Gesellschaft | Schule

Wenn Religion dran glauben muss

Um die zusätzlichen Sportstunden einzuführen, kürzen zahlreiche Schulen den Religionsunterricht. Obwohl das einigen missfällt, gilt die Autonomie der Schule.
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Foto: Pixabay

Woher nehmen wenn nicht stehlen? Diese Frage stellte sich nachdem die Landesregierung vergangenen Herbst beschlossen hatte, den Sportunterricht in den Grund- und Mittelschulen zu potenzieren.

Ab dem Schuljahr 2018/19 gibt es an allen deutschsprachigen Grundschulen im Land 3 Stunden Sportunterricht in der Woche für die ersten Klassen, in der 2. bis 5. Klasse sowie in der Mittelschule müssen es 2 Wochenstunden sein. Da die Gesamtunterrichtszeit nicht erhöht wird, liegt es an den Schulen, ihre Stundenpläne so umzubauen, dass die neue Pflichtquote – 102 Jahresstunden Sport in der 1. Klasse Grundschule und dann 68 bis in die 3. Klasse Mittelschule – erfüllt wird.

Die Entscheidung, wie die Stunden umgeschichtet werden, liegt beim jeweiligen Schulrat. Auch die Lehrer haben ein Mitspracherecht. Nun begibt es sich, dass zahlreiche Schulen den Rotstift beim Religionsunterricht ansetzen. Zum Missfallen einiger.

 

Sport statt Religion

Laut Rahmenrichtlinien des Landes können die Schulen jedes Fach um 20 Prozent der Unterrichtszeit, die in der Pflichtquote vorgesehen ist, kürzen bzw. aufstocken. Hier setzen nun viele Schulen an: Für die zusätzlichen Sportstunden wird vielerorts der Religionsunterricht gekürzt.

“Ich bedauere das sehr”, meint Bischof Ivo Muser, dem die abgezwackten Religionsstunden nicht verborgen geblieben sind. “Der Kirche ist sehr daran gelegen, dass die Schüler befähigt werden, sich für die Lebensdeutungen und Hoffnungsperspektiven des christlichen Glaubens zu öffnen”, sagt Muser zur Dolomiten. Ihm gehe es nicht darum ein Privileg der Kirche zu verteidigen, sondern “um einen wichtigen Beitrag der Kirche für eine gesamtmenschliche Bildung unserer Kinder und jungen Menschen”.

“Es ist keinesfalls im Sinne des Verbandes der Sportvereine Südtirols, dass der Religionsunterricht oder andere Fächer mit einem geringen Stundenumfang an den Südtiroler Grund- und Mittelschulen gekürzt wird”, reagiert VSS-Obmann Günther Andergassen. Er hofft auf “Lösungen, die alle Beteiligten zufrieden stellen werden”.

Deutlichen Beistand erfährt der Bischof von der Freiheitlichen. “Gerade in unserer abendländischen Kultur ist der christliche Religionsunterricht von besonderer Bedeutung”, schreiben die Landtagsabgeordneten Ulli Mair und Hannes Zingerle. Sie sind besorgt. Es könne nicht sein, “dass die ohnehin wenigen Religionsstunden weiter gestrichen werden, denn dann haben wir morgen einen enormen Werteverlust für unseren christlichen Glauben und öffnen zugleich Diskussionen über einen stattdessen möglich stattfindenden Ethikunterricht in der Zukunft – und das ist natürlich mit aller Entschiedenheit zu vermeiden!”

 

Schulen sind und bleiben autonom

Mair und Zingerle fordern Bildungslandesrat Philipp Achammer auf, einzugreifen. Doch damit würde die Autonomie der Schulen angetastet werden.

Schulen, die die Unterrichtszeit für Religion zugunsten von Sport kürzen, sind “rechtlich in Ordnung”, bestätigt Christian Alber im Gespräch mit salto.bz. Der Koordinator des deutschen Schulinspektorats ist zugleich als Inspektor für den Religionsunterricht zuständig. Alber rechnet vor: “Wenn in der Grundschule der Religionsunterricht im Rahmen der Flexibilitätsquote von 20 Prozent zum Beispiel von 10 auf 8,5 Stunden gekürzt wird, macht das natürlich einen Unterschied. Aber die Schulen handeln hier im Rahmen ihrer Autonomie.”

Und daran zu rütteln kommt für den Bildungslandesrat nicht in Frage. Zugleich versichert Philipp Achammer: “Unseren Schulen ist die Wertevermittlung genauso wie das Pflegen und Feiern religiöser Bräuche und Feste wichtig. Das wird auch weiterhin so bleiben.”

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Pafeiler Matthias Fr., 30.03.2018 - 22:47

Wenns um Ethik geht dann sind die Freiheitlichen absolut dagegen. Super Einstellung! Weiter so! Am besten alles abschaffen was irgentwie zum Denken anregt. Das kann nur von Vorteil sein!

Fr., 30.03.2018 - 22:47 Permalink
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gorgias Sa., 31.03.2018 - 09:54

Antwort auf von Pafeiler Matthias

Die Freiheitlichen werden unter anderem auch befürchten, dass dieser Ethikunterricht eine bestimmte politische Ausrichtung haben soll. Ich habe mir gerade den Wikipedia-Artikel zum Ethikunterricht in Deutschland angesehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Ethikunterricht_in_Deutschland#Bezeichnun…

Die Bezeichnung praktische Philosophie gefällt mir am Besten, weil sie kritisches Denken suggeriert. Ethikunterricht klingt ein bischen nach "Was man tun soll"

Sa., 31.03.2018 - 09:54 Permalink
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Karl Trojer Sa., 31.03.2018 - 11:37

Ja, ein paar Stunden in "praktischer Philosopie" im Sinne von "Ein Versuch zu verstehen" wäre wertvoll, vorausgesetzt, die/der LehrerIn indoktriniert nicht, sondern gibt Inputs, die den SchülerInnen Stoff für Ihren Austausch bieten und sie öffnet für Anregungen seitens der SchülerInnen.

Sa., 31.03.2018 - 11:37 Permalink
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Maximi Richard Sa., 31.03.2018 - 12:36

Dem Bischof geht es tatsächlich nur darum ein heutzutage nicht mehr haltbares Privileg der Kirche zu verteidigen. Dass die Hälfte der Schulräte für die Kürzung des Religionsunterricht ist, wird wohl ein Signal sein.

Sa., 31.03.2018 - 12:36 Permalink