Wirtschaft | Polemik

Komplizen der Ausbeuter - die Ökonomen

Die Ökonomen sind die Sterndeuter des 21. Jahrhunderts
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

In einem Beitrag auf Facebook habe ich jüngst Kritik an den Aussagen des Ökonomen Prof. Schubert im Mittagsmagazin von RAI Südtirol am 7. Februar geübt und habe mich inzwischen intensiv gefragt, was mich dabei so geärgert hat, dass ich zuerst von Geschwafel sprach und es dann auf Gerede zurückstufte, um dem Diskurs die Spitze zu nehmen.

Was erwarten Sie sich von einem Arzt? Ich denke, wir stimmen darin überein, dass er Krankheiten bekämpft und nicht (nur) Symptome. Dasselbe erwarte ich mir auch von Wirtschaftswissenschaftlern.

Doch was machen sie? Sie fordern im Auftrag ihrer Sponsoren aus dem neoliberalen Machtklüngel die Anwendung von Rezepten, von denen wir ganz genau wissen, dass sie – wenn überhaupt! – höchstens ein paar Symptome bekämpfen und in erster Linie dazu dienen, die wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu stärken, die unseren Planeten gerade krachend an die Wand fahren.

Abgesehen davon frage ich mich schon, ob die Wirtschaftswissenschaften tatsächlich Wissenschaften im engeren Sinn sind oder nicht nur ein mathematisch abgesicherter aber weitgehend sinn- und zweckfreier Elfenbeinturm, der von abgebrühten Profiteuren unseres aktuellen System mit einer schönen Fassade ausgestattet wird. Denn auch noch so komplexe Modelle und bedeutungschwangere Formeln und Theoreme haben einen Aussagewert gegen Null, wenn die zugrunde liegenden Annahmen zu simpel und/oder ganz einfach falsch sind.

Unser Planet sieht sich heute vor vielen Herausforderungen, die die Lebensqualität und sogar den Fortbestand der Menschheit auf vielfältige Weise bedrohen.

  • Der Anteil menschlichen Handelns am Klimawandel wird nur mehr von Geistesgestörten oder Korrumpierten geleugnet.
  • Die Umverteilung des Reichtums in den verschiedenen Volkswirtschaften und global führt zu einer immer obszöneren Konzentration von wirtschaftlicher Macht bei wenigen.
  • Die digitale Revolution schreitet voran und schafft neue und sehr mächtige Player, die unsere Daten abgreifen und herausfinden wollen, wie sie damit unser Verhalten nutzen und auch beeinflussen können.
  • Gleichzeitig verschwinden damit hohe Anteile der bisherigen Beschäftigungsgründe und damit auch die Grundlage für unsere Steuersysteme.
  • Die atemberaubenden Profite in der Finanzwirtschaft, die zu einem guten Teil auf schlichtem Diebstahl aufbauen, werden nicht oder kaum besteuert.
  • Die Kreativität und auch die Kumpanei zwischen Wirtschaftsfürsten und Politik bei der Organisation der Steuerhinterziehung kennen keine Grenzen.
  • Gerissene Wirtschaftshelden entziehen den europäischen Staaten atemberaubend hohe Geldbeträge in der Größenordnung von 70-80 Milliarden Euro mit CUM CUM/CUM EX-Geschäften und die Regierungen schauen zu.
  • Aus der Krise von Banken, die durch gerissene Abzocke beim größten Raubzug der Geschichte entstanden ist und die wenige Wirtschaftshelden obszön reich gemacht hat, wird über die „Bankenrettung“ eine Staatsschuldenkrise, die von Ökonomen dann plötzlich als Wurzel allen Übels betrachtet wird.
  • Der Verbrauch an Ressourcen führt zu einem berechenbaren Kollaps und zu grausamen Verteilungskriegen, die gleichzeitig die Standards des internationalen Rechts aushöhlen und zu einer neuen Form von Faustrecht führen – und das alles vor dem Hintergund eines Neo-Feudalismus, der Recht, Gesetz und Humanismus zu Hilfswissenschaften modernen Ausbeutertums degradiert.
  • Goldman Sachs, der Gralshüter des modernen Raubtierkapitalismus, hat die griechischen Bilanzen manipuliert, um das Land eurofit zu machen und dann gegen Griechenland spekuliert und den Griechen Tricksereien vorgeworfen.
  • Eingriffe staatlicher Stellen und zaghafte Regulierungsversuche, die die Raubzüge unterbinden sollen, werden durch die Gründung vollkommen unregulierter und immens mächtiger so genannten „Schattenbanken“ unterlaufen.
  • Und, und, und …

Überall an vorderster Front dabei: Ökonomen, die sich immer dann aus der Verantwortung stehlen, wenn sie mit den Grenzen ihrer eigenen „Wissenschaft“ und den verheerenden Auswirkungen ihrer Glaubenssätze konfrontiert werden. Dann ist die Politik schuld, die Grünen, Roten, Konsumenten, Populisten, der Handelskrieg, die Märkte, die Stimmung, das Wetter, die Sprünge des scheuen Rehleins, der Wellengang des Meeres, die Sonnenflecken, der Kaffeesatz oder was sonst noch alles bemüht wird, um das Versagen dieser interessengesteuerten Quaksalberei wegzulügen.

Die Ökonomen sind die Sterndeuter des 21. Jahrhunderts, die sich die Wirtschaftsfürsten in ihrem Hofstaat halten, um den günstigen Moment für einen weiteren Raubzug zu erkennen. Sie werden mitgefüttert, solange sie die Sterne richtig deuten. Wenn sie das nicht mehr im Sinne ihrer Auftraggeber tun, versiegen die wundertätigen Drittmittel, die die Herren der Welt steuerschonend an die nächsten Generationen von Sterndeutern verteilen und ohne die heute kein Ökonom mehr in die erste Sterndeuter-Reihe aufrücken kann.

Und dann tritt so ein Sterndeuter vor die Mikrofone von RAI Südtirol und soll als „Doktor Wirtschaft“ den Patienten Italien heilen?

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Hannes Müller So., 10.02.2019 - 09:44

Schon lustig was manche sich erlauben, vor allem bei der Passage "Abgesehen davon frage ich mich schon, ob die Wirtschaftswissenschaften tatsächlich Wissenschaften im engeren Sinn sind oder nicht nur ein mathematisch abgesicherter aber weitgehend sinn- und zweckfreier Elfenbeinturm" stellt es einem die Haare zu Kopf.
Betrachtet man die folgenden aufgeführten Herausforderung kann man nur noch lachen.
Woher wissen Sie, dass die Profite der Finanzwirtschaft hauptsächlich auf Diebstahl basiert? Irgendwelche empirischen Daten oder Quellen??
Viele der anderen Herausforderung sind mehr Panikmache und Verschwörungstheorien als sonst was..
Sie sollten mal darüber nachdenken, wie weit wir gekommen sind und welche Privilegien wir dank des wirtschaftlichen Aufschwungs genießen dürfen. Ein Beispiel: Der untersten Bevölkerungsschicht geht es heute besser als den Adligen vor noch 500 Jahren. (Heizung, Tomaten im Winter, fließendes Wasser usw.) Aber mit unfundierter Panikmache generiert man anscheinend mehr Klicks. traurig

So., 10.02.2019 - 09:44 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Mo., 11.02.2019 - 14:57

Antwort auf von Hannes Müller

"Sie sollten mal darüber nachdenken, wie weit wir gekommen sind".
Definieren Sie bitte, was "WIR" bedeutet.
Steht das "WIR" für Südtiroler, für Italiener, für Europäer, für die ganze Menschheit?
Steht "WIR" für den Niedriglohnsektor, für prekäre Arbeitsverhältnisse, für 1 Euro-Jobber?

Und was hat das "weit gekommen sein" für "Nebenwirkungen" ?

Mo., 11.02.2019 - 14:57 Permalink
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Markus Lobis Mo., 11.02.2019 - 09:43

Verehrter Herr Müller, es würde mich sehr interessieren, was genau Panikmache und Verschwörungstheorie ist. Ich halte nichts von der Verschwörungstheorie-Keule, die immer dann ausgepackt wird, wenn die Kritik langsam unangenehm wird.

So wurde auch den TTIP-Gegner vorgeworfen, sie seien Verschwörungstheorien aufgesessen. Nun frage ich aber Sie, der Sie ein wackerer Systemverteidiger zu sein scheinen: Was ist das, wenn 300 Gesalbte an einem geheimen Ort in geheimer Sitzung tagen, um die Spielregeln für einen wichtigen Teil der künftigen Wirtschaftsordnung auszuhandeln und ich als Bürger nichts davon wissen darf, bzw. eine öffentliche Debatte verunmöglicht wird, obwohl die Festlegungen uns alle betreffen?

Na, was ist das? Klingelt's?

Mo., 11.02.2019 - 09:43 Permalink
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Markus Lobis Mo., 11.02.2019 - 09:44

Noch was, Herr Müller: An wen muss ich meines Dankesadresse für die Tomaten im Winter richten? Wer sorgt für kuschelige Wärme im Stübchen? Wem verdanken wir den Segen fließenden Wassers?

Mo., 11.02.2019 - 09:44 Permalink
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Hannes Müller Mo., 11.02.2019 - 10:32

Antwort auf von Markus Lobis

Was genau zum hohen techn. Fortschritt geführt hat, welcher für den höheren Lebensstandard in Europa und zum Ausbruch aus der malthusianischen Falle geführt hat kann niemand genau sagen. Aber ganz sicher spielen die guten Institutionen in Europa eine entscheidende Rolle.
Aber man beklagt sich lieber über das böse System und schreibt zugleich am Smartphone und fährt mit dem Auto einkaufen..
Was haben "300 gesalbte" mit Ökonomen zu tun? Wirtschaftsforschung erstreckt sich über extrem viel Bereiche, das was Sie hier meinen hat damit wenig bis nichts zu tun.

Mo., 11.02.2019 - 10:32 Permalink
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Markus Lobis Mo., 11.02.2019 - 10:41

Antwort auf von Hannes Müller

Wie Sie bei genauerer Lektüre meines Beitrags feststellen können, richtet sich meine Kritik nicht gegen die europäischen Institutionen oder gegen die Überwindung Malthusens fatalistischer Drohbotschaft sondern gegen die Kaste der Ökonomen, die für mich unter hohem Prostitutionsverdacht stehen.

Unter den 300 Gesalbten - die Zahl 300 hat hier rein exemplifizierenden Charakter - die mit dem Aushandeln der TTIP-Schweinereien beschäftigt waren/sind, befindet sich höchtswahrscheinlich eine hohe Anzahl von Sterndeutern des 21. Jahrhunderts. Wahrscheinlich, denn nix Genaues weiß man nicht bei der TTIP-Verschwörer-Truppe.

Mo., 11.02.2019 - 10:41 Permalink