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Ein Militär für die EU?

Bei der Münchener Sicherheitskonferenz lobten Angela Merkel und Federica Mogherini die Verteidigungspolitik der EU. Wie die aussieht und was Donald Trump damit zu tun hat
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Im politikwissenschaftlichen Fachjargon wird die Europäische Union als das Paradebeispiel für einen internationalen soft-power bezeichnet. Eine sanfte Macht, sozusagen. Sie steht in Kontrast zu den sogenannten hard-powers, wie etwa die USA oder Russland. Wo im Krisenfall ein typischer hard-power eher mit militärischen Mitteln eingreift, setzt ein soft-power auf Diplomatie, Verhandlungen und wirtschaftliche Anreize oder Sanktionen. Wenn die Welt also eine Familie wäre, so verkörperte Russland das strenge Elternteil, das dem unartigen Kind Hausarrest verordnen würde, die EU hingegen würde erstmal damit sprechen, ihm die Morallosigkeit seiner Handlung erklären, und es mit einer Warnung beim ersten Mal davonkommen lassen. Doch wie Kinder nun mal so sind, geschieht es dadurch häufig, dass sie sich beim netten Papa frecher verhalten, wie bei der strengeren Mama, und sei die Geschlechteraufteilung auch umgekehrt. Daher ist Hausarrest manchmal nötig.

So sieht es auch die EU, und gründete deshalb im letzten Jahr PESCO, eine Struktur für militärische Zusammenarbeit, zu der sich 25 EU-Mitglieder vertraglich bekannten. Sie besteht aus gemeinschaftlichen Initiativen und rechtlichen Verpflichtungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung. Dazu gehören die Harmonisierung der nationalen Verteidigungsplanungen, Entwicklung neuer Waffensysteme, und der Ausbau der Kommandozentrale für gemeinsame Missionen, wie etwa jene im Mittelmeer zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität. Das Ziel von PESCO: eine gemeinsame Verteidigungsunion aufzubauen. Außerdem verfügt die EU über einen gemeinsamen Verteidigungsfond, in den die Mitglieder einzahlen. Auch der soll laut PESCO erhöht werden. Die Vision einer europäischen Armee ist davon nicht mehr weit entfernt. Diese Idee stand zwar schon länger im Raum, konkret wurde sie aber erst letztes Jahr. Denn es war das Jahr von Donald Trump.

Seit Ende des Kalten Krieges verlässt sich Europa auf den Schutz der USA und der NATO. Mit dem neuen, unberechenbaren amerikanischen Präsidenten, der sich häufig NATO-kritisch äußerte, fühlen sich die Europäischen Staaten weniger sicher. Trump war also mitunter das Zünglein an der Waage zu mehr Kooperation in der Verteidigung. Wenn man die Militärhaushalte aller Mitgliedsländer vereint, so kommt man auf den zweitgrößten Verteidigungshaushalt weltweit: 200 Milliarden Euro jährlich geben die Mitgliedstaaten aus. Würden 27 getrennte Militärstrukturen auf eine einheitliche zusammengelegt, könnten Verdoppelungen vermieden werden, was den Ländern erhebliche Summen ersparen würde. Außerdem käme es zum Wissensaustausch, Spezialisierung einzelner Länder und dadurch höhere Kompetenzen. Und legt man die einzelnen Armeen zusammen, so verfügte die EU gemeinsam über das drittgrößte Militär weltweit. Die Union wäre somit bald Teil des hard-power Clubs. „Aber was ist dann mit der NATO?“, werden sich jetzt manche fragen. Genau diese Frage scheint viele zu beunruhigen, wie aus der Münchener Sicherheitskonferenz am letzten Wochenende hervorging.

Das jährlich in der bayerischen Hauptstadt ausgetragene Event ist die weltweit wichtigste Konferenz zur internationalen Sicherheit und Bühne für entscheidende Persönlichkeiten. So traten an diesem Wochenende auf der Konferenz der NATO-Sekretär Jens Stoltenberg auf, genauso wie der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi. Am Samstag hielt US-Vize Präsident Mike Pence seine Rede, kurz vor dem russischen Außenminister Sergey Lavrov. Auf ihn folge Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Rede, die ihr Standing Ovations im Saal einbrachte. Und natürlich fehlte auch die Hohe Vertreterin der EU für Außen-und Sicherheitspolitik Federica Mogherini nicht.

Mogherini ließ in ihrer Rede deutlich durchsickern, wie weit die Europäische Kooperation im letzten Jahr in der Verteidigung gestärkt wurde. Viel Lob erntete die Bereitschaft der Staaten, diesen Politikbereich gemeinschaftlich zu gestalten. Nur vereint könne die EU zu einer Großmacht werden – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch, betonte die Hohe Repräsentantin der EU in ihrer Rede. Mit Hinblick auf die NATO wurde sie dann doch wieder vorsichtiger und versicherte, eine europäische Verteidigung sei niemals ein Ersatz der NATO. Die NATO bleibe der Grundpfeiler der europäischen Sicherheit. Dieses Bekenntnis von Treue und Hingabe an die NATO wirkte wie ein kleinlauter Rückzug, der nach anfänglichem Größenwahn folgt. Wie das Kind der Familie, wenn es aufmüpfig wird: Ich mag das nicht essen, ich mache was ich will, ich kann auch ohne dich! Doch ein Blick der strengen Mutter reicht, dass es am Ende noch einlenkt: Aber du bist schon doch die beste Köchin der Welt, Mama, also bitte ernähre mich weiter. In diesem Geiste fielen von weiteren Vertretern Europas, sobald über eine europäische Verteidigungsstruktur gesprochen wurde, Worte wie „Bekenntnis zur NATO“, „strategische Partner“ und „Vermeidung von Doppelstrukturen“. Es scheint wie ein Widerspruch, und man versteht nicht ganz, was Mogherini mit „kooperativer Autonomie“ meint. Eine eigene Verteidigung – ja, aber so weit, dass sie den USA nicht im Weg steht.

Die EU wird öfter als Marionette der USA, die an der Spitze der NATO steht, kritisiert. Einer der Kritiker saß im Publikum und stellte in der Diskussionsrunde die Frage, ob die EU nicht nach der Nase der USA tanze, auf diese angewiesen sei und somit auf der internationalen Bühne keine wirkliche Rolle spiele. Er bezog sich auf das Nuklearabkommen mit dem Iran, das einige EU-Staaten jahrelang mit-verhandelt hatten, und das im letzten Jahr von der Trump-Regierung einseitig aufgekündigt worden war, wodurch die USA wieder Sanktionen gegen den Iran verhängen konnte. Die EU hält aber weiterhin einstimmig an dem Abkommen fest und gründete eine Zweckgesellschaft, durch die Sanktionen umgangen werden, und Geschäfte mit dem Iran weiterhin abgeschlossen werden können. Mogherini konterte dem Kritiker mit einer Gegenfrage: „Glauben Sie, dass der Iran-Deal, ohne die Europäische Union, heute noch stehen würde?“ Das Schweigen, das darauffolgte, sagte mehr als tausend Worte.

Zusammenarbeit in der Integration, einem gemeinsamen Sozialstaat, dem Klimaschutz – solche Themen kommen in diesen Zeiten nicht sehr gut an, damit lassen sich wenig Wählerstimmen gewinnen.

Auch Merkel ließ eine positive Vision durchsickern, als sie auf die Frage der Zukunft der Union das Vorzeigebeispiel PESCO pries. Die Fortschritte in der gemeinsamen Verteidigung seien das „sichtbarste Ergebnis der Fortentwicklung der europäischen Gemeinschaft“. Der Brexit wurde mit einem Handwisch beiseite gekehrt. Eine fehlende Koordination in der Flüchtlings- und Integrationspolitik verschwiegen. Stattdessen schien es so, als wollten die Vertreter Europas der Öffentlichkeit sagen: Die europäische Integration steckt nicht in der Krise. Brexit, Migration, Populismus – ja ok. ABER! Seht her, immerhin sind wir dabei, eine gemeinsame europäische Drohne zu bauen! Und ein europäisches Militär rückt ebenso näher. Schaut nicht auf die Flüchtlinge und auf Brexit, schaut auf PESCO!

Zusammenarbeit in der Integration, einem gemeinsamen Sozialstaat, dem Klimaschutz – solche Themen kommen in diesen Zeiten nicht sehr gut an, damit lassen sich wenig Wählerstimmen gewinnen. Zu komplex die Details darüber, zu weit auseinander liegen die Meinungen der einzelnen EU Staaten. Was der Wähler nun will, ist Sicherheit. Es scheint, als würden Normen und Werte der EU zugunsten militärischer Stärke an zweiter Stelle versetzt. Die EU-Vertreter auf der Münchener Sicherheitskonferenz betonten zwar die positiven Auswirkungen einer gemeinsamen Verteidigungsunion auf das Integrationsprojekt. Durch die Kooperation in Sicherheit und Verteidigung würde der kulturelle Austausch gestärkt, eine allgemeine Zusammenarbeit gefördert, die auf andere Bereiche überschwappen könne. Allerdings wirkt PESCO wie ein Vorzeige- und Schutzschild gleichzeitig, um von den anderen, ungelösten Baustellen der EU Integration abzulenken.

Die Vision einer europäischen Armee nicht mehr weit entfernt. Diese Idee stand zwar schon länger im Raum, konkret wurde sie aber erst letztes Jahr. Denn es war das Jahr von Donald Trump.

Wird die EU also bald ein eigenes Militär haben? Gut möglich, es wurden aber noch keine konkreten Aussagen über eine europäische Armee gemacht. Allerdings, die EU-Staaten haben es in ihrem Friedensprojekt geschafft, keinen Krieg mehr untereinander zu führen. Warum sollten sie es also nicht auch schaffen, Kriegsmaterial und -Instrumente zu vereinheitlichen um gegen äußere Feinde gerüstet zu sein? Jetzt wo es keinen inneren Feind mehr gibt. Gegen irgendwen muss man ja kämpfen.

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Benno Kusstatscher Di., 19.02.2019 - 15:08

Ich hätte wetten können, dass so ein Kommentar von Dir kommt. Können wir uns etwa nicht an die Draken erinnern, und dass kleine Länder wie Österreich von den Rüstungskonzernen nur ausgelacht werden? Oder an die militärische Unentschlossenheit Europas, im zerfallenden Jugoslawien frühzeitig, Menschenleben rettend einzugreifen? Oder die schlichte Unfähigkeit, im Syrienkrieg speziell den Kurden gegenüber, eine würdige, europäische Position einzunehmen? Oder wie in Libyen einzelne, militärisch starke, europäische Nationen ihr Ding durchgezogen hatten? Oder wie die deutsche Position im zweiten Irakkrieg von den USA einfach nur ausgelacht wurde?

Natürlich weißt Du davon wenigstens vom Hörensagen. Natürlich weißt Du auch vom Schwur, den vor 1983 geborene Südtiroler der italienischen Nation geleistet hatten, der implizierte, im Ernstfall in Winnebach auch auf Osttiroler zu schießen. Natürlich weißt Du auch, dass die USA Aufstockung der Rüstungsausgaben auf 2% fordern und dass bei Abkehr vom Natobündnis noch viel mehr erforderlich wäre. Was liegt da naheliegender, als erst einmal die europäischen Strukturen zu straffen, Synergien zu nutzen, im Einkauf von Rüstungsgütern Mengenrabatte zu erhalten, gemeinsam zu forschen und zu entwickeln?

Was gibt es für eine schönere Vorstellung als zu wissen, dass es die zwei nationalen Armeen, die sich eines Tages am Brenner unverhofft gegenüberstehen könnten, dass es die zwei Armeen in der Form gar nicht mehr gibt? Du kannst natürlich gerne mit Schützen und Burschenschaftlern den Berg Isel verteidigen, mit Deiner "subsidiären Guerilla-Taktik", oder Du kannst endlich den Nationalisten aus Dir herausprügeln, wenn Du schon keiner sein willst.

Di., 19.02.2019 - 15:08 Permalink
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Karl Trojer Di., 19.02.2019 - 17:45

Gemeinschaft macht stark, das beweisen die friedlichen Ameisen und Schwärme von Vöglen... Beide obigen Kommentare bieten, aus verschiedenen Sichtweisen, interessante Lösungsansätze. Da die Mitgliedsstaaten der EU, gemäß obigem Bericht, bereits an die 200Mrd € an Militärhaushalt stemmen und die Heere zusammen die drittgrößte Militärmacht darstellen, liegt es nahe, das Gemeinsame wieterzuentwickeln und auf Eigenständigkeit auszurichten. Die Nato muß dafür kein Hindernis sein, sie würde damit an Effizienz nur dazugewinnen, allerdings muß die EU sich auf Augenhöhe zu anderen Partnern anheben. Trainings im Guerriliakrieg gegen potentielle Besetzer, finde ich sehr sinnvoll, weil Guerrillieros zielgenau einsetzbar und schlecht ergreifbar sind. Gemeinsame Normierung der Waffensysteme und aufeinander abgestimmte Einkäufe wirken kostensparend und steigern die Effizienz der einzelnen Heere. Es müsste allerdings vorab vereinbart werden, dass im Ernstfall, ein gemeinsames EU-Oberkommando wirken kann..

Di., 19.02.2019 - 17:45 Permalink