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Kommt jetzt der Rekurs?

Zwei Mal stimmte der Bozner Gemeinderat über denselben Tagesordnungspunkt ab. Die kommissarische Verwaltung wurde verhindert. Doch war die zweite Wahl überhaupt legal?

War die erneute Abstimmung über Regierungsprogramm und -mannschaft von Luigi Spagnolli rechtens? Als Gemeinderatspräsident Luis Walcher am vergangenen Donnerstag Abend die Tagesordnung der Sitzung des Bozner Gemeinderates verlas, gab es in den Reihen der Opposition heftigen Protest. Denn auf dem Programm stand derselbe Tagesordnungspunkt wie bereits am Tag zuvor: “Diskussion und Genehmigung des programmatischen Dokuments des neugewählten Bürgermeisters sowie des Vorschlags des Bürgermeisters über die Zusammensetzung des Gemeindeausschusses.” Bekanntlich hatte der Gemeinderat am Vorabend den Beschlussantrag mit 23 Nein und 22 Ja abgelehnt.

Es sei bereits am Vorabend abgestimmt und die Regierung Spagnolli abgelehnt worden, so die Einwände aus dem Mitte-Rechts-Lager und vom Movimento 5Stelle. “Man kann sich die Regeln nicht einfach zurecht biegen und unendlich oft zu einem Beschluss abstimmen”, wetterte Alessandro Urzì. Der mittlerweile zurückgetretene Gemeinderat von Alto Adige nel Cuore kündigte an, bei der Region eine Untersuchung der “anormalen Wahl des Stadtrates” anregen zu wollen. Allen Protesten und Bedenken zum Trotz stimmten schließlich 26 Gemeinderäte ein zweites Mal über den von Spagnolli vorgeschlagenen Stadtrat und dessen programmatische Erklärung ab. Die restlichen 19 Gemeinderäte hatten aus Protest vor der Abstimmung den Saal verlassen.


Nur noch ein Mal...

Laut Bürgermeister Spagnolli war die wiederholte Abstimmung über einen Tagesordnungspunkt, der bereits am Vortag anstand, vom Gesetz her keineswegs verboten. Er habe bis um Mitternacht des 25. Juni Zeit gehabt, einen Stadtrat auf die Beine zu stellen und dem Gemeinderat zur Abstimmung zu präsentieren. Auch Gemeindesekretär Antonio Travaglia sah keinerlei Gründe, die gegen eine erneute Abstimmung gesprochen hätten. Er berief sich auf ein Gutachten der Region Trentino-Südtirol. Darin geht es um die “Aufhebung und Enthebung des Gemeinderats”. In den Gemeinden der Provinz Bozen wird der Gemeinderat unter anderem aufgelöst, wenn nicht innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Gewählten die Wahl des Gemeindeausschusses, sprich im Falle Bozens des Stadtrates, erfolgt. “Zum Beteiligungsquorum und zum Zustimmungsquorum für die Wahl des Gemeindeausschusses macht der Regionalgesetzgeber […] keine Angaben. Ebenso wenig verfügt er Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Abstimmungen im Gemeinderat. Es geht somit in erster Linie darum, zu prüfen, ob es der Satzung und der Geschäftsordnung der Gemeinde zufolge unzulässig ist, dem Gemeinderat Beschlussvorschläge, die bereits abgelehnt bzw. nicht genehmigt wurden, erneut zu unterbreiten. Gibt es keine solche Unzulässigkeitsklausel oder sind Ausnahmen vorgesehen, ist davon auszugehen, dass die Wahl des Gemeindeausschusses wiederholt werden kann.” So weit das Gutachten, das Loretta Zanon, Leiterin der Abteilung II (Institutionelle Angelegenheiten, Ordnungsbefugnisse und Vorsorge) der Region Trentino-Südtirol, verfasst hatte.

Die einzigen Zweifel bestünden laut Zanon hinsichtlich der Möglichkeit, innerhalb derselben Sitzung über denselben Vorschlag abzustimmen. Doch dies war in Bozen nicht der Fall. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass “weder die Gemeindesatzung noch die Geschäftsordnung einer erneuten Abstimmung entgegenstehen”. So heißt es im Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni. Und auch weil man überzeugt war, dass “das öffentliche Interesse überwiegt, der Stadt […] durch eine zumindest einmalige Wiederholung der Abstimmung innerhalb der gesetzlichen Frist (25.06.2015, 24.00 Uhr) eine Regierung zu geben”, wurde dem Gemeinderat erlaubt, am Donnerstag ein zweites Mal über Programm und Regierung abzustimmen.


Rekurs innerhalb von 60 Tagen möglich

Argwöhnisch sieht dieses Vorgehen nicht nur die Opposition im Bozner Gemeinderat. Auch Igor Janes meldet Zweifel an. Im Interview mit dem Corriere dell’Alto Adige spricht der Bozner Staranwalt für Verwaltungsrecht über den Grenzfall: “Ich zweifle sehr stark an der Rechtmäßigkeit der Abstimmung vom 25. Juni. Der Gemeinderat hat sich 24 Stunden vorher regulär gegen den Stadtrat Spagnollis ausgesprochen. Man kann diese Ablehnung nicht einfach streichen.” Mit seiner Gegenstimme am 24. Juni habe der Gemeinderat seine Aufgabe erfüllt und den gesetzlich vorgesehenen Iter damit zu Ende gebracht. “Es bestand keinerlei Möglichkeit, die Abstimmung zu wiederholen”, betont Janes. Auf die Frage, wie es um einen möglichen Rekurs gegen den Beschluss stünde, antwortet der Rechtsanwalt: “Ich halte daran fest, der Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni weist rechtliche Mängel auf. Diese könnten zu seiner Annullierung führen.” Innerhalb sechzig Tagen besteht die Möglichkeit, gegen den Beschluss Rekurs beim Verwaltungsgericht einzulegen. Neben jedem Gemeinderat ist auch jeder Bürger der Gemeinde Bozen dazu berechtigt.