Società | Sanität

Systematische Vertuschung

Der von salto.bz aufgedeckte Legionellen-Fall zeigt ein beunruhigendes Bild. Es ist nicht das erste Mal dass man Ärzte, Personal und Patienten bewusst unwissend hält.
Sanità
Foto: upi
Am Freitag kurz vor Mittag liefen in der Direktion des Bozner Krankenhauses, sowie am Sitz der Generaldirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes die Telefonlinien heiß. Um 11 Uhr war salto.bz mit der Exklusivnachricht online gegangen, dass in den Wasser-Leitungen des Bozner Krankenhauses Legionellen gefunden worden waren.
Seit Donnerstagnachmittag und den ganzen Freitag über hat man deshalb in der Hals-Nasen-Ohrenabteilung, der Geburtshilfe, der Urologie und der Anatomie und Histopathologie das warme Wasser abgedreht. Die Patienten dieser Abteilungen waren gezwungen zum Duschen oder Abwaschen in andere Abteilungen auszuweichen. Auch in den Operationssälen 1 bis 10 und damit im gesamten Operationsbereich des Bozner Krankenhauses wurde das warme Wasser abgedreht. Arbeiter verlegten eine sogenannte Bypass-Leitung damit der Operationsbetrieb Aufrecht erhalten werden konnte. Noch absurder wird die Maßnahme aber wenn man weiß, dass es selbst im sensibelsten Bereich des Krankenhauses kein Warmwasser gibt. Selbst die Sterilisierungsabteilung des Krankenhauses war zeitweise blockiert.
Die Salto-Meldung kam für die Verantwortlichen am Bozner Krankenhaus zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. 
 
Dutzende Journalisten meldeten sich und wollten wissen, ob die Nachricht stimmt. Vor allem aber wollten die Medien eine offizielle Stellungnahme. Weil Freitagmittag für die meisten Führungskräfte in der Sanität bereits das Wochenende beginnt, war das nicht so einfach. Flavio Girardi, Sanitätsdirektor am Bozner Krankenhaus, war dann der Erste der gegenüber der lokalen RAI die Meldung bestätigte. Girardi gab dabei sofort Entwarnung: Es gehe keine Ansteckungen und keine Gefahr.
Diese Botschaft der Beruhigung galt nicht nur der Öffentlichkeit. Sondern mehr den Mitarbeitern im eigenen Haus. Denn mehrere hundert Ärzte, Bedienstete des Krankenhauses und alle Patienten der betroffenen Abteilungen waren in Unwissenheit gelassen worden. „Wir haben auf Salto von den Legionellen erfahren“, sagt ein Primar. „Ich habe noch am Donnerstag geduscht“, sagt ein Patient, der in einer der betroffenen Abteilungen liegt.
Deshalb musste die Krankenhausleitung improvisieren und den möglichen Brandherd im eigenen Haus so schnell wie möglich löschen.
 

Amtliches Selbstlob

 
Am frühen Nachmittag wurde dann eine Krisensitzung der Führungskräfte einberufen. Dabei ging es darum, die bis dahin verschwiegene Nachricht so aufzupeppen, dass der eigentlich Skandal nicht mehr auffällt.
Sechseinhalb Stunden nach der salto-Meldung trudelte die offizielle Stellungnahme des Sanitätsbetriebes ein. Unter dem Titel „Legionellen-Befall rechtzeitig erkannt“ wurde der salto-Bericht in jedem Detail bestätigt.
Die Mitteilung ist ein Musterbeispiel eines amtlichen Selbstlobes.
Durch die von uns regelmäßig durchgeführten Überprüfungen der Wasserqualität“, wird der ärztliche Direktor des Krankenhauses Bozen, Flavio Girardi zitiert, „haben wir genau das erreicht, was durch Kontrollen erreicht werden soll, nämlich die Gefahr rechtzeitig zu erkennen und so Schaden für Menschen abzuwehren.“
Um dann das zu dementieren, was niemals behauptet worden war: „Zu keiner Zeit waren Patientinnen und Patientinnen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährdet.
Immer wieder betonte die Verantwortlichen am Bozner Krankenhaus dabei, dass man auch in diesem Fall das international, vorgeschriebene Procedere eingehalten haben.
 
Geschickt gelang es damit vom eigentlichen Skandal abzulenken: Die Tatsache, dass man die gesamte Affäre vor der Öffentlichkeit vertuschen wollte und selbst die Ärzte, Mitarbeiter und Patienten der betroffenen Abteilungen ganz bewusst über den eigentlichen Grund des Warmwasserstopps nicht informiert hat.
Nur Dolomiten-Journalist Stephan Pfeifhofer getraute sich an Generaldirektor Florian Zerzer die Frage zu stellen, warum man die Krankenhausmitarbeiter falsch informiert habe. Zerzers Antwort:  „Man wollte keineswegs das Ganze vertuschen“.
Doch die Fakten sagen genau das Gegenteil. Nämlich, dass die amtliche Vertuschung in Sachen Legionellen zum Standard im Bozner Sanitätsbetrieb gehört.
 

Mehrere Fälle

 
Salto.bz hat bereits am Freitag aufgedeckt, dass der Direktor des Amtes für Anlagen des Krankenhauses Bozen, Marco Bernardo am frühen Donnerstagnachmittag eine offizielle Mitteilung an die Sanitätsdirektion, die betroffenen Abteilungen und den Hygienedienst verschickt hat, in dem er den sofortigen Wasserstopp mit einem „außerordentlichen Wartungsprogramms am warmen Trinkwassernetz“ begründet hat.
 
Gleichzeitig aber verschickte Amtdirektor Bernardo aber eine Whatsapp-Nachricht an einen ausgewählten Personenkreis. Die Nachricht enthält bereits im Titel den wahren Grund der unorthodoxen Maßnahme. „IMPORTANTE – contaminazione da legionelle rete idrica area rossa piani II – V – DISINFENZIONE.
In der Nachricht heißt es wörtlich:
 
Diese Abteilungen wurde von der Unterbrechung der Wasserzufuhr bereits durch ein über die interne Post versendetes Rundschreiben verständigt. Um Panikstimmung zu vermeiden, werden in dem Rundschreiben nur allgemeine technische Gründe für die Maßnahme genannt“.
 
Die Nachricht ging an insgesamt 14 Personen. Darunter befinden sich weder die Primare der betroffenen Abteilungen, noch der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer.
Selbst jene Arbeiter, die am Krankenhaus die Wasserrohre warten und die mit der Umsetzung der Warmwasserschließung betraut worden waren, wurden nicht richtig informiert.
Spätestens damit ist klar, dass die Leitung des Krankenhauses den Legionellen-Befall nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor den Mitarbeitern und Patienten vertuschen wollte. Salto.bz hat diesem Plan eine Strich durch die Rechnung gemacht.
 

Unwissende Sozialbetriebe

 
Vor allem aber ist es nicht das erste Mal, dass man die Öffentlichkeit, die Mitarbeiter und die Patienten bewusst in die Irre führt. Das zeigt ein Dossier, das salto.bz vorliegt.
Anfang Februar 2018 erhalten gleich mehrere Sitze des Sanitäts- und Sozialsprengels Bozen Post von Heinrich Corradini. Der Direktor der Abteilung für Technik und Vermögen im Gesundheitsbezirk Bozen weist in dem Schreiben darauf hin, dass „ein Wartungseingriff am Warmwasserverteilungsnetz“ vorgenommen werden muss. In dem Schreiben heißt es:
 
„In Anbetracht dessen, dass diese technische Eingriff auch die Desinfizierung des Netzes mit Chlor vorsieht, ist es verboten, heißes Wasser für die gesamte Dauer des Eingriffs zu verwenden“.
 
Dieses Schreiben geht an alle Dienste und Abteilungen der Gesundheitssprengel Gries-Quirein und Don Bosco, an das Psychiatrische Rehabilitationszentrums in der Fagenstraße und alle Dienste und Abteilungen, die im sogenannten „Directional 5“-Turm am Neubruchweg im Europaviertel untergebracht sind. Darunter an den Dienst für Abhängigkeitserkrankungen (SER.D) und an das Zentrum für psychische Gesundheit. Zur Kenntnis geht das Schreiben auch an die Direktion der Sozialdienste Bozen.
Eine externe Firma führt diese angeblichen „Wartungsarbeiten“ am 9. und 10. Februar 2018 dann auch durch. Es sind ein Freitag und ein Samstag. Und es ist kein Zufall, dass man sich ausgerechnet zwei Tage in Richtung Wochenende ausgesucht hat.
Denn bereits vor über einem Jahr hat man dieselbe Show abgezogen. Auch damals wurden in den Warmwasserleitungen dieser Gebäude Legionellen gefunden. Der zuständige Amtsdirektor Marco Bernardo informierte auch damals nur eine Handvoll Personen. Darunter die Direktion des Sanitätsbetriebes Bozen.
Amtsdirektor Bernardo beendet auch damals seine Mail mit ähnlichen Anweisungen:
 
Demnach wird klar, dass die Vertuschungstaktik im Gesundheitsbetrieb Bozen durchaus System hat.
Zudem bringt der Fall von 2018 ein anderes brisantes Problem ans Tageslicht. Amtsdirektor Marco Bernardo informierte den vertraulichen Kreis bereits am 26. Jänner 2018 über den Legionellen-Fall. Die Desinfizierungsarbeiten – von denen die Bediensteten nichts wissen durften - wurden aber nachweislich erst 15 Tage später in Angriff genommen.
Ob das auch zum international, üblichen Procedere gehört?