeptiker" über die Homöopathie eine Expertenmeinung haben können. Das sieht man auch aus Ivanovs Text in dem da steht "[Skeptiker besitzen] einen [...] hohen wissenschaftlichen [...] Anspruch [...], und das noch für einen Bereich, der ihnen eigentlich fremd ist." Ein beliebtes Argument der Homöopathen. Ich frage mich dann aber umgekehrt: Kann also nur ein Kfz-Mechaniker darüber urteilen, ob ein Auto auch wirklich fahrtüchtig ist? Die Antwort ist "Nein", denn jeder, der das Auto testen will (obwohl er nichts von einem Motor versteht) und im Besitz eines Führerscheins ist, setzt sich hinters Lenkrad und fährt los (oder eben nicht). Demzufolge muss ich kein Arzt oder Homöopath sein, um die Homöopathie auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen.

Weiter geht Ivanovs Text mit seinem Versuch zu definieren, was ein Skeptiker eigentlich ist. Seine Definition ist so einfach wie simpel: Skeptiker glauben (!) schlichtweg an anderen Dinge, wie diejenigen, die sie kritisieren; und sind leichtgläubiger. Nun kann Herr Ivanov zwar seine Definition sehr gerne anbringen, aber sie entspricht nicht dem, wie sich die Skeptiker selber definieren. Die GWUP - Gesellschaft zur Untersuchung von Parawissenschaften - sagt von sich sich: "Die GWUP setzt sich zusammen aus Wissenschaftlern aller Fachrichtungen und wissenschaftlich Interessierten: Ihre Berufe, Weltanschauungen und politischen Ansichten sind verschieden. Ihre gemeinsame Überzeugung ist jedoch, dass Wissenschaft und kritisches Denken für die gesellschaftlichen Herausforderungen von heute und morgen wichtiger sind denn je. Die GWUP-Mitglieder nennen sich Skeptiker. Das heißt, sie betrachten ungewöhnliche Behauptungen zwar mit Skepsis, lehnen sie aber nicht vorschnell ab, sondern prüfen sie mit wissenschaftlichen Methoden und den Instrumenten des kritischen Denkens."
Skeptiker "glauben" also nicht einfach andere Dinge, sondern sie glauben an die selbst-korrigierende Kraft der wissenschaftlichen Methode und glauben auch daran, dass diese der beste Weg sind, um die Welt zu verstehen und Behauptungen zu testen. Die wissenschaftliche Methode ist also gerade das Gegenteil eines dogmatischen, unveränderlichen Glaubenssystems.

Als Fallbeispiel des "Skeptikers" bringt Ivanov Simon Singh und Edzard Ernst an. Was das Thema Singh angeht muss ich eingestehen, dass ich mich mit der Materie zu wenig auseinandergesetzt habe, um Ivanovs Aussagen bewerten zu können. Außerdem geht's ja hier nach wie vor um die Homöopathie und nicht die Chiropraktiker. Also weiter mit Edzard Ernst. Gerade diesem spricht er jegliche Kompetenz ab über Homöopathie urteilen zu können, da er ja kein "ausgebildeter Homöopath" ist. Dies ist dasselbe, wie das bereits oben erwähnte "argument from authority". Ob Ernst laut dem "Zentralverein der homöopathischen Ärzte" also ein Homöopath war oder nicht, macht seine Argumente für oder wider die Homöopathie nicht mehr oder weniger glaubwürdig. Ivanov diskreditiert also die Person Ernst, aber nicht seine Argumente gegen die Homöopathie. Ein logischer Trugschluss.

Weiter geht Ivanovs Essay mit "Die Mythen der Skeptiker". Ivanovs Behauptung ist, dass das Ähnlichkeitsprinzip wissenschaftlich gültig ist. Er beruft sich hierbei auf "paradoxe Reaktionen" (was kybernetische Modelle in diesem Zusammenhang habe ich leider nicht herausgefunden), ein interessanter Effekt, den ich bis heute nicht kannte und eine "Reaktion des Körpers auf einen Wirkstoff bezeichnet, die das Gegenteil des beabsichtigten Effekts bewirkt." Klingt verlockend und scheint dem Simile-Prinzip tatsächlich den Rücken zu stärken. Allerdings scheinen diese paradoxen Effekte fast ausschließlich bei Psychopharmaka bekannt zu sein. Es gibt (laut Wikipedia) nur eine (!) Studie von 1948 in welchem dieser Effekt auch bei Antiobiotika beobachtet werden konnte (bekannt unter dem Namen "Eagle Effect" https://en.wikipedia.org/wiki/Eagle_effect). Wenn da jemand mehr dazu weiß, bitte melden!
Was heißt das für die Homöopathie? Meiner Meinung nach nicht viel. Erstens, scheinen paradoxe Effekte mit erhöhten (!) Dosen des Wirkstoffs aufzutreten und zweitens ist bei homöopathischen Präparaten gar kein Wirkstoff mehr vorhanden. Der potentielle Zusammenhang zwischen dem Ähnlichkeitsprinzip und den paradoxen Effekten ist aber interessant und ich werde mich da noch ein wenig schlauer machen.
Steven Novella, ein bekannter Skeptiker, meint zum Ähnlichkeitsprinzip: "[...] there is the rule of likes treating likes. Hahnemann based this rule on a single observation. All subsequent investigation was designed to decide what substances should be used to treat which illnesses (summarized in their primary reference, the Materia Medica), but they were all based on the assumption of the rule of likes. No basic research was ever conducted to test the assumption itself, nor are there any biological models which explain why likes should treat likes. Why is it, as homeopaths claim, that and extract of onion should treat colds, which are caused by a viral infection, simply because onions irritate mucous membranes and cause tearing and secretions similar to the common cold. Hahnemann’s theories, unlike modern medicine, did not lead to or stem from any deeper understanding of human biology.
Like cures like is, in fact, an example of sympathetic magic – the primitive notion that substances have properties or mystical connections to things that they resemble. Therefore in some traditions rhino horns are thought to treat impotence, because of their physical appearance resembles an erect penis (more or less)."

Im nächsten Punkt Ivanovs geht es darum, ob die Homöopathie ein widerlegtes Verfahren sei. Ivanov scheint hierbei nicht klar zu sein, dass es in der Egger 2005 Studie (die auch weiter oben schon mal zitiert wurde) nicht darum ging die Homöopathie zu *widerlegen*, sondern die Frage zu beantworten, ob Homöopathie besser wirke als ein Placebo. Der Titel der Egger Studie lautete ja auch: "Are the clinical effects of homeopathy placebo effects?". Nun bringt Ivanov selbst keine Argumente gegen diese Studie an, sondern verweist in seinem Text auf "Klinische Studien und Metaanalysen in der Homöopathie" von Dellmour (2006). Was sagt also Herr Dellmour? Dellmour behauptet in seiner Kritik, dass die Homöopathiestudien eine höhere Qualität und geringere Heterogenität aufweisen, als die, der konventionellen Medizin. Was Dellmour aber verschweigt ist folgende Aussage in der Egger Studie: "Indeed, we found that trials of homoeopathy tended to be of higher methodological quality than conventional-medicine trials, although most trials of either type of medicine were of low or uncertain quality. In both groups, smaller trials and those of lower quality showed more beneficial treatment effects than larger trials and those of higher quality. Between-trial heterogeneity was less pronounced among homoeopathy trials. This finding might be expected if heterogeneity between homoeopathy trials is essentially due to biased reporting and conduct of trials, whereas in the conventional-medicine sample treatment effects represented an additional relevant source of heterogeneity." Obwohl also ein relativer Qualitätsunterschied zwischen Homöopathie und konventioneller Medizin gegeben ist, sind, absolut gesprochen, die schlechte Studien eben schlicht schlechte Studien (Ein fauler Apfel und ein ganz fauler Apfel sind beides faule Äpfel). Und geringere Heterogenität ist zu erwarten, da kein spezifischer Effekt (also kein Wirkstoff) verabreicht wird. Hervorgehoben durch ein "(!)" behauptet Dellmour weiter, dass die Autoren durch anscheinend beliebige Qualitäts-Cuts ihre Grundannahme (Homöopathie = Placebo) einfach nur bestätigen wollten. Erstens, weiß Dellmour anscheinend nicht was eine Nullhypothese ist (in diesem Fall ist die Nullhypothese "Homöopathie ist Placebo" https://de.wikipedia.org/wiki/Hypothese_(Statistik)#Nullhypothese), zweitens ist es schlichtweg falsch, dass die Auswahlkriterien nicht genannt werden. So steht in der Egger-Studie: "Assessment of study quality focused on three key domains of internal validity: randomisation (generation of allocation sequence and concealment of allocation), masking (of patients, therapists, and outcome assessors), and data analysis (by intention to treat or other)" und drittens haben Egger et al. ihre Herangehensweise und Kriterien bekannt gegegen, BEVOR die Studie durchgeführt wurde. Auch liegt Dellmours mit seiner Annahme daneben, wenn er behauptet, dass sich die Endaussage nur auf 8 Studien zur Homöopathie und 6 Studien zur konventionellen Medizin stüzt. Die gesamte Metaanalyse war zu dieser Aussage notwendig. Persönlich bin ich der Ansicht, dass Dellmour die Egger-Studie gar nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Ähnliche Kritik wie sie z.B. Dellmour anbringt wurde bereits widerlegt, siehe u.a. http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2008/12/10/neue-evidenz/
Abschließend zu Ivanovs Kritikpunkt lässt sich nur sagen, dass die Egger Studie bei weitem nicht die Einzige ist, die zeigt, dass Homöopathie nicht wirksamer ist als ein Placebo. Um einen Überblick über die aktuelle Studienlage zu erhalten empfehle ich "systematic reviews and meta-analyses of efficacy" zusammengefasst auf Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/Homeopathy#Efficacy.

Zurück zu Ivanov, der sich nun den Doppelblindstudien widmet. Hierbei zitiert er das New England Journal of Medicine, welches sich euphorisch zu oraler Antikonzeptiva äußert, obwohl die WHI-Studie später gezeigt hat, dass eine Hormonersatztherapie zu Komplikationen/Todesfällen führt. Da sich der Artikel des NEJM leider hinter einer Paywall versteckt, habe ich leider keine Einsicht in diese Studie. Ich vermute aber, dass sie a) eine Doppelblindstudie war und b) herausgefunden hat, dass orale Antikonzeptiva nicht für ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs verantwortlich sind. Es stellt sich mir als Laie natürlich die Frage ob die Antibabypille mit der Hormonersatztherapie einfach so verglichen werden kann? Bzw. ob die Schlussfolgerungen der WHI Studie auch auf die Verhütungsmethoden umgemünzt werden können? Und selbst wenn sich eine Doppelblindstudie in ihrem Resultat geirrt hat, heißt das ja noch lange nicht, dass das Konzept Doppelblindstudie ad acta gelegt werden muss. Es kann mehrere Gründe geben, warum eine Studie ein Resultat findet, welches sich später als falsch herausstellt (sample size, signal-to-noise ratio, Rechenfehler, etc.). Was Ivanov macht ist klassisches "Rosinenpicken" (Nur weil ich also einen schwarzen Schwan sehe, kann ich nicht behaupten alle Schwäne seien schwarz). Obwohl Ivanov also Doppelblindstudien kritisiert, bringt er kein wirkliches Argument gegen die Doppelblindstudie an oder zeigt eine oder mehrere Alternativen zu diesem Typus auf.
Ivanov kritisiert dann weiter im Text die "evidenzbasierten Studien", bei denen mehr gedreht wird wie bei den Steuererklärungen. Ich vermute (weiß aber nicht), dass sich Ivanov auf die Studien der Pharmaindustrie bezieht. Da gibt es (und das habe ich auch schon gesagt) zur Zeit große Probleme. Pharafirmen sind gewinnorientierte Unternehmen und deshalb gibt es einen inhärenten Interessenskonflikt (Wohl der Menschen - Gewinnmaximierung). Dass Skeptiker diese Problematik nicht kennen ist schlichtweg falsch (Ben Goldacre ist ein Skeptiker und scharfer Kritiker der Pharmabranche), sie beschäftigen sich aber vielleicht etwas weniger damit (aus meiner persönlichen Erfahrung). Warum das so ist, weiß ich leider nicht.

Zum Wirksamkeitsparadox: Zunächst unterstellt Ivanov den Skeptikern, dass sie sich die Studien gar nicht richtig ansehen (schafft er durch die Intonation des "richtig anschauen") und argumentiert, dass je individueller und praxisnäher eine Studie ist, desto besser schneidet die Homöopathie im Vergleich zu einem Placebo ab. Ich habe mir nun sein verlinktes Papier noch nicht durchgelesen, deswegen kann ich auch noch nicht konkret darauf eingehen. Das Argument der "individuellen Homöopathie" ist aber ein beliebtes, hat aber zwei Probleme: a) es impliziert ohne jeglichen Beweis, dass "individuelle Homöopathie" besser sei als ihre Variationen und b) gibt es ein Review von 1998 über "individuelle Homöopathie" indem gezeigt wurde, dass "the results of the available randomized trials suggest that individualized homeopathy has an effect over placebo. The evidence, however, is not convincing because of methodological shortcomings and inconsistencies". Zu diesem Thema schreibt auch Steven Novella und meint: "Many homeopaths have argued that homeopathy cannot be subjected to the same type of studies as are conventional drugs. This is because each patient, from a homeopathic perspective, is unique, and cannot be lumped into a single category. Whereas conventional medicine can compare treatments of 1000 diabetics with two different medications, homeopaths cannot produce large numbers of patients with the same totality of illness requiring the exact same treatment. In making this argument, that of untestability, such homeopaths are securing their position in the halls of pseudoscience, for if their is one single quality which separates scientific theories from nonscientific ones, it is falsifiability. If homeopathic remedies cannot be tested, then they can never be grounded in science." Mit dem "individueller Therapie"-Argument, schießen sich Homöopathen also selbst in die Pseudowissenschaft.

Mo., 08.07.2013 - 11:44 Permalink
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no name Mo., 08.07.2013 - 14:24

Antwort auf von no name

Replik zu @David Gruber 08.07.2013: ich könnte jetzt die Dosis erhöhen, indem ich persönliche Bekannte unter den homöopathischen Ärzten zu einer Stellungnahme bewege, oder mich noch besser und immer wieder dokumentiere. Bei Gericht endet, meines Wissens, so ein Meinungsstreit mit einem Urteil, das mit Hilfe eines mehr oder weniger unabhängigen Gerichtsgutachten verfasst wird, von einer RichterIn, die genausowenig Expertin der Materie ist wie ich und Sie e chi piú ne ha, piú ne metta. Das Problem ist damit nicht behoben und der Konflikt nicht beigelegt, denn er wird seit 200 Jahren in dieser Form ausgetragen und wird nur durchdas Verlagern auf eine andere Ebene, so Dr. Thuile, zu einem positiven Resultat für die Patienten führen.

Mo., 08.07.2013 - 14:24 Permalink
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David Gruber Mo., 08.07.2013 - 14:57

Antwort auf von no name

Du kannst sehr gerne "die Dosis erhöhen" und Bekannte von dir kontaktieren, wenn du magst. Ich hoffe, die bringen dann auch neue Argumente vor, die wir hier noch nicht eruiert haben. (Ich habe zwar auch Bekannte unter den Skeptikern; aber mir macht es Spaß selber auf Argumente zu antworten, statt auf die #FollowerPower zu setzen).

Grundsätzlich geht es aber hier nicht um einen "Meinungs"-Streit, wie ich finde. Wissenschaft selbst ist hochgradig undemokratisch, da zählen nur die Fakten. Und da gilt, wie mehrfach gezeigt, Homöopathische Präparate = Placebo.

Ob und inwiefern aber die Homöopathie (und alles was so dazugehört) in einer Therapie eingesetzt werden soll, ist aber tatsächlich ein "Meinungsstreit", wie ich auch im "common ground" Kommentar geschrieben habe.

Mo., 08.07.2013 - 14:57 Permalink
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no name Mo., 08.07.2013 - 15:35

Antwort auf von no name

08.07. zu @David Gruber: womit wir wieder ins Hamsterrad zurückkehren, denn wenn die Fakten so unumwerflich wäre, gäbe es keinen Fortschritt und wir lebten noch mit den Keulen. Ich halte mich an Wittgenstein, der im Tractatus sagt: "Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung". Habe mich übrigens schon bei hom.Ärzten umgehört: sie sind der Diskussion und des Kampfes müde und helfen lieber ihren Patienten...Aber danke für die genauen Recherchen und die Möglichkeit des Ausstausches.

Mo., 08.07.2013 - 15:35 Permalink
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no name Mo., 08.07.2013 - 16:47

Antwort auf von no name

08.07. zu @David Gruber: womit wir wieder ins Hamsterrad zurückkehren, denn wenn die Fakten so unumwerflich wäre, gäbe es keinen Fortschritt und wir lebten noch mit den Keulen. Ich halte mich an Wittgenstein, der im Tractatus sagt: "Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung". Habe mich übrigens schon bei hom.Ärzten umgehört: sie sind der Diskussion und des Kampfes müde und helfen lieber ihren Patienten...Aber danke für die genauen Recherchen und die Möglichkeit des Ausstausches.

Mo., 08.07.2013 - 16:47 Permalink
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Sylvia Rier So., 07.07.2013 - 11:46

Danke für diesen Text - ich habe die Lektüre hochgradig genossen :-) auch, aber nicht nur, weil so vieles, was darin gesagt wird, auf sie viele andere, "heikle" Themen angewandt werden kann. Einen schönen Sonntag für dich (finde ich eine ausgezeichnete Idee, den Text einzustellen anstelle eines Links - die Chance, dass er auch gelesen wird, ist auf diese Weise wohl ungleich größer)!

So., 07.07.2013 - 11:46 Permalink
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David Gruber Mo., 08.07.2013 - 11:46

Steven Novella hat mal gesagt "When beginning a discussion of a controversial topic I like to establish the common ground upon which most or all people can agree." Vielleicht hätten wir das machen sollen bevor der Diskussion losgegangen ist. Aber aus den Kommentaren lassen sich auch jetzt einige Dinge ableiten, denen wir (vermutlich) alle zustimmen können. Falls nicht, höre ich gerne eure Gegenargumente.

1. Nicht alle Medikamente der klassischen Medizin haben einen Wirksamkeitsnachweis erbracht (sind somit nicht evidence based).
2. Die Pharmaindustrie hat einen inhärenten Interessenskonflikt zwischen Gewinnmaximierung und dem Wohl des Menschen. Daraus folgen verzerrte Studien und ein Publikationsbias solcher Studien, die von der Pharmabranche gesponsort wurden.
3. Die klassische Medizin kann und sollte sich für die Patienten mehr Zeit nehmen und sich somit von den Homöopathen die Art und Form der Anamnese abschauen. So können sich Ärzte der Kontext-Effekte (Patient-Arzt-Verhältnis, Placebo-Effekt) besser zu Nutze machen.
4. Die Potenzierung/Dynamisierung homöopathischer Präparate hat zur Folge, dass ab eines gewissen Verdünnungsgrades mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kein aktiver Wirkstoff mehr in homöopathischen Präparaten zu finden ist.
5. Aus 4. folgt: Homöopathische Präparate sind, ab einem gewissen Verdünnungsgrad, nicht mehr von Placebos zu unterscheiden.
6. Ärztliche Verschreibung von Antibiotika als "unreine Placebos" (z.B. gegen virale Infekte) sollte vermieden werden. (Sowohl aus Kostengründen, aber auch um Resistenzbildungen zu vermeiden).
7. Die Gabe von Placebos zur Behandlung von Beschwerden ist ethisch umstritten, wenn sie nicht auf einer informierten Einwilligung beruht und nicht im Rahmen der partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Patient und Arzt erfolgt.
8. Placeboeffekte sind positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen, die der symbolischen Bedeutung einer Behandlung zugeschrieben werden. Sie haben also nichts mit Naivität/Dummheit der Patienten zu tun.
9. Placeboeffekte können bei jeder Art von Behandlung auftreten, also nicht nur bei Scheinbehandlungen.
10. Placeboeffekte sind nicht mit Spontanheilung zu verwechseln.
11. Placeboeffekte können sehr mächtig sein (siehe u.a. Studienlage zum Thema Reizdarm)
12. Ärzte sollen sich sowohl der Kontext-Effekte (u.a. Placebo Effekt), als auch der spezifischen Effekte (pharmakologisch wirksames Medikament) bedienen.
13. Homöopathie sollte, wenn überhaupt, nur von ausgebildeten Schulmedizinern verabreicht werden, die wissen, was Homöopathie ist und was sie kann.
14. Schwere Erkrankungen (Krebs, HIV/AIDS, Malaria, Borrelliose, FSME, etc.) sollten nicht rein-homöopathisch behandelt werden, noch soll eine Wirksamkeit der rein-homöopathien Behandlung gegenüber diesen Erkrankungen propagiert werden.

Was denkt ihr?

Mo., 08.07.2013 - 11:46 Permalink
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no name Mo., 08.07.2013 - 17:03

Antwort auf von David Gruber

Ich finde diesen Beitrag von Dir als Wissenschaftler einen gelungenen Versuch in Richtung gemeinsame Interessen und deshalb für mich sehr wertvoll. Mit manchen Schlußfolgerungen bin ich nicht einverstanden, könnten noch tiefer gehen und weniger auf die Wirkung als solche, mehr auf die Wirkung im Einzelfall eingehen, weniger auf den Placebo-Effekt und mehr auf die Gesamtbehandlung eines homöopathischen Mediziners. Punkt 13) würde mir z.B. ohne "wenn überhaupt" gut gefallen. Und die Frage am Schluß macht die Musik und regt zum wirklichen Nachdenken an, finde ich.

Mo., 08.07.2013 - 17:03 Permalink