Der American Dream ist nicht tot
Montag morgens in Lincoln im Bundesstaat Nebraska, der Tag vor der US-Präsidentschafts-Wahl: Auf dem Weg zur Apotheke fahre ich an einem Einfamilienhaus vorbei. wo selbstgemachte Plakate verkünden: “Vote Trump! Women love Trump! Hilary for prison!” In der Apotheke fragt meine Frau sogleich, wo man heute schon wählen gehen kann und eine Apothekerin gibt uns die Adresse. Wir fahren sogleich zum Wahllokal. Von Weitem schon sehen wir die Warteschlange und sofort ist klar: Heute wird das nichts mehr, wir müssen zur Arbeit. Doch morgen gibt es kein Verschieben mehr – es ist der 8. November und damit der letzte Wahltag.
Am Wahltag lese ich meine E-Mails schon früh am Morgen – ein Freund aus Wien, der lange in den USA gelebt hat, schreibt: “Thinking of you all, and keeping my fingers crossed for the election.” Schon Wochen zuvor war die Aufmunterung von den kanadischen Nachbarn besonders bemerkenswert– “Haltet aus, ihr seid ein gutes Land, wir lieben Euch!” Der gut gemeinte Support ist ein Indikator wie gross die Frustration und Ratlosigkeit mancher ist nach all den (verbalen) Niederungen dieses Wahlkampfes. “Can This Please Be Over Soon?”, so fasste die Zeitschrift “Huffington Post” die Stimmung schon im August zusammen.
Am Wahltag aber spürt man wenig von dieser Müdigkeit. Ganz im Gegenteil, alle scheinen beschäftigt Wählen zu gehen, die letzten Prognosen zu lesen oder zu fragen, wo das eigene Wahllokal zu finden ist. Und ja, und außerdem muss man sich noch entscheiden, bei welchen Freunden man zur Wahlparty geht. Letzteres ist ein sehr wichtiges Ritual. Wie eine Freundin im Einladungs-Email geschrieben hat: Wir kommen zusammen, entweder zum Feiern oder zum gegenseitigen Trösten. Auch zwei junge Hunde sind zum Streicheln da: “In case of stress or need of diversion”.
Die Stimmung ist wie anderswo sehr polarisiert – entweder sehr gegen den einen oder den anderen Kandidaten. Beide Seiten scheinen den anderen Kandidaten mehr verhindern, als den eigenen wählen zu wollen. Vielen Demokraten geht es vor allem darum, Trump zu verhindern. Auch die Begeisterung über eine mögliche erste Präsidentin in der Geschichte der USA hält sich in Grenzen. So ganz anders war die Stimmung bei der Wahl Barack Obamas in 2008. Doch auch damals gab es Verbitterung. Viele der damaligen Gegner Obamas, sicherlich der harte Kern, haben sich nie mit dieser Wahl abgefunden. Sie scheinen auf einen Tag der Abrechnung zu hoffen. Es sind oft die unzufriedenen, sozial schwachen Amerikaner europäischer Abstammung, deren Traum vom Mittelstand geplatzt ist. Ablehnung mobilisiert, womöglich auch die US-Bürger lateinamerikanischer Herkunft, die bei früheren Wahlen eher zu Hause geblieben sind. Ihre Stimmen könnten diese Wahl für Hillary Clinton entscheiden.
Das politische Klima ist jedenfalls vergiftet – darüber sind sich viele einig. Unklar ist aber wie sich das nach dem Wahlausgang auswirken wird. Werden sich die WählerInnen, von einer kleinen Minderheit abgesehen, mit dem Ausgang abfinden? Oder wird sich das Land weiter spalten? Hat sich die Situation so verändert, dass das traditionelle Zweiparteiensystem aufbricht? Bernie Sanders und Donald Trump sich mit ihren Anhängern jeweils von Demokraten und Republikanern lösen? Vieles scheint möglich, wenn es auch eher unwahrscheinlich ist.
Die Paralleln zu Europa sind offensichtlich, besonders was die Zunahme von Populismus und die Polarisierung der Gesellschaft betrifft (Stichwort Brexit). Doch könnte die USA diese Herausforderungen der Demokratie besser bewältigen als so manch europäischer Staat. Trotz aller Krisen in der Geschichte der USA hat sich diese Gesellschaft als erstaunlich erneuerbar und reformierbar erwiesen. Unübersehbar ist die Kraft der USA, Menschen unterschiedlicher Herkunft, in großer Zahl zu integrieren. Der American Dream vom besseren Leben ist nicht tot, wenn auch für viele immer weniger erreichbar. Trotz des knappen Ausgangs dieser Wahl und der vielen Protestwähler bleibe ich optimistisch: Die sehr oft beschworene politische Apokalypse wird auch diesmal ausbleiben.
Lieber Gerald,
Lieber Gerald,
Träumen ist schön, ein falsches Erwachen kann den Bewußtseinszustand erheblich stören ....
Bernie or Bust. And so it did
Bernie or Bust. And so it did come stupid DNC.
In reply to Bernie or Bust. And so it did by Martin B.
Am unerträglichsten die
Am unerträglichsten die Kommentare von FemministInnen Hillarys Geschlecht und der ihr entgegengebrachte Sexismus sei wahlentscheidend gewesen. So ein Stumpfsinn, Obama wäre nach dieser Logik von wahlentscheidenden weißen patriarchialen Männern auch nie möglich gewesen. Hillary, das DNC und das ganze Eliten-Establishment haben stur ihre Pfründe (fast erfolgreich) verteidigt und wirklich neue Chancen für Amerika verhindert. Ich habe die demokratischen Vorwahlen verfolgt und die Verhinderung von Bernie Sanders war ein grob unfaires Foul an einer hoffnungsvollen jungen und progressiven Demokratiebewegung, die aus dem Zwei-Parteien US-System ausbrechen will. Michael Moore war nur einer unter vielen Progressiven der die vielen Faktoren welche zu President Trump geführt haben, vorausgesehen haben: http://michaelmoore.com/trumpwillwin/
Und zur Rolle von DNC etc. http://observer.com/2016/07/wikileaks-proves-primary-was-rigged-dnc-und…
In reply to Bernie or Bust. And so it did by Martin B.
Ein sichtlich frust
Ein sichtlich frust-verärgerter Progressiver fasst zusammen was die Demokraten, bzw. Hillary alles falsch gemacht haben: https://www.youtube.com/watch?v=I67iRM6ijMs
Mir geht es ähnlich...