Wirtschaft | Transport

Ausgebeutet im Laster

Sorge bei den heimischen Frächtern: Die Billig-Konkurrenz aus Osteuropa ruiniert nicht nur das eigene Geschäft sondern auch die Menschenwürde ihrer Fahrer.

“Sklaven der Landstraße” nennt sie Fritz Gurgiser. Doch der Nordtiroler Anti-Transit-Aktivist ist mit seiner Kritik an den bedenklichen Bedingungen, unter denen LKW-Berufsfahrer aus Osteuropa leben und arbeiten, nicht alleine. “Nein zum Leben im Laster” sagen auch Südtirols Warentransporteure. Sie wollen die Problematiken, die die Liberalisierung und Deregulierung im europäischen Transportmarkt mit sich gebracht haben, nicht verstecken.


Preis der Liberalisierung

Lastkraftwagen aus Polen, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Moldawien und der Ukraine machen mittlerweile einen beachtlichen Teil des Fernverkehrs auf der Brennerautobahn und dem Südtiroler Straßennetz aus. “Dadurch entstehen gleich zwei Problemsituationen”, gibt der Obmann der Frächter im lvh Elmar Morandell zu bedenken. Einerseits stellen die “Billiganbieter aus Osteuropa” mit einem niedrigeren Lohn- und Sozialniveau in den Herkunftsländern sowie niedrigsten Dieselpreisen im grenzüberschreitenden LKW-Verkehr eine direkte Konkurrenz zu den heimischen Frächtern dar. “Viele lokale Transportunternehmen können mit den niedrigen Transportpreisen nicht konkurrieren, Arbeitsplätze gehen verloren und Betriebe werden in den Ruin getrieben”, klagt Morandell.

Andererseits führe diese Preispolitik zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen für die Fahrer. “Osteuropäische Fahrer werden mittlerweile ausgebeutet, sie verbringen ihr halbes Leben im Laster”, weiß der lvh-Frächter-Obmann. Unter menschenunwürdigen Bedingungen würden viele Fahrer in der Nähe von Rasthöfen, auf Parkplätzen und Abstellmöglichkeiten neben den Straßen campieren und dort ihre Ruhezeit verbringen oder auf die Ladung warten, so Morandell. In Bozen zum Beispiel in der Einsteinstraße, Firmian/Autobahneinfahrt Bozen Süd oder auf Parkplätzen in den Handwerkerzonen. “Unter hygienisch unzumutbaren Bedingungen verbringen sie dort zum Teil mehrere Monate, führen auch LKW-Reparaturen durch und verunreinigen die Plätze”, berichtet Morandell. So geschehen auch über Ostern: “Zahlreiche Fahrer harrten auf Parkplätzen, in Gewerbezonen oder auf Raststätten in ihren Kabinen aus, bis sie nach den Feiertagen weiterfahren durften.”


Elmar Morandell: “Osteuropäische Fahrer werden mittlerweile ausgebeutet.” Foto: lvh


Politik zum Handeln aufgefordert

Zurückzuführen sei diese Entwicklung laut dem lvh-Frächter-Obmann auf das “gnadenlose Lohn- und Sozialdumping” Anfang der 1990er Jahre. Damals wurde der europäische Transportsektor liberalisiert und dereguliert – “ohne an die sozialen Auswirkungen zu denken”, sagt Morandell. Die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und Sozialabgaben innerhalb der EU stünden am Anfang eines Teufelskreises: Niedrige Preise, die sich auf Löhne und Lohnnebenkosten auswirken; niedrige Löhne, die zu Ausbeutung der Arbeitskräfte und schlussendlich zur Verletzung der Menschenrechte führten. “Es kann nicht sein, dass der Fahrer als schwächstes Glied in der Kette zum Beschuldigten wird”, wettert Morandell.

Er richtet einen Appell an die EU und die Kontrollorgane: “Der Billigkonkurrenz aus dem Osten muss unbedingt der Kampf angesagt werden.” Seine Forderung: einheitliche Sozial- und Arbeitsbedingungen sowie Sicherheits- und Umweltstandards für die Mitgliedsländer – zum Schutz des Personals und gleichzeitig auch zum Schutz der lokalen Unternehmen. Denn Morandell ist überzeugt: “Im Sinne der heimischen Wirtschaft und dem Erhalt der heimischen Arbeitsplätze muss sofort eingelenkt werden!”