Gesellschaft | Medien

“Dient der Wahrheit!”

Um Fake News, den Umgangston im Netz, den Auftrag von Journalisten in Zeiten von Internet und Social Media geht es Bischof Muser beim heurigen Medienempfang.
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Foto: Pixabay

Mahnende Worte an die versammelten Journalisten, aber nicht nur, gab es von Bischof Ivo Muser am Donnerstag Vormittag im Pastoralzentrum. Am 24. Jänner wird dem Heiligen Franz von Sales gedacht, dem Patron der Journalisten – seine heurige Ansprache an die Medienschaffenden des Landes stellte Bischof Muser unter die Schlagworte “Wahrheit” und “soziale Kommunikationsmittel”:

“Franz von Sales (…) war ein Mann des offenen Wortes. Er scheute sich nicht, Missstände in Politik, Kirche und Gesellschaft offen beim Namen zu nennen. Ihm war klar: Um die Sünde auszumerzen, darf sie nicht vertuscht, sondern muss angesprochen und kritisiert werden, ohne jedoch dem Sünder seine Würde abzusprechen. Was ihn besonders auszeichnet, ist sein Respekt gegenüber Andersdenkenden. Und das war im polemischen Kontext der konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. und 17.Jahrhunderts, in dem er lebte, alles andere als selbstverständlich. Seine Devise war: ‘Behandle die Sünde scharf, den Sünder aber milde.’ Am Tag Ihres Patrons möchte ich jetzt diese Gedanken mit Ihnen allen teilen.

(…)
Angesichts mancher vorherrschender Trends in den so genannten sozialen Netzwerken gilt es, die mediale Interaktion wieder stärker als Dialog und Gelegenheit der Begegnung zu verstehen. Es gilt, Community nicht mit Gemeinschaft zu verwechseln. In einer Gemeinschaft werden Inhalte geteilt, es wird am Zusammensein gearbeitet und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt gestellt. Gerade deshalb muss der Einsatz in den Social Media Beziehungen gelten, die auf dem Zuhören aufbauen, auf Dialog und Verantwortung für die verwendete Sprache.

Das Landesstatistikinstitut ASTAT hat 2018 erhoben, dass in Südtirol jeder zweite Internetuser soziale Netzwerke nutzt, also etwa Facebook, Twitter, Youtube oder Instagram. Diese digitalen Marktplätze sind als Gesprächsplattformen entwickelt worden, als Plattformen, die es uns ermöglichen, mit unseren Freunden in Kontakt zu bleiben. Leider verwandeln sie sich heute immer mehr in die einzige Informationsquelle der Nutzer – mit dem Risiko, die Welt auf Slogans zu reduzieren.

All jene, denen die Mittel fehlen, um sich dagegen zu wehren, riskieren nun, nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können. So werden Nachrichten verbreitet, die nicht wahr sind, und nur solche konsumiert, die man lesen oder hören will. Statt des Dialogs geht es um Konfrontation – mit drei drastischen Folgen: Diskussionen werden im Keim erstickt; Das Vulgäre siegt; Menschen, die sich nicht aufs Schreien verstehen, bleiben außen vor.

In die neuen Medien einzutauchen, vermittelt ein Gefühl der Intensität, worum es aber wirklich geht, ist die Gemeinschaftserfahrung. Auch wenn wir in der Zeit der ‘likes’ leben, des ‘Gefällt mir’ oder des ‘Gefällt mir nicht’, sind für eine Gemeinschaft doch Nachdenken und eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Themen und Menschen notwendig. Nur sie helfen, neue Beziehungen zu schaffen.

Das Problem der Wahrheit und ihrer Beziehung zur Information ist zu einem der zentralen in der heutigen Welt geworden. Einer Welt, in der Nachrichten über unterschiedlichste Kanäle verbreitet werden. Deshalb wünsche ich den Journalisten, dass
    •    sie sich nie mit dem zufrieden geben, was den Anschein von Wahrheit hat,
    •    sie sich weiter dafür einsetzen, nicht nur richtige von falschen Nachrichten zu scheiden, sondern auch wichtige Informationen von solchen, mit denen nur Einzelinteressen bedient werden,
    •    sie nie ihre besondere Verantwortung vergessen und offen sind für die
Good News, die guten Nachrichten,
    •    sie in diesen guten Nachrichten besonders auf jene in der Gesellschaft achten, die keine Stimme haben und daher von den jungen Menschen oft nicht wahrgenommen werden. Deren Geschichten müssen erzählt, über deren Bedürfnisse, Träume und Hoffnungen muss berichtet werden.
    •    sie weiter ihren Beitrag zu einem gelungenen Zusammenleben leisten, zu einer Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Muttersprache.

Gut zu kommunizieren hat wenig damit zu tun, effizient zu kommunizieren. Eine gute Kommunikation trägt zum Zusammenleben bei und dazu, dass aus einer Community eine Gemeinschaft wird. Das muss als User des Internets unser aller Ziel sein.

Dabei müssen sich die Inhalte unserer Kommunikation stets an drei Grundwerten ausrichten: Am Respekt vor dem Menschen (was Hass, Intoleranz und Herabwürdigung ausschließt); am Dialog (als ehrliche Suche nach der Wahrheit); an der Begegnung (als Aufeinander-zu-gehen, das immer ein Geben und Nehmen ist).

(…)
Die Gesellschaft braucht guten, professionellen Journalismus dringender als je zuvor, weil im digitalen Zeitalter mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten eine Flut von Informationen auf die Menschen losgelassen wird. Es braucht eine wertorientierte Auswahl, Bewertung der Fakten, und es braucht Zusammenhänge, die Orientierung geben. Das Internet vermehrt das Wissen wie nie zuvor in der Geschichte. Das weltweite Netz geht in die Breite; laufend wird Masse produziert. Qualitätsjournalismus hat einen anderen Zugang zu den Dingen und Ereignissen; er geht in die Tiefe.

Franz von Sales, der Patron eines guten, gründlichen und menschengerechten Journalismus, helfe Ihnen und uns allen, in Wort, Bild, Stil und Ton der Wahrheit und damit dem Menschen zu dienen.”

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Hartmuth Staffler Do., 24.01.2019 - 18:40

Der Bischof feiert jedes Jahr am 21. November eine Gedenkmesse für die in Abessinien gefallenen faschistischen Schwarzhemden-Milizen und Carabinieri. Im Sinne eines guten, gründlichen und menschengerechten Journalismus sollte man vielleicht einmal darauf hinweisen, dass die Gefallenen, für die der Bischof betet, vor ihrem Tod unzählige Abessinier mit Giftgas und Massenerschießungen umgebracht haben. Warum hat kein Südtiroler Journalist den Mut, im Sinne der Lehre des hl. Franziskus darauf hinzuweisen?

Do., 24.01.2019 - 18:40 Permalink