Di Maio, Conte, Salvini
Foto: Facebook/Luigi Di Maio
Politik | M5S gegen Lega

“Rischiamo di implodere”

Fünf Sterne und Lega driften auseinander. Im Konflikt über die Hochgeschwindigkeitsstrecken droht dem M5S die Implosion.
Noch regieren sie gemeinsam. Doch die Distanz wächst.  Während die Lega ihren Höhenflug bei jeder neuen Wahl wiederholt, gärt es in der Fünf-Sterne-Bewegung. Die Basis begehrt auf gegen Salvinis Gesetz zur Bürgerbewaffnung. Prominentester Gegner: der Präsident der Abgeordnetenkammer Roberto Fico, der seinen Widerstand in einem griffigen Slogan formuliert: "Meno ruspe e più amore."
 
Jüngster Brandherd ist Apulien, wo sich die Wut der Basis in Protesten gegen die Trans-Adria-Pipeline TAP entlädt. Im Salento verbrannten wütende Anhänger M5S-Fahnen und zerrissen Mitgliedsausweise. Premier Giuseppe Conte hatte erklärt, das Projekt könne nicht gestoppt werden, weil die anfallenden Strafgelder zu hoch seien. Dass ein Ausstieg aus dem Bau der Gasleitung rund 20 Milliarden kosten würde, war freilich schon vor Monaten in allen Zeitungen zu lesen und alles andere als ein Geheimnis. Die Gegner beschuldigen jetzt Di Maio, diese Verträge geheimgehalten zu  haben. Doch der sichtlich nervöse Vizepremier muss gleich an mehreren Fronten kämpfen. Seine Forderungen nach Erhöhung der Staatsverschuldung  stossen  auf wachsende Skpesis, das  Grundeinkommen wurde auf das kommende Jahr verschoben und soll pötzlich nur in Kampanien und Sizilien erprobt worden. Seine Attacke auf den BZE-Präsidenten Mario Draghi, dem er Mangel an Patriotismus vorwarf, erntete herbe Kritik. Der Vizepremier hat seinem bulligen Alter Ego Salvini und dessen Sheriff-Gehabe nichts entgegenzusetzen. Nach jedem Mord und jeder Vergewaltigung erscheint der Lega-Chef am Tatort, lässt sich beklatschen und verspricht eine Politik der eisernen Faust. 
 
Fazit: Die Lega hat ihre Zustimmung in den sechs Monaten seit der Wahl fast verdoppelt – von 17 auf 32 Prozent. Die Fünf-Sterne-Bewegung ist in den Umfragen von 32 auf auf 27 Prozent gesunken. Jüngster Tiefpunkt: die sieben Prozent bei der Wahl im Trentino. Letztes Alarmsignal für die Bewegung war die jüngste Kundgebung vor dem römischen Kapitol, dem Amtssitz der M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggi. Die Demonstration wurde von der parteiunabhängigen Bürgerbewegung Roma dice basta organisiert und richtete sich am Wochenende gegen die zunehmende Verwahrlosung der Hauptstadt, die Schlaglöcher, die ewigen Baustellen, die Misere der Müllabfuhr und des öffentlichen Personenverkehrs, den Anstieg der Gewalt, die zahlreichen Besetzungen öffentlicher Bauten. 
Doch Raggi lässt sich nicht beirren: "Vado avanti."
Am 10. November erwartet die Bürgermeisterin freilich ein entscheidendes Urteil in Sachen Amtsmissbrauch. Hat sie zur umstrittenen Ernennung ihres später verhafteten Kabinettschefs Renato Marra  die Wahrheit gesagt ?
Bei einer Verurteilung müsste Raggi nach den von der Bewegung vereinbarten Regeln zurücktreten. Das lehnt sie kategorisch an: "Sono una persona perbene e corretta."
Die Bürgermeisterin, die in zwei Jahren fast alle Stadträte ausgetauscht hat (einige davon gleich mehrmals), will auf jeden Fall bleiben und würde damit für die Fünf-Sterne-Bewegung zu einer weiteren Belastung. Salvini peilt bereits die Kandidatur einer Lega-Vertreterin an - im Gespräch ist die Ministerin für öffentliche Verwaltung, Giulia Bongiorno. 
 
Am heutigen Montag rückt Turin in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dort soll der Gemeinderat über die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon TAV abstimmen – ein Votum, das die Grillini fürchten. Di Maio ersucht Salvini un Unterstützung: "Bisogna bloccare i lavori o implodiamo." Doch die Lega hat sich bisher immer für die neue Bahnstecke ausgesprochen. Alle Unternehmerverbände der Stadt wollen an der Sitzung teilnehmen und warnen die Lega vor einem Nein. Unmittelbare politische Folgen hat die Abstimmung nicht. Eine Absetzung des Projekts würde Italien rund vier Milliarden kosten. Die Lega befindet sich in einer Zwickmühle: um den Koalitionspartner vor einer Krise zu bewahren, müsste sie gegen ihre eigene Überzeugung stimmen.
Das könnte sich bei den in einigen Monaten fälligen Regionalwahlen im Piemont rächen. Doch gewählt wird im kommenden Jahr auch in Emilien, Sardinien, Abruzzen und Kalabrien. Und dabei könnte es der Fünf-Sterne-Bewegung durchaus ähnlich ergehen wie letzthin im Trentino.