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„Divoratore di wurstel“
Foto: upi
Es hat mich keineswegs erstaunt, dass der Beitrag von Christoph Franceschini über die Kommentierwut gewisser salto-Leser eine rekordverdächtige Flut von Stellungnahmen provoziert hat.
Denn immer, wenn mich Freunde oder Bekannte auf salto ansprechen, steht dieses Thema im Vordergrund: "Warum legt ihr diesem Dutzend lästiger Dauerkommentatoren, die sich hinter Pseudonymen verstecken, nicht endlich das Handwerk?"
Die seit einer Woche anhaltende Diskussion beweist die Aktualität des Problems. Aber über mögliche Lösungen gehen die Meinungen weit auseinander. Kann oder soll man die Pflicht zu Klarnamen einführen? In diesem Fall müsste sich jeder Kommentator mit seinem Ausweis registrieren. Beeinträchtigt das Pluralismus und die Meinungsfreiheit? Oder verhindert es gehässige, frauenfeindliche, rassistische oder ganz einfach unangebrachte, oder überflüssige Kommentare?
Persönlich hatte ich stets Mühe, den Zwang zur Anonymität zu begreifen. Ich habe immer offen für meine Überzeugungen gekämpft und die Folgen dafür in Kauf genommen.
Natürlich verfügt jedes Medium und jede Region über ihre eigene User-Szene mit lokalen Besonderheiten: jene von salto riecht in ihren Kommentaren oft nach Provinzialismus und Stammtisch-Mentalität, nach Mangel an Zivilcourage
und Hemdsärmeligkeit. Die Beiträge der selbsternannten Pflichtkommentatoren wirken häufig belanglos, künstlich erregt oder ganz einfach deplaziert.
Persönlich hatte ich stets Mühe, den Zwang zur Anonymität zu begreifen. Ich habe immer offen für meine Überzeugungen gekämpft und die Folgen dafür in Kauf genommen. Schon als Vorstandsmitglied der Hochschülerschaft wurde ich in den 60-er und 70-er Jahren von den Dolomiten immer wieder attackiert. Deren Chefredakteur Josef Rampold machte mich mehrmals zum Gegenstand seiner gehässigen Glossen. Dafür genügte damals wenig - etwa die Forderung nach Errichtung einer Universität in Bozen.
Auch als Journalist musste ich mich an massive Attacken gewöhnen. Als vor gut zehn Jahren das Wochenmagazin „internazionale“ beschloss, politische Kommentare von einiger Auslandskorrespondenten auf seine Webseite zu stellen, genügte ein kritischer Beitrag über Beppe Grillo, um in der damaligen M5S-Basis eine Flut gehässiger Kommentare auszulösen: vom „crucco di merda“ bis hin zum „divoratore di wurstel“. Die Redaktion hat damals die ärgsten Beschimpfungen gelöscht, ist jedoch wie viele andere Medien nach einigen Jahren dazu übergegangen, nur noch die drei gewohnten Ikonen anzubieten: befürworten, ablehnen, teilen. Nur selten werden zu gewissen Themen ausgewählte Stellungnahmen publiziert.
Schon als Vorstandsmitglied der Hochschülerschaft wurde ich in den 60-er und 70-er Jahren von den Dolomiten immer wieder attackiert. Deren Chefredakteur Josef Rampold machte mich mehrmals zum Gegenstand seiner gehässigen Glossen.
Mittlerweile suchen viele Medien nach brauchbaren Lösungen. Etliche bemühen sich um eine Moderation der Kommentare - auch eine Frage der Kosten. Kaum eine Zeitung wird mit einer solchen Kommentarflut überhäuft wie der Wiener Standard, dessen Mitarbeiter ich seit seit fast 20 Jahren bin.
Ein Beispiel: meine (vom Thema her wohl kaum brisante) Doppelseite über das österreichische Angebot der Staatsbürgerschaft an die Südtiroler hat dort über 500 Stellungnahmen ausgelöst. Die Besonderheit dabei ist, dass sich unter den Standard-Lesern Gruppen von Kommentatoren gegenseitig in die Haare geraten. Kritiker definieren das Standard-Forum als "Spielwiese von Trollen und Neurotikern" und fordern von der Regierung eine Klarnamenpflicht und harte Strafen gegen Hasspostings und jene Online-Plattformen, die sie zulassen. Das Ausmass des Phänomens ist gewaltig: bis zu 40.000 Kommentare täglich. Fast 15 Millionen jährlich werden auf DER STANDARD, dem grössten Forum Österreichs gepostet.
Ohne Moderation wäre das undenkbar. Die Redaktion schildert den Aufwand: „13 Mitarbeiter kümmern sich beim Standard um Foren und blogs. Sie stellen interessate User-Beiträge nach vorn und sortieren nach einer speziell entwickelten Software unflätige Kommentare aus. 2018 lag die Löschquote bei fünf Prozent. Sind die postings nicht rechtswidrig, wird versucht, die Diskussion durch Moderation in eine konstruktive Richtung zu drehen. Strafrechtliches wie gefährliche Drohungen werden auf Wunsch der Betroffenen angezeigt. Wiederbestätigung oder hetzerische Postings an die Meldestellen weitergegeben."
Zentrale Themen sind dabei Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Motto der Aktion: DEM HASS IM NETZ KEINE CHANCE.
Die Zahl der unerwünschten und anonymen Postings ist bei salto vergleichsweise gering und auch rassistische Propaganda findet sich kaum. Das bedeutet freilich nicht, dass man deshalb unbesorgt zur Tagesordnung übergehen kann.
Natürlich ist die Zahl der unerwünschten und anonymen Postings bei salto vergleichsweise gering und auch rassistische Propaganda findet sich kaum. Das bedeutet freilich nicht, dass man deshalb unbesorgt zur Tagesordnung übergehen kann, denn die meisten Leser empfinden die anonymen Dauerpostings als überflüssig und ärgerlich. An eigenwilligen Stellungnahmen fehlte es in der Diskussion nicht.
Wenn "die Anonymität als Grundpfeiler des Internet und der Freiheit" gepriesen wird, können etwa Freunde der Kinderpornographie erleichtert aufatmen. Anonymität schütze auch vor einem möglichen Berufsverbot in Südtirol, so der Gründer der ehemaligen Piraten-Partei. Bizarre Thesen - denn wer ein Amt als Ressortchef in der Landesverwaltung anstrebt, sollte sich im eigenen Interesse wohl mit Kritik an der Regierungspartei zurückhalten. Das ist nicht nur in Südtirol so, sondern in jedem Land.
Christoph Franceschini hat die Lage in seinem Leitartikel treffend auf den Punkt gebracht: "Eine Gruppe von Fanatikern hat mit ihren inzestuösen, niveaulosen und zumeist auch völlig sinnlosen Diskussionen diesen Raum in Beschlag genommen. Ihre Lieblingsbeschäftigung: untereinander zu streiten. Dabei schaffen sie es schnell, jeden normalen Kommentator hinauszumobben."
Aus diesem Grund bin ich für die Einführung von Klarnamen. Sicher kein Allheilmittel. Aber zweifelsohne ein Schritt nach vorne, eine Art Flurbereinigung, die von vielen Lesern begrüsst wird.
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In risposta a ... Sie vergessen dabei die di Peter Gasser
1. Über Kommentare kann man,
1. Über Kommentare kann man, wie schon gesagt, auch hinwegsehen (sofern nicht rechtswidrig o.ä.)
2. Schon einmal "Pollo der Woche" gelesen?
In risposta a Die öffentlichen di Robert Tam...
Frage an Tamanini: Verstehe
Frage an Tamanini: Verstehe ich die Serie von Kommentaren richtig, dass die Salto-Redaktion ihre Qualität an der von stol und ut24 ausrichten sollte? Da wäre ich um ein paar konkretes Beispiele dankbar, um diesen Vergleich vertiefen zu können. PS., ich gehe davon aus, dass mit "Redaktion" nicht eingekaufte Agenturmeldungen gemeint sind.
In risposta a Frage an Tamanini: Verstehe di Benno Kusstatscher
Hallo Benno,
Hallo Benno,
nein, die eingekauften Agenturmeldungen sind gewiss nicht das Problem
Konkrete Beispiele? Gerne:
- Renate Mumelters Kolumne einstellen, sofern sie nicht rasch und drastisch ihre Qualität steigert (sonst ist es pures Clickbaiting)
- keine frei erfundene Passagen in Artikel einbauen: http://m.salto.bz/it/article/03042018/freiheitliche-machen-schule (Artikel leider durch Bezahlsperre blockiert)
- etwas mehr Distanz zu Extremisten, statt wohlwollender Berichterstattung
Beispiel 1: https://www.salto.bz/de/article/08022016/eine-gut-genutzte-chance (Artikel leider durch Bezahlsperre blockiert)
Beispiel 2: https://www.salto.bz/it/article/22122018/grazia-barbiero
- Bei "Twenty Minutes" die zwei Kontrahenten gerne kritisch befragen und "gutzeln", aber gewiss nicht zwei gegen eins mitdiskutieren (nicht einmal, wenn es ein Matthias Hofer ist, den ich persönlich als Politiker nicht im Mindesten schätze)
https://www.salto.bz/de/article/26092018/welche-aengste
- keine rabiaten Rundumschläge durch den Chefredakteur, wenn man es wagt, sein Medium zu kritisieren (nicht, dass Franceschinis Wutkommentare mich besonders beeindrucken würden, aber ein Qualitätsmedium hätte so etwas nicht nötig)
Kurzum: mehr Qualitätsjournalismus, weniger Haltungsjournalismus
In risposta a Hallo Benno, di Robert Tam...
Robert, danke, Luft nach oben
Robert, danke, Luft nach oben gibt es immer, konkrete Kritik, solange konstruktiv, ist auch immer legitim. Aber mit Beispiele dachte ich jetzt an direkte Vergleiche, wo die Qualität der anderen spürbar besser war. Vielleicht war Dein Kommentar ja auch nicht direkt vergleichend gemeint und nur ich hatte das so verstanden.
Beim einen Artikel aus 2016 hattest Du Deine Kritik dokumentiert und begründet, beim zweiten hatte die Redakteurin auf Hinweis aus der Community den Artikel überarbeitet, und das auch per Kommentar transparent kommuniziert. Das Videoformat ist Neuland. Stimmt schon, dass auch das gelernt werden muss. Finde Deine Kritik angebracht, aber im Resumee nicht vernichtend.
Darf ein Chefredakteur auch eine Privatmeinung haben, wie alle anderen auch, oder ist seine Stimme automatisch institutioneller Natur und deshalb mit anderen Maßstäben zu messen? Interessante Frage. Mir persönlich ist es lieber, die ungefiltert private Meinung zu lesen, die dann auch als Privatmeinung zu verantworten ist. Das war meine Lesart.
Dass Renate Mumelter Kolumnistin ist, und Kolumnen weder im positiven noch im negativen Sinn etwas an der Qualität der Redaktion ändern, hatten wir jetzt bis zur Erschöpfung durch, denke ich. Clicks erzeugen genau jene User, die sich daran stören.
In risposta a Robert, danke, Luft nach oben di Benno Kusstatscher
So ist es Benno: meine Kritik
So ist es Benno: meine Kritik ist nicht vernichtend. Ich bleibe dem Portal treu, weil ich weiterhin daran glaube, dass es Potential hat, aber: Salto kann und muss besser werden.
Beim Chefredakteur ist nicht seine Meinung per se das Problem. Vielmehr:
1. Seine rabiaten Attacken
2. Seine Unfähigkeit, Fehler einzusehen und daran zu arbeiten (auch beim besagten Artikel aus dem Jahr 2016)
Kurzum: Franceschini teilt gern hammerhart aus ("pollo der Woche"), kann aber kein bisschen einstecken. Deshalb auch diese ewige Debatte zum Kommentarbereich.
Ich habe Franceschini in Kommentaren nie persönlich attackiert, er mich schon - mehrmals. Du und ich (weiter oben: C. Moar und ich) diskutieren hier, ohne persönlich beleidigend zu werden. Franceschini könnte von Euch lernen, wie man im Kommentarbereich postet, ohne so untergriffig zu sein. Ansonsten ist er vielleicht als Chefredakteur nicht tragbar. Er ist ein exzellenter Redakteur, ich lese seine Reportagen immer gerne, aber ich zweifle immer mehr an seinen Führungsfähigkeiten. Wissen müsst natürlich Ihr es.
Bei Renate Mumelters Texten könnten unsere Meinungen nicht unterschiedlicher sein. Du selbst gibt zu, dass sie letztendlich Clicks bringt. Ich füge hinzu: ansonsten aber nicht viel mehr. Eure Technikfüchse würden gewiss rausfinden, dass sie eigentlich keine neuen Leser bringt. Bei den "Meistgelesenen" habe ich ihre Beiträge bisher jesenfalls noch nie gesehen - täusche ich mich?
Leider schadet sie ansonsten Eurem Ansehen. Im Übrigen: eine Lisa Maria Gasser, deren Artikel ich durchaus auch kritisiert habe, ist allein schon sprachlich um Welten besser als R. Mumelter – ein Armutszeugnis für jemanden, der jahrzehntelang geschrieben hat (allerdings noch in Papierzeitungen ohne direktes Feedback durch die Leser).
In risposta a So ist es Benno: meine Kritik di Robert Tam...
Dass sich hier
Dass sich hier unterschiedliche Internetgenerationen durchmischen, finde ich durchaus als eine Bereicherung. Affinität hin oder her, das sehe die ich nicht durch eine wertende Brille.
In risposta a Dass sich hier di Benno Kusstatscher
Das mit den unterschiedlichen
Das mit den unterschiedlichen Internetgenerationen war nicht mein Kritikpunkt. Kritisiert habe ich Renate Mumelters Schreibstil: trotz jahrzehntelanger Erfahrung ist sie (auch) hier jüngeren Kollegen unterlegen. Das hat nichts mit Internetaffinität zu tun.
Das mit den Papierzeitungen war anders gemeint, Benno: Mumelter hat jahrzehntelang kein direktes Feedback über Leserzugriffe ihrer Beiträge bekommen (wie viele Tageszeitungsleser haben die Filmrezension gelesen? Niemand weiß es) und konnte sich deshalb trotzdem durchwursteln.
In risposta a Das mit den unterschiedlichen di Robert Tam...
Eben: niemand weiß es,
Eben: niemand weiß es, wenigstens wir zwei nicht. Deshalb ist das "durchwursteln" bestenfalls Deine These. Wie das Wort "Stil" schon sagt, impliziert es eher Geschmacksrichtung als Benotung. Wer schreibt, Barock wäre der Renaissance überlegen, weil später auf der Zeitachse, wird Applaus und Pfiffe ernten. Ich könnte mich nicht guten Gewissens so weit aus dem Fenster lehnen, verspüre aber auch kein solches Wertungsbedürfnis.
In risposta a Eben: niemand weiß es, di Benno Kusstatscher
@Benno: Renate Mumelters
@Benno: Renate Mumelters Schreibstil ist nun mal eben deutlich schlechter als der von L. M. Gasser, obwohl Mumelter über weitaus mehr Erfahrung verfügt.
Schau Dir Gretas Kommentar bei R. Mumelters letztem Text an:
https://www.salto.bz/de/article/11012019/wohlmeinend-mitmeinen
Greta zeigt glasklar die dürftige Sprachqualität des Beitrags auf.
Ich weiß, dass Salto ungern Kritik hört (Salto teilt offensichtlich gern aus, kann aber null einstecken), offensichtlich gerade bei R. Mumelter.
Man kann die Kritik auf zwei Arten reduzieren: Qualität endlich steigern oder den Kommentarbereich einfach vollkommen dichtmachen – letzteres erinnert halt an den Autobesitzer, der die rot leuchtende Warnlampe ausschraubt, statt das Öl zu wechseln.
auf nimmerwidersehen
auf nimmerwidersehen
... so wie auch die „positive
... so wie auch die „positive“ User-Kritik ein „Fünkchen Wahrheit“ in sich hat und in Betracht gezogen werden soll?
Ausserdem ist das Problem ja nicht Kritik als solche, sondern wie diese vorgebracht wird. Und ist es noch Kritik? Ist es nicht Urteil, Werturteil? Aburteilung? Das Verlangen der öffentlichen Blossstellung und prangerartigen Bestrafung, etwa durch Vertreibung, Entfernung, Kündigung (aah, jetzt haben wir gesiegt!)?
Ist es nicht auch der Machtkampf von Lesern gegen die Schreiber, den einzelne gerne führen? Der Machtkampf von Lesern, die glauben, die besseren Schreiber zu sein? Auch die besseren Redakteure, der bessere Chefradakteur? Die Lust, sich zu beweisen in der Rolle des anderen?
Eben Wolfsrudelgehabe. Wo bleiben Fairness, Empathie, konstruktive Kooperation?
Warum Holzhackermethode statt Evolution?
Mit freundlichen Grüßen PG
In risposta a ... so wie auch die „positive di Peter Gasser
@Peter: "Wo bleiben Fairness,
@Peter: "Wo bleiben Fairness, Empathie, konstruktive Kooperation?"
Frage ich mich bei "pollo der Woche" auch manchmal. Aber weißt Du was? Es ist Franceschinis Kritik, er teilt sie hammerhart aus (teilweise auch unter die Gürtellinie) und sie ist (gottlob) von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Aber wehe, wenn jemand - auch ohne Franceschinis (sporadischer) Untergriffigkeit - Salto kritisiert!
Umgekehrt durfte bisher ein Salto-Nutzer wie 19amet die kritischen Kommentatoren auch persönlich attackieren (teilweise auch deutlich unter der Gürtellinie), das hat die Redaktion aber nicht gestört.
Bei Salto wird eben noch mit zweierlei Maß gemessen, möge sich dies bald zum Besseren ändern - Salto kann und muss eben besser werden.
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