Kultur | Jubiläum

Stadttheater! Landestheater?

Vor genau 25 Jahren, am 9. 9. 1999, wurde das neue Stadttheater in Bozen eröffnet. Gestern wurde gemäß dem Motto „Was für ein Spektakel“ gefeiert. Rückblick und Vision.
Teatro
Foto: SALTO
  • Die Türen standen am gestrigen Sonntag den ganzen Tag „tschederweit“ offen – wie Südtiroler*innen in ihrem nicht immer leicht verständlichen Dialekt sagen, wenn sie „sehr weit geöffnet“ meinen. Nach 25 Jahren herrscht im massiven Zanuso-Bau zu Bozen zwar Feierlaune, aber wie weit geöffnet hat sich die lokale Theaterwelt seit der Eröffnung tatsächlich? Tappt man durch die Gänge des Hauses, herrscht vor allem Orientierungslosigkeit – sie ist der klaustrophobisch-kniffligen Gestaltung von Zanuso geschuldet. Wohl Zeitgeist damals. 
    Während im Eröffnungsjahr 1999 das Werk des Architekten Zanuso mit einer Ausstellung im Foyer präsentiert wurde, waren es gestern Fotos und Videos zum Startschuss. Zu sehen auch Sergio Mattarella beim Durchschneiden des Bandes. 25 Jahre später musste er keinen neuen Kulturtempel einweihen, sondern einen neuen Kulturminister vereidigen: Alessandro Giuli. Der Journalist – er war im Dezember 2022 überraschend(?) zum Präsidenten der Fondazione Museo Maxxi ernannt worden, folgt dem partei- (und hoffnungs)losen Gennaro Sangiuliano. Das Trauerspiel rechter Kultur- und Parteipolitik geht also weiter und landet vielleicht schon bald als (einfach gestricktes) Unterhaltungsstück auf dem Spielplan eines kritischen Theaterhauses. 

  • Giovanni Salghetti Drioli und Sergio Mattarella am 9. 9. 1999 in Bozen: Knapp vor Ende des letzten Jahrtausends. Eröffnung des Stadttheaters in Bozen. Foto: SALTO
  • Zurück ins Jahr 1999: Zwar würdigte der damalige Bozner Bürgermeister Giovanni Salghetti Drioli die Weitsicht und „klaren Linien“ Zanusos, doch das Verhältnis zwischen Stadt und Architekt verlief nicht ganz reibungslos. So gab es erhebliche Akustikmängel im Saal, und an der Fassade sollten keine Schriften oder Transparente angebracht werden, die die Architektur des Stararchitekten stören könnten. Nach dem Tod von Marco Zanuso im Juli 2001 änderte sich das. Inzwischen wird auf den vielen grauen und freien Flächen beleuchtet und behängt, was das "Zeug" hält. 
    Die Anfänge im neuen gemeinsamen Haus – dessen Verwaltung der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen anvertraut wurde – waren wackelig. Man sei „mit dem falschen Fuß“ gestartet, meinte Theaterregisseur Manfred Schweigkofler 2001, kurz vor seinem Musical-Flop Frozen Fritz. Sein Werbespruch dazu: „Eine coole Zeit wird kommen“ sollte sich erst Jahre später bewahrheiten. Gut Ding braucht Weile.

  • Getrennt und gemeinsam: 25 Jahre im gleichen Haus. Ist der große Saal zu groß? Das kleine "Studio" zu überlastet? Fragen über Fragen... Foto: SALTO
  • Inzwischen sorgen die Vereinigten Bühnen Bozen und das Teatro Stabile di Bolzano für ein freundschaftliches Nebeneinander als Miteinander. Aber es läuft. Stand damals bereits der Traum vom "Landestheater" im Raum, so ist das auch heute noch so. Nur in welcher Form? Derzeit arbeiten VBB-Vorstand und Intendant wieder an dieser Vision, um der Institution eine „stabilere und sichtbarere Position für die Zukunft zu sichern“, heißt es auf Nachfrage von SALTO. „Es geht darum, die im Kulturgesetz verankerte Tätigkeit eines eigenproduzierenden Theaterbetriebes in Südtirol für die kommenden Jahre fundamental zu verankern“, erklärt Rudolf Frey vorsichtig. Das Schlagwort „Landestheater“ stehe „für ein gemeinsames Projekt“, um das Haus „als Motor und Bezugspunkt für zeitgenössisches Theater in der Theaterwelt Südtirols zu stärken.“
    Interessant ist in diesem Zusammenhang eine vergessene Geschichte um einen möglichen Bozner Intendanten für ein Landestheater namens Bertolt Brecht. Der wenige Monate nach der Eröffnung des Bozner Stadttheaters verstorbene Kulturjournalist Arthur West (eigentlich Arthur Rosenthal) – von 1969 bis zu seiner Pensionierung 1982 Leiter der Kulturredaktion der österreichischen Tageszeitung Volksstimme – erinnerte sich an ein gemeinsames Foto von Bertolt Brecht und Silvius Magnago, sowie über Brechts Interesse an Bozen. Aber kann das stimmen? „Er dachte in Bozen, Tirol, da könne er sich niederlassen...“, bestätigt auch eine Zeile des ebenfalls verstorbenen Literaturkenners Marcel Reich-Ranicki im Buch Lauter schwierige Patienten. Bisher sind aber weder im Brecht-Archiv in Berlin noch im Brecht-Museum in Augsburg Belege zum überlieferten Brecht-Foto mit Magnago oder dazu passende Dokumente aufgetaucht. Vielleicht liegen sie gar gut versteckt im Archiv der Volksparteizentrale? 
    Sollten demnächst aber nähere Informationen zu Brecht, Bozen und Landestheater in den 1950ern zum Vorschein kommen, könnte ja bei einem zukünftigen Landestheater ein namengebendes Brecht nachgereicht werden, mit Eröffnung durch den neuen (b)rechten Kulturminister und der Darbietung eines (f)linken Bozner Ensemble.
    Vorhang zu, und alle Fragen offen.

  • Auf Linie bleiben: Im Rahmen der 25. Jahr-Feier gab es Führungen, eine Diskussion, eine Ausstellung, Brunch und Aperitivo, Musik und sogar einen eigenen Cocktail. Foto: SALTO