Politik | Wahlrecht

Das geheime Zusatzabkommen

In den Regierungsverhandlungen mit der Lega will die SVP auch eine Änderung des Wahlgesetzes festschreiben. Es soll eine Sperrklausel von 4 Prozent eingeführt werden.
SVP-Lega
Foto: salto
Die beteiligten Personen wissen, wie brisant das Vorhaben ist. 
Deshalb läuft es auch unter dem Titel „Zusatzabkommen“.
Wie diskret man mit dem politischen Vorhaben umgeht, zeigt sich in den schriftlichen Unterlagen. Im Entwurf zum Koalitionsabkommen, der derzeit zwischen der SVP- und der Lega-Delegation hin und hergereicht wird, ist das Ganze nur stichwortartig festgehalten. „Änderung Wahlgesetz – 4 Prozent Sperrklausel“, heißt es dort im Telegrammstil.
Dabei ist in den wenigen Worten eine politische Bombe enthalten, die gleich doppelt zünden soll.
 

Die Landtagswahlen


Seit langen denkt die SVP über eine Hürde bei den Landtagswahlen nach. Man will damit zum einen die Zersplitterung der Wählerstimmen vermeiden und zum anderen dem Wildwuchs der Ein-Mann- oder Ein-Frau-Parteien im Landtag Einhalt gebieten. Es soll vermieden werden, dass jemand mit ein paar Tausend Stimmen ein Restmandat schafft. Der angenehme Nebeneffekt: Die großen Parteien erhalten mehr Sitze im Landtag.
Schon einmal hat man in Südtirol einen solchen Vorstoß gemacht. In den 1990-er Jahren führte man das Vollmandat ein. Damals rekurrierten die Ladins von Carlo Willeit vor dem Verfassungsgericht und bekamen Recht. Eine solche Hürde benachteilige die Ladiner, weil sie allein durch ihre Stärke als Sprachgruppe es kaum schaffen, einen eigenen Vertreter in den Landtag zu entsenden. Aus diesem Grund kippte das Verfassungsgericht die Hürde.
 
Inzwischen ist aber klar: Nach der letzten Verfassungsreform wären eine Prozenthürde oder auch das Vollmandat durchaus möglich. Die Voraussetzung: Die Sperrklausel gilt für eine rein ladinische Liste nicht. Zusammen mit den inzwischen bestehenden Schutzbestimmungen im Landtagswahlgesetz für die ladinischen Kandidaten wäre eine solche Sperrklausel somit möglich.
 

Die Verhandlungen

 
Die SVP hat jetzt in den Koalitionsverhandlungen bewusst die Latte hochlegt. Und eine 4-Prozent-Hürde vorgegeben. Rechnet man diese Sperrklausel auf die Landtagswahlen vom Oktober um, würden im Landtag nur mehr sechs statt neun Parteien sitzen. 
Weil eine solche Wahlhürde aber zwingend die kleinen Parteien zusammenrücken lässt, dürften es mit einer 4-Prozent-Hürde sieben oder acht Parteien in den Landtag schaffen.
Eine zwingende Folge einer solchen Bestimmung wäre ein Zusammenrücken der italienischen Parteien und Wählerschaft. Genau das aber trifft auch den Nerv der Lega, die sich als neue Sammelpartei der Italiener in Südtirol etablieren will.
Die 4-Prozent sind dabei hoch angesetzt. „Wir können uns am Ende für den Landtag aber auch auf das Vollmandat einigen“, sagt einer der Verhandler. Das wären rund 2,8 Prozent.
Dass man ausgerechnet 4 Prozent in den Entwurf schreibt, hat aber einen konkreten Grund.
 

Das Problem Bozen

 
Vor allem in den großen Südtiroler Städten wird durch die Zersplitterung der Wählerstimmen die Regierbarkeit immer mehr in Frage gestellt. Deshalb will die SVP eine 4-Prozent-Hürde auch bei den Wahlen in den Gemeinden mit über 15.000 Einwohnern in Südtirol einführen. Rein rechtlich würde einer solchen Sperrklausel bei den Gemeinderatswahlen nichts im Weg stehen.
Legt man die Hürde auf die Wahlergebnisse der letzten Gemeinderatswahlen, so sind die Ergebnisse recht unterschiedlich. In Bozen sitzen derzeit 10 Parteien im Gemeinderat. Der Zufall will es, dass alle bei den letzten Gemeinderatswahlen über 4 Prozent schafften. Ganz anders sieht es hingegen in Meran aus. Dort sitzen nach den Gemeinderatswahlen 2015 11 Parteien im Gemeinderat. Mit einer 4-Prozent-Hürde wären es vier weniger.
 
Ähnlich in Leifers, das von einer Lega-SVP-Koalition regiert wird. Heute sitzen 11 Parteien im Gemeinderat. Mit der Hürde wären es drei Parteien weniger. Im Brixen würden nur fünf von derzeit acht Parteien die Sperrklausel schaffen.
 

Das Zusatzprotokoll

 
Weil die Gesetzgebung dem Landtag zusteht, wäre es schlechter Stil, diese Änderungen am Wahlgesetz direkt im Koalitionsprogramm festzuschreiben. Deshalb wählt man auch den Weg eines Zusatzabkommens. Es ist eine politische Willenserklärung zwischen der SVP und der Lega, im Landtag gemeinsam diese Änderungen des Wahlgesetzes anzugehen.
Will man diese Sperrklausel bereits für die Gemeinderatswahlen 2020 anwenden, wird die SVP-Lega-Koalition die Gesetzesänderungen bereits im Frühjahr in Angriff nehmen müssen. Für das Gemeindewahlgesetz ist der Regionalrat zuständig.
Und dort haben die beiden Parteien mehr als nur eine breite Mehrheit.