„Unterhaltung darf kein Verbrechen sein“
Die langen Sommernächte haben begonnen – und damit auch die bekannten Probleme in Sachen Nachtleben. Lärmbelästigung, Sperrstunden, Alkoholkonsum: Zu den üblichen Ingredienzien des Dauerstreits zwischen Lokalbetreibern, Anrainern und Behörden kommen in diesem Jahr noch zusätzliche Schwierigkeiten der Festivalveranstalter. Seit Jahresbeginn werden die Lizenzen dafür von den Gemeinden ausgestellt. Dort sichert man sich vielerorts mit überzogenen Auflagen gegen mögliche Haftungen ab; mangels einheitlicher Regelung wissen Veranstalter nicht, was sie neben den üblichen bürokratischen Hürden noch alles erwartet.
2000 Unterschriften in 24 Stunden für Avaaz-Kampagne
Widerstand gegen die Einschränkungen von allen Seiten kommt nicht zuletzt von einer aktuellen Avaaz-Kampagne. Verlängerte Öffnungszeiten für Südtiroler Nachtlokale lautet der Aufhänger, unter dem bislang knapp 2500 Unterschriften gesammelt wurden – „2000 davon in den ersten 24 Stunden“, sagt Mit-Initiator Hannes Niederkofler von „Save the Nightlife Südtirol“. Eine Interessenvertretung der Jugendlichen, wie Niederkofler die seit mehreren Jahren bestehende Initiative mit fast 10.000 Unterstützern auf Facebook definiert. Denn: Bei den üblichen Diskussionen um Lizenzen und Öffnungszeiten kämen gewöhnlich ein paar Anrainer und die Lokalbesitzer zu Wort. „Dass gerade in der Peripherie vielfach bis zu 5000 bis 7000 Jugendliche mitbetroffen sind, wird allzu oft vergessen“, meint Niederkofler.
Mit konkreten wie konstruktiven Forderungen wollen er und seine MitstreiterInnen über die Avaaz-Kampagne neue Bewegung in die Diskussion ums Nachleben bringen. Und zwar nicht nur mit dem Ruf nach verlängerten Sperrstunden für Diskotheken oder der Öffnung von Veranstaltungsorten wie dem Museion oder der Festung Franzensfeste für private Veranstaltungen. So finden sich in der Petition genauso Vorschläge, wie Vandalismus verhindert und Sperrstunden reibungslos organsiert werden könnten – oder die umstrittene Glasverordnung in Bozen und Meran überarbeitet werden könnte. Übergeordnetes Ziel ist in jedem Fall die Verbesserung der Qualität des Nachlebens und der gemeinsame Widerstand gegen dessen Repression. „Denn es bewegt die Jugendlichen zu Exzessen in jeglicher Hinsicht aus einer Art Trotzreaktion“, wie es in der Kampagne heißt.
Achammer: "Wer bei Veranstaltungen Schwierigkeiten mit den Gemeinden hat, kann sich gerne bei mir melden"
Adressiert ist diese an Kultur- und Jungenlandesrat Philipp Achammer. Der scheint aber nicht einmal die angestrebten 3000 Unterschriften zu benötigen, um sich mit den Anliegen der Kampagne auseinander zu setzen. Immerhin sind ihm viele der Probleme spätestens seit einem Jugendkulturabend im Museion bekannt, an dem im vergangenen März über 100 VertreterInnen der Südtiroler Jugendkulturszene teilgenommen hatten. Konkretes Ergebnis des Treffens ist eine Arbeitsgruppe, in der sich bekannte Namen wie Tobe Planer, Kunigunde Weissenegger oder Klemens Riegler mit Konzepten für eine bessere Sichtbarkeit und Vernetzung der heimischen Jugendkulturszene auseinandersetzen und Lösungsvorschläge für die Probleme des Veranstaltungsmanagements erarbeiten. Gerade in dem Bereich gibt es erste Hoffnungszeichen, meint Achammer: „In den vergangenen Tagen hat der Gemeindenverband ein Rundschreiben verschickt, das zu einer Vereinheitlichung der Auflagen für Veranstaltungen in den Gemeinden führen soll.“ Langfristig sollen die Ergebnisse der aktuellen Arbeit als Jugendkultur-Paket in die Landesregierung gehen, verspricht der Landesrat.
Wie viel Einfluss hat er selbst jedoch auf Öffnungszeiten von Lokalen und Veranstaltungen? Kompetenzmäßig ist dafür der Landeshauptmann zuständig, sagt Achammer; bei einmaligen Veranstaltungen würden dagegen die Gemeinden entscheiden. Dennoch will der mit 28 Jahren jüngste Landesrat des Landes zumindest die Diskussion mitanstoßen: „Man sollte offen darüber reden, wo man bei Lokalen zumindest über leicht verlängerte Öffnungszeiten nachdenken kann statt dies von vornherein kategorisch abzulehnen.“ Denn wie Achammer betont: „Der Grundsatz muss schon sein, dass Unterhaltung kein Verbrechen, sondern ein Grundbedürfnis junger Menschen ist.“ Umso wichtiger findet er es, dass die reiche Jugendkultur des Landes nicht als Bedrohung oder potentielle Ruhestörung dargestellt wird – und sich die Szene als gewollt und unterstützt fühlem kann. Dafür will auch der Landesrat persönlich sorgen: „Wer bei Veranstaltungen Schwierigkeiten mit den Auflagen bei Gemeinden hat, kann sich bei mir melden“, sagt Achammer. „ich leiste gerne Unterstützung bei den jeweiligen BürgermeisterInnen.“
Nachleben
nach Nachtleben, statt Nachwehen nach Ehen ;-)