Politik | Flüchtlinge

Spielfeld Brenner

Der Grenzen-Wirrwarr löst sich nicht auf: Die Handelskammer spricht von "Zäunen und Checkpoints". Die Quästur scheint von den Plänen der Tiroler Polizei nichts zu wissen.

Die Pressemitteilung der Handelskammer Bozen, in der sie am Freitag Vormittag vor einer bevorstehenden Sperre der österreichisch-italienischen Grenze warnte und von “Vorbereitungen zur Errichtung eines Zaunes am Brenner” sprach, die im Gange sein sollen, hat erwartungsgemäß hohe Wellen geschlagen. Noch bevor die Tiroler Polizei am Nachmittag die Meldung zu dementieren versuchte, hatten sich bereits die Süd-Tiroler Freiheit (STF) sowie der Südtiroler Heimatbund (SHB) zu Wort gemeldet. “Wenn sich die Informationen der Handelskammer bewahrheiten (...), hätte dies wirtschaftlich und politisch katastrophale Folgen für Süd-Tirol und wäre das endgültige Scheitern der Europaregion Tirol”, zeigte sich STF-Politiker Sven Knoll alarmiert. SHB-Obmann Lang war sogar bis ins Wiener Außenministerium gegangen. Dort habe er “aus befreundeten Kreisen” erfahren, dass “innerhalb der nächsten vier Wochen die Planung und Vorbereitungen zur möglichen Schließung der Grenzübergänge am Brennerpass, am Reschen und in Winnebach abgeschlossen werden” sein sollen. “Dann könnte innerhalb von 24 Stunden der Grenzzaun bei Bedarf hochgezogen werden”, so Lang.

Dass Vorbereitungsmaßnahmen im Gange seien, dementierte die Tiroler Polizei in ihrer Klarstellung nicht. Diese würden allerdings ausschließlich der Durchführung von Kontrollen auf Straße und Schiene dienen. Von einer “beabsichtigten Sperre” könne keinesfalls die Rede sein. Der Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac präzisierte, dass neben personellen Maßnahmen auch “technische Vorkehrungen” getroffen würden, um die angedachten Kontrollen zu ermöglichen. Dabei halte man sich an die Vorgaben aus dem Innenministerium, das für die Grenzkontrollen zuständig ist, stellte die Tiroler Polizei klar. Und diese lauten, sich bei den “vorbereitenden Planungsarbeiten zu allfälligen Grenzkontrollen entlang der südlichen Bundesgrenzen (…) einheitlich an den Erkenntnissen zu Spielfeld” zu orientieren.

Es ist kein Geheimnis, dass dem österreichischen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Brenner ein “Grenzmanagement” wie jenes in Spielfeld vorschwebt. Denn man erwartet sich, dass sich die Fluchtroute vieler Menschen aufgrund der verschärften Einreisebedingungen an der Grenze zu Slowenien nach Westen, sprich, Richtung Italien verschieben könnte. “Jetzt gibt es am Brenner 200 bis 300 Grenzübertritte pro Tag. Sollte sich dies weiter verstärken, braucht es eine geordnete Einreise”, teilte ein Sprecher Doskozils der österreichischen Tageszeitung Die Presse mit, die aufgrund der Handelskammer-Aussendung dort nachgefragt hatte. Doch ebenso wie die Tiroler Polizei gab es auch aus dem österreichischen Verteidigungsministerium keinerlei genaue Information, wie diese “technischen Vorkehrungen” nun ausschauen. Das müssten Experten beurteilen – auch unter Berücksichtigung der “topographischen Gegebenheiten” vor Ort.

Ein Stück weit konkretere Auskunft kommt – ein weiteres Mal – aus der Handelskammer. Von der Süddeutschen Zeitung kontaktiert, erklärt Generalsekretär Alfred Aberer: "Es wird am Brenner wohl Zäune und Checkpoints wie am Grenzübergang Spielfeld in der Steiermark geben.” Es werde bereits an der Herstellung von Informationsmaterial und Flyern gearbeitet, ebenso sei das Zaunmaterial bereits bestellt worden, so Aberer, der wiederholt betont, die Informationen “aus seriöser Quelle” zu haben.

Ob der Wirrwarr, den die Handelskammer losgetreten hat, beabsichtigt war, ist nicht bekannt. Sowohl Landeshauptmann Arno Kompatscher als auch Soziallandesrätin Martha Stocker zeigen sich zugeknöpft, wollen über mögliche Grenzschließungen oder -kontrollen nicht informiert sein. Letztere verweist auf ein jüngstes Treffen der Euregio-Flüchtlings-Task-Force, auf dem dieses Thema keines gewesen sei. Und wenn Maßnahmen getroffen würden, dann in ausschließlicher Abstimmung zwischen Nordtirol, Südtirol, Trentino, Rom und Wien. Die Tiroler Polizei hingegen will bereits am Donnerstag die Quästur in Bozen über ihre Planungs- und Vorbereitungsarbeiten informiert haben. Das behauptete Helmut Tomac im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung. Auf Anfrage von salto.bz hieß es aus der Quästur: Davon wissen wir nichts.