Wirtschaft | Entwicklungsökonomie

Afrika – ein wirtschaftliches Rätsel?

Alexander Moradi, Professor in Economics, held a speech about how Christian missionary expansion influenced economic development in Africa.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Africa
Foto: CC0

Dear Mr. Moradi, you are professor in Economics, but you use a lot of historical data. Can you tell me more about your research field and the link between History and Economy?

 

In den letzten 10 bis 15 Jahren haben die Ökonomen die Wirtschaftsgeschichte für sich entdeckt, um die fundamentalen Ursachen wirtschaftlicher Entwicklungen besser zu verstehen. Wir wissen mittlerweile genau, welche Faktoren zu Wirtschaftswachstum führen: gut ausgebildete Arbeitskräfte, Investitionen, und insbesondere die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien. Allerdings ist unklar, welche Strukturen und Institutionen hierfür notwendig sind. Diese Institutionen sind historisch gewachsen, oft ohne Intention, und man kann sie nicht x-beliebig anpassen.

 

Nehmen wir die unklaren Eigentumsrechte, welche beispielsweise Investitionen in Afrika‘s Landwirtschaft behindern: Wer möchte schon in einem Land investieren, wenn im nächsten Moment jemand daher kommt, sagt, er sei der wahre Eigentümer, und sie zum Verlassen des Landes auffordert? Die unklaren Eigentumsrechte haben sich über die Zeit ergeben. Eigentumsrechte waren schlicht nicht notwendig zu einer Zeit, als Land so reichlich vorhanden war, dass jedes Land in Besitz nehmen konnte, sofern er dieses Land auch bearbeitete. Es entwickelten sich überlagernde, komplexe Besitzansprüche, die auf der Nutzung von Familienmitgliedern in der Vergangenheit basieren. Im Übrigen lassen sich die Eigentumsrechte nicht neu definieren, ohne die Besitzansprüche einiger Gruppen zu entwerten. Ein sehr komplexes Problem.

 

You have published work about many African states. Where does your fascination for the continent come from?

Afrika ist schon sehr spannend. Entwicklung ist hier im Entstehen und selten geradlinig. Man kann sich nicht bequem zurücklehnen und der Lösungen bedienen, die in Europa recht erfolgreich waren oder sind.

 

One of your articles has the title “Why is Africa poor and will it stay so?” Have you found an answer to that question? And what role plays the West and its colonial past in this?

Es gibt eine recht einfache wirtschaftshistorische Erklärung: Afrikanische Länder sind arm, weil sie nicht an der Industrialisierung im 19. Jahrhundert teilgenommen haben. Die Ursache liegt in der späten Entwicklung afrikanischer Staaten. Dies wiederum hat geographische Gründe. Staaten müssen sich finanzieren, durch Steuern, aber dies ist sehr schwer mit einer Landwirtschaft, die man praktisch nicht besteuern kann, weil die Kosten bei der niedrigen Bevölkerungsdichte zu hoch sind. Afrikanische Staaten entwickelten sich, sobald sie den Handel (Sklaven, aber auch Gold) besteuern konnten. Dies ist keine gute Basis, denn der Handel kann leicht wegbrechen. Im Übrigen entwickelten sich afrikanische Länder durchaus während der Kolonialzeit, sicherlich nicht aufgrund sondern trotz des Kolonialismus. Die relativ positive wirtschaftliche Entwicklung hielt auch nach der Unabhängigkeit an.

Der Knick in der Entwicklung kam in den 1970ern und 80ern, während der Schuldenkrise und der vom Westen auferlegten struktureller Anpassungsprogramme. Aber natürlich, wir wissen nicht, wie sich afrikanische Länder ohne Kolonialismus entwickelt hätten. Das ist Kaffeesatzleserei. Ich bin recht optimistisch was die Zukunft angeht. Äthiopien wuchs in den letzten 20 Jahren genauso schnell wie China. Und auch Ghana, die Elfenbeinküste, Togo, Kamerun, Kenia und Ruanda machen Fortschritte. Ein Grund sind sicherlich die Investionen, und die gestiegene Nachfrage aus China. Dies trieb die Preise afrikanischer Exporte nach oben. Gleichzeit sind die Importe aus China billiger. Diese Entwicklung ist besser als jede Entwicklungshilfe, aber möglicherweise zeitlich beschränkt.

 

Growing migration and media attention on the issue, seem to pressure politicians to promote economic development in Africa and find solutions. Do we do enough to respond to the structural problems of many African states? If not, what approach or strategy is needed?

Entwicklungspolitiker rechtfertigen Entwicklungshilfe immer mit dem Argument, dass diese zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt und damit Migration bremsen würde. Aber das ist doppelt Unsinn. Erstens wissen wir nicht, ob Entwicklungshilfe tatsächlich zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt. Wir hoffen es. Der Beitrag liegt im nicht messbaren Bereich. Ich kann Ihnen definitiv kein Land nennen, dass sich aufgrund der Entwicklungshilfe entwickelt hätte. Zweitens deuten alle Forschungsergebnisse darauf hin, dass Migration mit Entwicklung zunächst zunimmt, und ein Maximum bei mittleren Einkommen - so um die $5,000-$15,000 pro Kopf – erreicht. Für Migration benötigt man Ressourcen und auch Migranten, die in Europa ein Einkommen generieren können. Es sind nicht die Ärmsten oder Verzweifeltsten, die nach Europa kommen. Die bleiben in Afrika.

 

Especially Germany seems to push for more development aid for Africa, Merkel was speaking about a “Marshall Plan with Africa”. What is your idea about development aid?

Der Marshall Plan im Nachkriegseuropa hat deswegen so gut funktioniert, weil er bei dem wesentlichen Engpass ansetzte. Durch den Krieg wurde sehr viel Kapital vernichtet, nicht aber Know-How, Technologien und Institutionen (Eigentumsrechte). Der Marshall Plan hat mit der Bereitstellung von Kapital den Engpass behoben und daher konnte Westeuropa schnell zu dem langfristigen Wachstumspfad zurückkehren. Die Idee eines “Marshall Plans mit Afrika” suggeriert einen „big push“ mit Investitionen.

Die Probleme in Afrika liegen aber nicht am Kapitalmangel. Ein Beispiel. Nigeria wies eine sehr hohe Investitionsquote auf. Staatliche Gelder wurden in der Tat nach öffentlichen Ausschreibungen an Firmen ausgezahlt. Aber sie versickerten. Die Investitionen wurde de-facto nie getätigt. Kein Wunder, dass solche „Geisterinvestitionen“ kein Wirtschaftswachstum generieren. Hier ist Entwicklungshilfe „smarter“ geworden. Entwicklungshilfe setzt häufiger bei dem Transfer von Know-How an, z.B. wie man staatliche Strukturen stärkt und Prozesse effizienter gestaltet, beispielsweise bei der Steuererhebung. Gerade die deutsche Entwicklungshilfe ist hier vorbildlich. Aber wie gesagt, deswegen werden sich arme Länder nicht entwickeln.

 

Last week you presented your most recent research about how the expansion of Christianity to Africa affected its economic development. Can you share some of your results and theories?

Neben Institutionen wird auch oft der Kultur eine Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung zugemessen: Werte wie Sparsamkeit, Arbeitsethik, Vertrauen, Ehrlichkeit, Gerechtigkeitssinn, etc. Das Christentum kam erst recht spät nach Afrika, praktisch erst im 19. Jahrhundert. Einige christliche Werte waren auch wirkliche Neuerungen, wie beispielsweise das Lesen und Studieren (der Bibel) oder die Ablehnung der Polygamie oder der Sklaverei. Beides macht die Analyse einfacher. Einige Forscher bringen nun christliche Missionare mit heutiger Bildung, Vertrauen, Demokratie, Sexualverhalten, HIV-AIDS usw. in Verbindung. In der Tat existieren diese Korrelationen. Wir zeigen aber, dass da wenig dran ist, sobald man berücksichtigt, welche Orte für die Missionare besonders attraktiv waren, nämlich die reicheren und entwickelteren Orte. Gegenden, die damals entwickelter waren, sind auch heute entwickelter. Missionare oder Religion und Kultur haben dagegen wenig zur Entwicklung beigetragen.

 

Thank you for the interview!

 

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Karl Trojer Fr., 01.02.2019 - 09:41

Eine umfassende, in vielem sehr zutreffende Analyse, aber wo bleibt das auf Klimaveränderungen bezogene Migrationsverhalten ? Dieses wird in den nächsten Jahrzehnten ganze Migrations-Lawinen aus Afrika, Asien und Südamerika lostreten. Wir reiche Länder haben dieses 5 Minuten vor zwölf stehende Klimadesaster im wesentlichen verursacht, wir haben vorrangig dafür zu sorgen, dass die betroffenen Räume trotzdem Lebenschancen behalten und nachhaltig dazugewinnen. Die Jahrhunderte andauernde und heute noch vorhandene Ausbeutung Afrikas durch europäische Kräfte und die USA wird in dieser Analyse zu sehr kleingeredet. Auch war unsere Arroganz der Besserwisserei mit Ursache, dass die kulturellen und die sozialen Strukturen in Afrika zerbrachen. Korruption setzt immer entsprechende Geldgeber voraus, und wer waren und sind diese ? China ist dabei Afrika in weiten Teilen für sich einzuvernehmen; Europas Kleinstaatengezänk war Hauptursache dafür, dass Afrika sich selbst überlassen blieb. Afrika ehestens, ehrlich und massiv in seiner Weiterentwicklung zukunftsfähig zu unterstützen, ist menschlich die beste und auch ökonomisch sinnvollste Art Europa vor einem ansosnsten unausweichlichen Überrantwerden zu bewahren. Dafür bedarf es allerdings einer starken Europäischen Gemeinschaft.

Fr., 01.02.2019 - 09:41 Permalink
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Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 09:44

... ohne lang google zu bemühen, und im Bewusstsein, dass alles viel komplexer und facettenreicher ist:
einer der Hauptgründe für das Elend Afrikas und die Migration ist: die Bevölkerungsentwicklung in Afrika.
Als in Tirol jede Familie zwischen 5 und 10 Kindern hatte, gab es Auswanderung, da die Menschen schlicht nicht Platz hatten, Familien zu gründen und eine gute Arbeit zu finden. Dasselbe geschieht in Afrika.
Dazu Tyrannei, Stammesdenken, Kriegerwesen, Alkohol, männliches Machotum, und - nicht eben immer arbeitsfreudige Männer (im Gegensatz zu den Frauen).
Ich habe, unter anderem, Äthiopien bereist, unser Führer war ein 50jähriger Äthiopier, Akademiker.
Am Ende der Reise durch dieses wunderschöne grüne Land habe ich ihn gefragt, was helfen würde, das Land besser zu entwickeln. Er zeigte in die Runde und meinte: wir haben alles, was wir brauchen (wir brauchen weder Geld, noch Kleider, noch andere Güter), alles was wir brauchen ist Hilfe, die Menschen (aus) zu bilden und ihnen beizubringen, dass ihre Altersversorgung auch mit 2 Kindern pro Familie ausreicht.
Mit einer Bevölkerungsentwicklung wie in Afrika wäre wohl auch Europa in (Verteilungs-)Kriegen und Armut gefangen.
"Überall" dort, wo Krieg und Elend herrschen in Afrika, ist die Kinderzahl pro Frau über 5. Das Thema ist allerdings sehr tabu-behaftet. Man denke in diesem Zusammenhang an Erdogan: "Jede Frau soll 5 Kinder gebären"... das bringt den natürlichen Zwang zur Auswanderung...

Mo., 04.02.2019 - 09:44 Permalink
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Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 10:12

Antwort auf von Benno Kusstatscher

... wohl auch.
Aber auch: besonders auf dem Land sehen viele Afrikaner eine hohe Kinderzahl als Zeichen von Reichtum (Patriarchat). In Abwesenheit von ausreichend stabilen Sozialsystemen (Tyrannei, Korruption) gelten Kinder zudem als Absicherung für das Alter.
Es fehlen Verhütung, Anerkennung, Altersvorsorge, Bildung.
Dazu Religion (sic!), Kinderehen, Vergewaltigung...
Die Bevölkerungsentwicklung Afrikas ist eine Zeitbombe: nicht hunderttausende wollen/müssen auswandern: es werden Millionen sein, viele viele Millionen.

Mo., 04.02.2019 - 10:12 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 04.02.2019 - 12:44

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Keiner von uns kann das quantitativ beziffern. Einen Pillenknick sucht man in der demographischen Entwicklung Afrikas wohl vergebens. Für offensichtlich halte ich hingegen, dass medizinisch und somit pharmazeutische Versorgung stark katholisch geprägt war/ist, und somit moralfreier Zugang zu Verhütungsmitteln wohl eher zur Ausnahme zählt. Festzuhalten ist aber, dass wiedereinmal gutgemeinte Einmischung von europäischer Seite, die Probleme prinzipiell verstärkt und nicht gegengesteuert hat. Den Effekt kleinzureden ist noch kein Eingeständnis.

Mo., 04.02.2019 - 12:44 Permalink
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Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 10:30

Herr Kusstatscher beschreibt hier (leider) Realität:
Religiöse Führer bis hin zu Präsidenten erschweren/behindern die Kinderplanung sehr wohl in Afrika.
Auch Männer verhindern diese. Frauen würden verhüten, wenn sie könnten/dürften. Viele tun dies heimlich, nachts.

Mo., 04.02.2019 - 10:30 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 04.02.2019 - 13:20

"Selbst wenn die EU, China und die USA die CO2-Emmissionen von heute auf morgen um 90% reduzierten, würde das die konkrete Situation keines Afrikaners verbessern."

Die Karte, die Peter Gasser unter verlinkt hat, zeigt den Niger als das Land mit der größten Bevölkerungsexplosion. Ein Land an der Sahara, das schon seit Jahren unter der fortschreitenden Verwüstung (im wörtlichen Sinn) zu leiden hat. CO2-Reduktion wird kaum die Situation eines Einzelnen verbessern, aber auch nur eine leichte Erderwärmung wird in wenigen Jahren die Situation drastisch verschlechtern. Was nützen Eigentumsrecht und Rechtssicherheit, wenn Acker und Weideland versanden?

Mo., 04.02.2019 - 13:20 Permalink
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Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 13:32

Antwort auf von Benno Kusstatscher

das wird so kommen: da - vorausgesetzt, die derzeitige Klima-Theorie ist ausreichend stimmig, wobei es unerheblich ist, wie hoch der menschenverursachte Anteil ist - die Wirkung auf eine Veränderung der klimawirksamen Gase etwa 6 - 8 Jahre hinter den Massnahmen herwinkt. Das wird also auf uns zukommen. Es ist mit nichts aufzuhalten.

Mo., 04.02.2019 - 13:32 Permalink
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Karl Trojer Mo., 04.02.2019 - 15:16

Ja, für Afrika muss Europa rasch eine faire, ehrliche und zukunftsfähige Partnerschaft anbieten und umsetzen. Dass das Problem Migration auch mit Überbevölkerung, Rechts-Unsicherheit, Religionsdiktate, Geringschätzung zu tun hat, trifft wohl zu, der künftig größte Ansturm auf wohlhabendere und klimatisch sicherere Regionen dürfte aber mit dem Klimawandel zu tun haben, wenn wir diesem nicht rasch gegensteuern. Wenn´s stimmt, dass der Schiffs-Verkehr und der Flugverkehr 43% der gesamten CO2-Ausstöße verursachen, dann ist dort seitens der EU zu intervenieren. Wie ? Durch zeitlich sinnvoll getimten Zwang zu schadstoffärmen Flugzeug- und Schiffsantrieben und sperren der Häfen für alte CO2-Schlote. Die entsprechenden Transpoortkosten werden dann für uns Verbraucher zwar steigen, doch werden diese Kosten viel niedriger sein, als jene die die Zerstörung unserers Klimas zur Folge haben würde.

Mo., 04.02.2019 - 15:16 Permalink
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Peter Gasser Mo., 04.02.2019 - 15:22

Antwort auf von Karl Trojer

Ein Beispiel:
Allein die 400 (modernen) Containerschiffe, welche den Warentransport zwischen den Kontinenten gewährleisten und billigste Waren garantieren, verschmutzen die Umwelt mehr als alle weltweit betriebenen PKW‘s.
Man bräuchte also nur 400 Schiffe „umrüsten“...
... aber wer kauft ohne moralischen Druck schon alle paar Jahre ein neues Auto...?

Mo., 04.02.2019 - 15:22 Permalink