Politik | Opposition

Ein Team als Zaungast

Paul Köllensperger verfolgt die aktuellen politischen Scharmützel als Zuschauer. Was sagt er zu SVP-Lega, zur Rolle seines Teams – und zur Kandidatur für die EU-Wahlen?
Team Köllensperger im Landtag
Foto: Othmar Seehauser

In der Wahlnacht und den Tagen danach haben sich alle um ihn gerissen. Nun ist es auffällig still um Paul Köllensperger geworden. Mit 43.315 Stimmen und 15,2 Prozent war sein Team Köllensperger der große Sieger der Landtagswahlen am 21. Oktober – und wenige Wochen später der große Verlierer, als feststand: Die SVP wird die zweitstärkste Partei im Landtag nicht in die Regierung holen.
“Der Umschwung ist nur aufgeschoben”, war die letzte Ansage, die man vom Team Köllensperger am 12. November vernommen hat. Seither herrscht – von den Wuseleien der ersten Landtagssitzung abgesehen – Funkstille mit den Medien.

 

Opposition aus der Schmollecke?

Wer ihn sucht, findet Paul Köllensperger am Donnerstag Vormittag in seinem angestammten Büro im dritten Stock des Landtagsgebäudes. “Der Wahlkampf ist vorbei und wir haben mit der ganz normalen Landtagsarbeit begonnen”, erklärt der 48-Jährige sein mediales Abtauchen. Und doch hat man den Eindruck, dass Köllensperger und sein Team noch immer Wunden lecken. Anstatt sie “mitregieren” zu lassen, hat die SVP die sechs zu fünf Jahren Opposition verdonnert. Und auch wenn die “beinhart” sein wird, wie das Team angekündigt hat, scheint Paul Köllensperger die Schmollecke noch nicht ganz verlassen zu haben. Verständlich, hätte man sich doch gut in der Landesregierung gesehen. Etwa mit einem Franz Ploner als Sanitätslandesrat. “Aber man will ja nicht mit uns reden”, schiebt Köllensperger immer noch der SVP den schwarzen Peter zu. Dann lächelt er: “Ich habe den Eindruck, dass die SVP gerade eifrig dabei ist, für uns zu arbeiten.”

 

Wenn sich zwei streiten…

Er meint damit das “Theater”, das die SVP bei ihrer Suche nach einem Regierungspartner gemeinsam mit der Lega derzeit veranstalte. Dass es am Ende trotzdem zu einer Regierung SVP-Lega kommen wird, davon ist Köllensperger überzeugt. Den Wertekodex, den die Volkspartei der Lega als unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungsgesprächen vorgelegt hat (von dieser Linie ist die SVP inzwischen abgewichen), bezeichnet er als “Feigenblatt”. Mit dem sich SVP allerdings keinen Gefallen getan habe, meint Köllensperger: “Abgesehen davon, dass das eine typische Präambel für einen Regierungsvertrag ist und ich mich als Partner von der Forderung, vorab ein Bekenntnis zu den Menschenrechten abzulegen, auf den Arm genommen fühlen würde, ergeben sich gleich zwei Widersprüche. Unterschreibt die Lega diesen Kodex – in welcher Form auch immer, als eigenes Papier oder als Präambel –, liefert sie der SVP einen Grund, auch bei den EU-Wahlen mit ihr anzutreten. Unterschreibt sie nicht und die SVP geht dann das Bündnis ein, signalisiert das, dass die SVP selbst nicht an das Papier glaubt.”

Nichtsdestotrotz, das Bündnis SVP-Lega sieht Köllensperger besiegelt. “Die Lega kommt der SVP gelegen. Denn trotz aller Imageprobleme, die sie hat, erlaubt sie es, ein bestimmtes Machtsystem wie gehabt weiterzuführen ohne es in Frage zu stellen. Die Lega wird weiter ihre Wahlpropaganda betreiben, mit Themen wie Sicherheit und so weiter. Damit stößt sie sich nicht mit der Logik des Machterhalts der SVP.”

 

Der Preis der Unbequemlichkeit

“Das wahre Problem für das Machtsystem um die SVP, die immer stärker zur Bauern- und Wirtschaftspartei wird”, fährt Köllensperger fort, “sind wir und die Grünen”. Raumordnung, Landwirtschaft – unbequeme Forderungen und Positionen habe die SVP von der Lega in diesen Dingen sicher nicht zu erwarten, meint er. Dass die Grünen, aber auch sein Team es wagen (würden), als Regierungspartner in die Hoheitsgebiete der SVP vorzudringen, bezahlen sie mit dem Preis des Nichtregierens.

Umso unbequemer will Köllensperger, genauso wie die Grünen, in der Opposition sein. Eine Reihe von Anfragen und zwei Handvoll Beschlussanträge hat das Team in den zwei Wochen, die die Legislaturperiode nun alt ist, bereits vorgelegt. “Und am Montag reichen wir den ersten Gesetzentwurf ein, zu den peripheren Krankenhäusern”, verrät der Teamchef. Die Sanität ist eines der Themen, die ganz oben auf der Agenda stehen.

Zusammen mit einem weiteren, das am 21. Oktober gar einige Stimmen gebracht hat. Den Einfluss der Lobbys einschränken, das System Südtirol aufbrechen – mit diesem Versprechen war Köllensperger angetreten.
“Vereine und Wahlen” lautet der Titel einer der Beschlussanträge, die vom Team vorliegen. Damit will man das Verbot für Organisationen, Verbände und Vereine, die öffentliche Beiträge erhalten, Parteien und Kandidaten zu bewerben, wieder einführen – samt Sanktionen für Verstöße.

Dann lenkt Köllensperger das Gespräch doch wieder auf das, was sich derzeit außerhalb seiner Reihen abspielt. “Als SVP würde ich mir weniger um die Frage Sorge machen, ob und in welcher Form die vier hiesigen Lega-Vertreter dieses Papier unterzeichnen, sondern um etwas ganz anderes.” Und zwar? “Um den wirklich starken Lega-Mann in der Region, Maurizio Fugatti.” Der neue Trentiner Landeshauptmann hat bereits mehrmals verkündet, die Rolle der Region aufwerten zu wollen – eine Reform, die der SVP ein Dorn im Auge ist.

 

Schon wieder weg?

“Aber momentan schauen wir uns als Zuschauer, mit einer Tüte Popcorn in der Hand, an, was die aufführen”, meint Köllensperger achselzuckend. Die sechs Abgeordneten haben ihre Büros bezogen, die Fraktion “Team Köllensperger” ist gegründet, mit dem Namensgeber als Fraktionssprecher. Wie weit ist man mit der Umbenennung der Bewegung? Die hatte sich die neue stärkste Oppositionspartei fest vorgenommen. “Noch sind wir gar nicht dazu gekommen, darüber zu reden”, meint Köllensperger. Was hingegen sehr wohl auf den Tisch gekommen ist, ist die Frage, ob und mit wem das Team Köllensperger bei den Europawahlen im Mai antreten wird.

“Eine Kandidatur interessiert uns”, meint der Teamchef vorsichtig, “aber nicht um jeden Preis. Denn wir brauchen einen nationalen Partner, der die 4-Prozent-Hürde schafft – und viele kommen da nicht in Frage.” Lega und Forza Italia schließt Köllensperger aus. Movimento 5 Stelle? PD? Darauf will er nicht antworten. Die ehemalige PD-Abgeordnete Luisa Gnecchi hatte im salto.bz-Interview gemeint, über ein Bündnis Grüne-PD-Team Köllensperger als “neue, innovative Idee für die EU-Wahlen” gelte es “ernsthaft nachzudenken”.

“Wir werden Gespräche führen.” Mehr verrät Köllensperger an diesem Vormittag nicht. Auch nicht, ob er selbst für die EU-Wahlen kandidieren könnte. Er weiß, dass es viele seiner Wähler nicht goutieren würden, wenn er ein halbes Jahr nach seinem fulminanten Wahlerfolg nach Brüssel schielen würde. Von Paul Köllensperger wird jetzt erwartet, dass er seinen Auftrag ernst nimmt. “Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und tun das, womit uns die Wählerinnen und Wähler beauftragt haben, versichert er am Donnerstag Nachmittag auf Facebook. Ein virtuelles Lebenszeichen ist eben besser als keines.

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Richter Peter Fr., 30.11.2018 - 11:17

Es wird eine harte Opposition brauchen gegen die Lobby-Regierung SVP-Lega, die rein zum Machterhalt und Postenschacher dient. Mit einer Regierung SVP-Lega haben viele einflussreiche Dorfkaiser, Baulöwen, Wirtschaftsvertreter und Profiteure von Mauscheleien nichts zu befürchten. Und das ist ein großes Problem für das Land!!

Fr., 30.11.2018 - 11:17 Permalink
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Christian Mair Fr., 30.11.2018 - 16:06

Dss Team Köllensperger könnte das neue direkte Demokratie Gesetz nutzen, um einige Volksbegehren zu lancieren:

- Simulation BBT und Machbarkeitsstudie Integration Pustertalbahn in den BBT: Wo? Brixen oder Franzensfeste? u.ä.
- Gemeindereform: Abschaffung der Bezirke und Reduktion der Gemeinden auf 25 (1 Gemeinde a 20.000 Einwohner)
- Zusammenschluss von Logistik, Personalabrechnung, Verwaltung Sanität in eine euregionale Struktur soie Innsbruck als zuständige Universität als Rumpf der Gesunheitseuregio https://www.gesundheitsregion-euregio.eu/de/
- Wahlreform: Jede Partei bringt bei den Landtagswahlen einen Gesetzesvorschlag zur Volksabstimmung
- Euregio Ticket Tirol: ein öffentliches Ticket für alle Länder inklusive Vergünstigungen öffentliche Bäder, Skikarten u.ä.
- kapitalgesicherte Euregiorente Tirol für Genossenschaften, Stiftungen, Anleihen mit Gemeinwohlprüfung
- Umsetzung der besten Ideen des Autonomiekonvents http://www.allourideas.org/autonomiekonvent-consulta/results
....

Fr., 30.11.2018 - 16:06 Permalink
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Christian Mair So., 02.12.2018 - 15:43

Antwort auf von Benno Kusstatscher

@Benno:
Die Digitalisierung wird auch vor den lokalen Verwaltungsstrukturen, ob dies nun Provinz, Gemeinde oder Bezirk ist nicht Halt machen. Meiner Meinung nach ist gerade der Bezirk nicht demokratisch legitimiert und gehört deshalb zugunsten von starken Gemeinden aufgelöst. Diese Ebene sollte zivilgesellschaftliches Engagement und soziales Unternehmertum freilegen. Ein Beispiel: https://www.dorfgemeinschaft20.de/

Die eingesparten Potentiale muss man dann konsequent in Bildung, Prävention und Gesundheit investieren und zwar vor Ort.

Was ist genau Dein Einwand? Ziel sollte nicht unbedingt eine bessere Welt/Provinz/Dorf sein, sondern sinnvoll eingesetzte Ressourcen. Oder nicht?

So., 02.12.2018 - 15:43 Permalink
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Christian Mair Fr., 30.11.2018 - 18:45

Team Köllensperger könnte der regionale Ableger von Diem25 sein. Sozial und libertär und von Grünen, PD, Linke, Südtiroler Freiheit und Teilen der SVP unterstützt werden.
#diem25 tritt in Deutschlandzur Europawahl mit Yanis Varoufakis an. https://diem25.org/deineuropa_2019/

Als eine Forderung könnte die Wahl von transnationalen KAndidaten eingebracht werden.
Welche Themen gehören Deiner MEinung nach Oliver in den Europa Wahlkampf?

Fr., 30.11.2018 - 18:45 Permalink
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Joe Meola Sa., 01.12.2018 - 09:50

Wohltuend, dass sich das TK nicht nach vorne drängt. Damit grenzen sie sich gut ab zum politischen Amoklauf der Grünen in den letzten Wochen, dem herumgeeiere der SVP und den ferngesteuerten Leghisten.
Wohl auch mit ein Grund, warum das TK so viel Wählerzuspruch erhalten hat!

Sa., 01.12.2018 - 09:50 Permalink