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Displaced Persons

An seinem letzten Arbeitstag holte Thomas Albrich vom Institut für Zeitgeschichte in Innsbruck seine eigene Forschungsgeschichte ein. Ein kurzer „historischer“ Rückblick.
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Foto: Foto: Salto.bz

13. Dezember 2018 - für den Historiker Thomas Albrich vom Institut für Zeitgeschichte in Innsbruck war der letzte Arbeitstag gekommen. Und gerade an diesem Tag referierte er auf der Tagung Spurensuche – Kulturelle, wirtschaftliche und soziale Leistungen von Displaced Persons in Mitteleuropa über ein Thema, welches ihn seit Anfang der 1980er Jahre begleitet hatte. Nun auch noch an seinem letzten „offiziellen“ Arbeitstag. Seine Dissertation hatte Albrich Anfang der 1980er Jahre über jüdische Kriegs- und Nachkriegsflüchtlinge geschrieben, die sich in der britischen Besatzungszone, in Kärnten und in der Steiermark aufhielten – sogenannte Displaced Persons.
Seitdem wurde einiges zum Thema publiziert, dennoch liegen viele Schicksale Tausender DP`s im Dunkeln, auch jene der Südtiroler Aussiedler zur Optionszeit: „Auch ihr Schicksal ist Teil der Displaced Persons-Forschung, auch wenn unter anderen Vorzeichen“.

Organisiert wurde die Tagung von den Historikern Nikolaus Hagen und Philipp Strobl. Strobl untersuchte bereits für seine Forschung den sozioökonomischen Fußabdruck jüdischer DP`s in Australien, wohin nach Kriegsende insgesamt 70.000 DP`s flüchteten. Sie waren maßgeblicher Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung und sind mittlerweile Teil zahlreicher Studien. In europäischen Ländern ist das anders: „DP`s aus Böhmen hatten Einfluss auf den Industrialisierungsprozess in Oberösterreich, Südtiroler Umsiedler an der Weiterentwicklung des Apfelanbaus in Österreich“ erzählte Strobl und Mitorganisator Hagen ergänzte im Anschluss, dass „dieses Thema eine transnationale Betrachtungsweise“ erfordere.

DP-Experte Thomas Albrich gab einen Einblick in die Forschung und das Phänomen DP, also den Alltag von Menschen, „die sich zum Zeitpunkt des Kriegsendes, aus verschiedensten Gründen am falschen Ort aufhielten.“ In Österreich gab es 1945 1,6 Millionen DP`s (bei  6 Millionen Einwohnern). Sie waren Angehörige der Siegermächte, von Nichtfeindstaaten, von Feindstaaten, Staatenlose aus anderen Gründen, Fremdarbeiter oder Zwangsarbeiter. In Oberösterreich strandeten 700.000 DP`s, in Kärntern 200.000, ab Juni (in Tirol) und ab Mai 1945 (in Vorarlberg) 180.000. Bleiben durften diejenigen, „die die richtigen Fürsprecher hatten“ unterstrich Albrich und ging auch auf die Südtiroler Aussiedler und die Option ein: „Die ausgewanderten Südtiroler, die auf mehrere Gebiete verteilt waren, wurden eingezogen und dann vor allem nach Tirol und Vorarlberg gebracht. Nach Italien zurückkehren konnten sie zunächst nicht, da sie keine italienischen Staatsbürger waren. Auch sie waren DP`s.“ 
Das letzte Tiroler Lager mit Südtiroler Aussiedlern befand sich laut dem nachfolgenden Referat der Historikerin Sabine Pitscheider in Eichat in Absam. Es wurde 1969 geschlossen, als die letzten Südtiroler – von der Tiroler Bevölkerung als Barackler bezeichnet – eine kleine Wohnung in den jeweiligen Gemeinden beziehen konnten. 

Trailer 'Coming home soon - the refugee children of Geislingen

Mit der Projektion des Films Coming Home Soon: The Refugee Children of Geislingen der Dokumentarfilmerin Helga Merits endete die Tagung. Und für Thomas Albrich der letzte "offizielle" Arbeitstag. Mit vielen weiteren in den Ruhestand getretenen Professorinnen und Professoren sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Wissenschaft und Verwaltung kam es zur ersten offiziellen Verabschiedungsfeier an der Universität Innsbruck.
Rektor Tilmann Märk bedankte und verabschiedete sich unter anderem mit einem Satz des Schriftstellers Arthur Schnitzler: „Der Abschied schmerzt immer, auch wenn man sich schon lange darauf freut.“