Politik | Verfassungsreform

Sechs Möchtegern-Argumente für ein JA 2

Basta un sì? Ma anche no! Teil 2 von 2
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Teil 2 der Analyse der Hauptargumente Renzis "basta un sì" Internetseite

Mehr Beteiligung der Bürger 

„Demokratie lässt sich nicht nur auf dem Moment der Wahl reduzieren, sondern ist eine Gesamtheit von Instrumenten in den Händen der Bürger um Ideen, Vorschläge und Nöte zum Ausdruck zu bringen. Mit der Reform wird die italienische Demokratie wirklich partizipativ: das Parlament wird die Pflicht haben Gesetzesvorschläge durch Volksinitiative zu diskutieren und darüber abzustimmen wenn diese von 150.000 Wählern abgegeben werden. Es werden einführende und lenkende Volksabstimmungen eingeführt; das Quorum für abschaffende Volksabstimmungen wir gesenkt (wenn die Abstimmung 800.000 Unterzeichner findet wird muss nur mehr die Hälfte plus 1 der Wähler nötig sein die an der letzten Parlamentswahl teilgenommen haben)“

So, jetzt ist Schluss mit lustig, denn hier wird nicht versucht zu überzeugen, hier wird man mit aller Absicht betrogen. Die Anzahl von Unterschriften um einen Gesetzesentwurf einzubringen wird glatt verdreifacht! Hierfür gibt es keinen Stinkefinger mehr, ich hätte nicht übel Lust Renzi in die Suppe zu spucken! Es soll mir keiner kommen der meint mit der „Pflicht“ zur Abstimmung über diese Gesetzesentwürfe würde man es besser machen. Es ist eine ungeheuerliche Unverschämtheit, dass bislang Gesetzesentwürfe von Volksinitiativen in irgendwelchen Schränken vermodern ohne ernst genommen zu werden. Dass eine Änderung der Verfassung nötig ist um die Parlamentarier zu ihrer Arbeit im Sinne der Demokratie zu zwingen, zeugt in welchen prekären Verhältnissen die Demokratie im diesem Land herrscht. Die Natur diese Änderung ist dafür ganz im Sinne der bisherigen Handlungsweise. Es gibt nämlich niemanden der über diese Pflicht wacht, oder der das Parlament bestrafen könnte sollte es sich nicht an diese Pflicht halten, denn es liegt am Parlament selbst durch die eigenen „regolamenti“ letztere Aufgabe zu übernehmen. Wie heißt es so treffend? Da wird der Bock zum Gärtner gemacht! Die Geschichte mit dem neuen Quorum entzieht sich sowieso jeglicher Logik und braucht nicht weiter kommentiert zu werden.

Um die Kompetenzen des Staates und der Regionen zu klären

„Die Reform wird das Verhältnis zwischen Staat und Regionen klären und vereinfachen: mit der Abschaffung der der sogenannten „konkurrierenden Kompetenzen“ wird jede Regierungsebene eigene gesetzgeberische Kompetenzen haben. Man wird endlich die Unübersichtlichkeit und Zwiespältigkeit verhindern welche die Arbeit des Verfassungsgerichtshof in den letzten 15 Jahren aufgehalten haben. Sachgebiete wie die großen Verkehrsnetze, die Produktion, der Transport und die Verteilung auf nationaler Ebene von Strom oder die Berufsbildung werden ausschließlich vom Staat bestimmt. Außer den eigenen Kompetenzen (wie die Organisation des Gesundheitswesen, den Tourismus oder die lokale wirtschaftliche Entwicklung), können den Regionen andere gesetzgeberische Kompetenzen abgegeben werden. Auf dieser Weise wird man die tugendhaften Regionen fördern."

Man nehme die Reform und sehe sich Artikel 117 an, werden die konkurrierenden Kompetenzen abgeschafft? Leider nicht! Denn wenn man z.B bei den Buchstaben „n“ und „u“ von „disposizioni generali e comuni“ geschrieben steht, dann meint man genau das was man eigentlich abschaffen wollte: der Staat nennt die allgemeine und gemeinsame Bestimmung und wer wird dann ins Detail gehen? Die Regionen! Das ist aber nicht genug, denn mit der neuen Vormachtsklausel kann die Regierung in Rom nach eigenen Ermessen im Handlungsraum der Regionen eindringen und Entscheidungen an sich reißen wie es ih gerade passt, oder eleganter formuliert: wenn es das „nationale Interesse“ verlangt. Vorausgesetzt es bleibt mindestens ein Hauch an Rechtsstaat und Gewaltenteilung in diesem Land bestehen, wem wird in Zukunft zur Stelle rufen um zu entscheiden ob dieses nationale Interesse wirklich vorhanden ist? Drei mal dürfen sie raten! Man stelle sich aber auch sonst das Chaos vor, wenn morgen wechselnde Regierungen nach Lust und Laune, oder wie in Italien üblich nach Freundschaften und Vetternwirtschaft, den Regionen bei jedem Führungswechsel Kompetenzen geben und nehmen! Am besten wir verdreifachen gleich die Anzahl der Richter im Verfassungsgerichtshof denn dort wird eine Menge Arbeit anfallen. 

Um die Vertretung der lokalen Körperschaften im Parlament und Europa zu stärken

„Der Senat wird endlich der Ort an dem Regionen und Gemeinden ihre Interessen vertreten können, diese werden durch Bürgermeister und Regionalabgeordnete direkt in der Entstehung von Gesetzen mitwirken. Viel zu lange hat dessen begrenzte Beteiligung an der Gesetzgebung Verspätungen. Konflikte und Verfahren hervorgerufen. Der neue Senat der Bürgermeister und Regionalabgeordneten wird eine wichtige Funktion ausüben: er wird an den Entscheidungen zur Durchführung der EU-Politik und Gesetzegebung teilnehmen und dessen Auswirkung auf die Gebiete prüfen. Es handelt sich um eine entscheidende Aufgabe, welche Italien ermöglichen wird die Abmachungen zu ehren, keine Vergehen zu begehen und saftige Strafen zu verhindern.“

Hier wird der Senat so beschrieben als ob man bis jetzt die Senatoren auf hoher See gefischt um sie dann im Senat zu stecken. Nur so zur Info, die Senatoren stammten schon immer aus den Regionen und konnten stets dessen Interessen vertreten, einige haben das sogar gemacht. Wieso man drauf verharrt das Bürgermeister und Regionalabgeordnete bei Staatsgesetzen mitwirken müssen bleibt ein Rätsel, genauso wie sie Konflikte, Verspätungen usw. meiden werden. Wahrscheinlich denkt man sich, dass diese „Aushilfskammer“ von Freizeitsenatoren sowieso wenig arbeiten wird und so ist das auch gewollt. Man will ja nicht, dass beim Handeln mit EU, EZB und sonstigen Lobbys zu viele Leute mitreden: das ist (Regierungs)Chefsache!

Alles im allem, kann kein klar denkender Mensch wirklich aus Überzeugung für ein ja stimmen. Sogar die Befürworter der Reform geben zu, dass sie nicht die beste ist, aber aus irgendwelchen Gründen wird sie als das kleinere Übel dargestellt. Wieso? Weil sonst die Regierung fällt und wir morgen Grillo oder Salvini an die Macht kommen könnten? Haben diese Leute schon mal darüber nachgedacht was eine Regierung in Hand von Populisten mit so einer Verfassung alles anstellen könnte? Oder glauben diese Leute Renzi und der PD werden ewig regieren?