Politik | EU-Afrika

Afrika-Hilfe

Die EU finanziert in Afrika zahlreiche Hilfsprojekte. Wie kommen sie dort an? Funktionieren sie? Was kann verbessert werden? Ein Thema zur Erweiterung des Blickwinkels.

Ich bekomme die Newsletters der Europäischen Kommission und lese dort regelmässig auch Kurzberichte über die EU-Afrikahilfe. Gestern stand:  EU unterstützt Westafrika mit 1,15 Milliarden Euro bis 2020. Das Geld dient der Sicherheit, der wirtschaftlichen Integration und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen.

Von Afrika verstehe ich gar nichts. Doch mit den Folgen der offensichtlich  nicht ausreichenden Afrika-Hilfe werden wir alle zunehmend konfrontiert, durch die vielen Flüchtlinge, die nach Europa kommen. 

Ich weiss, dass viele Südtirolerinnen und Südtiroler in der Entwicklungshilfe stark engagiert sind. Einige opfern Lebensjahre, andere ihren Urlaub, um in Afrika zu helfen. 

Ich fände es sehr schön, wenn die Salto-Community darüber diskutieren/berichten könnte: ohne Fremdenhass, ohne beleidigende Worte.

Erlebnisberichte wären ideal oder Beiträge über Bekannte und Freunde, die in Afrika helfen.

Nicht nur ich möchte endlich wissen, welche Hilfe dort gut ankommt und welche zu verbessern wäre.

Alle regen sich derzeit über Griechenland auf, in extrem emotionalen Tönen, die oft unter der Gürtellinie landen und dadurch argumentative Schwächen blossstellen. 

Vielleicht ist es möglich, das zweite grosse ungelöste EU-Thema, nämlich die anschwellende Einwanderungswelle, ohne Gehässigkeit zu behandeln.

Wenn dies nicht möglich ist, bitte ich die Internet-Betreiber, entsprechende Antworten zu suspendieren.

Ich wünschte mir allerdings auch, dass sich mehr Frauen an den Diskussionen beteiligen. 

  

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Stefan Raffeiner Di., 07.07.2015 - 19:17

Liebe Frau Brugger,

ich hätte mich gefreut, wenn Sie „argumentative Schwächen“ meiner Replik aufgezeigt hätten. Denn ich hatte mich in meinem Beitrag auf Ihre Argumente bezogen und Sie auch bewusst direkt angesprochen, um eine Diskussion auf salto anzustoßen. Mir ging es auch nie um ein nicht enden wollendes Ping Pong, sondern nach der journalistischen Gepflogenheit Artikel-Replik-Gegenreplik hätte ich Ihnen das Privileg des letzten Wortes selbstverständlich eingeräumt und halte dies weiterhin, sollten Sie sich dennoch zu einer Gegenreplik entschließen. Mit „emotionalen Tönen unter der Gürtellinie“ meinen Sie, denke ich, einige Kommentare, die auch ich als solche verurteilen will und mit denen ich mich sicherlich nicht identifiziere.

Mit besten Grüßen

Stefan Raffeiner

PS. Im Übrigen kann ich Ihren Themenvorschlag zum anderen großen aktuellen EU-Thema, denn es ist ein EU-Thema, nur begrüßen und hoffe, dass Ihr Anstoß von der Salto-Community aufgenommen wird.

Di., 07.07.2015 - 19:17 Permalink
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Alfonse Zanardi Mi., 08.07.2015 - 08:58

Antwort auf von Stefan Raffeiner

Ich hatte auch gehofft dass sich auch auf Autorenseite eine gewisse Debatte zum Thema entwickeln könnte.
Grundsätzlich denke ich dass wir Salto-Leser großen Respekt und auch Dankbarkeit für Oktavia Brugger und ihre Beiträge empfinden, die zu einem wichtigen Bestandteil des Mediums geworden sind.
Bei dem kontrovers und heiß diskutierten Thema Griechenland führen klare Positionsbekenntnisse natürlich zu Reaktionen von Andersdenkenden. Das ist normal und für eine Bloggerin ja auch gut und wünschenswert, in der Regel waren die Kommentare hier aber höflich und respektvoll.

Mi., 08.07.2015 - 08:58 Permalink
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Harald Knoflach Di., 07.07.2015 - 20:57

Frei nach Jean Ziegler:
Ich glaube, es geht weniger darum Afrika "zu helfen", als vielmehr dem Kontinent einfach weniger auszubeuten. Das würde für eine positive Entwicklung schon reichen. "Helfen" können sich die Menschen dort selbst am besten.
Leider ist die EU wesentlich mitverantwortlich für die Not in Afrika. 1,15 Mrd. "Unterstützung" zu schicken ist Zynismus, wenn man im Gegenzug viel mehr kaputt macht.

Di., 07.07.2015 - 20:57 Permalink
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Stephan H. Mi., 08.07.2015 - 08:25

Der aktuelle Flüchtlingsstrom hat viel mit Geopolitik zu tun. Nachdem die NATO unter Schirmherrschaft der USA und einiger europ. Länder Lybien bombardiert und Gaddaffi (nachdem man Jahrzehntelang gute Geschäfte mit ihm gemacht hatte) abgesetzt hat.
Vorher war Lybien laut Berichten das wohlhabendste Land Afrikas, wie es den Menschen effektiv dort ging weiß ich leider nicht genau, auch nicht wie grausam der Diktator Gaddaffi wirklich war. Ich weiß nur dass wieder der Westen alles auf den Kopf gestellt hat. Auf alle Fälle ist Afrika ein sehr komplexes und schwieriges Land, das viel zu lange von allen Seiten ausgebeutet wurde. Viel vom Entwicklungsgeld kommt wohl bei den falschen Leuten, sprich den korrupten afrikanischen Oligarchen, an. Entwicklungshelfer berichten immer wieder darüber, dass es das Beste für die Afrikaner sei, zu lernen sich selbst zu helfen. Es ware interessant wenn sich ein Entwicklungshelfer/ eine Entwicklungshelferin zu Wort melden würden, dass man etwas mehr versteht was wirklich helfen würde. Ich finde aber, dass Afrika so groß und komplex ist, dass man wohl von Land zu Land, von Region zu Region auch wieder andere Bedürfnisse und Probleme hat. Siehe aktuell IS/Boko Haram, Hungersnöte, Sklaverei, Piraterie, Lösegelderpressungen usw.

Mi., 08.07.2015 - 08:25 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 08:42

Antwort auf von Stephan H.

Beim Bonner-Aufruf.eu sind auch Kommentare von Afrikanern und Entwicklungshelfern zu lesen.
Migration kommt den Politikern sogar gelegen wie Afrikaner meinen.Das ist sicher nicht ironisch gemeint. Da es die Unbequemen sind, sehen Afrikas Herrschende sie nur zu gerne ziehen. Präsident Biya hat zu meiner Zeit als Botschafter in Kamerun gar das Recht auf Migration nach Europa gefordert. Wer geht, geht häufig für immer. Das kommt den Ländern mittelfristig teuer zu stehen. Aber die so genannten Eliten in Afrika stellen sich nicht den Herausforderungen. Denn die Zeitbombe tickt. Die Jugendarbeitslosigkeit in den afrikanischen Ländern ist die höchste in der ganzen Welt. Stabilität wird es in Afrika nicht geben, solange diese Menschen keine Arbeit finden. Es grenzt an Staatsversagen, wie die Fürsorgepflicht für die Bürger vernachlässigt wird. Wie viele Tode muss es noch geben bevor die afrikanischen Staatschefs Interesse am Schicksal dieser Menschen zeigen?Kennen Sie eine Stellungnahme eines Staatschefs aus Afrika zu den Katastrophen im Mittelmeer?

Mi., 08.07.2015 - 08:42 Permalink
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Stephan H. Mi., 08.07.2015 - 09:13

Antwort auf von Volker Seitz

Geehrter Herr Seitz, vielen Dank für Ihre Antwort und Ihre Teilnahme an der Diskussion. Ich erlaube mir, Sie als Botschafter der BRD a.D. und Kenner Libyens einfach mal zu fragen, ob es den Libyiern unter Gaddaffi sehr schlecht ging bzw. wo die Hauptprobleme lagen? War Libyen nicht eines der reichsten Länder Afrikas bevor es nach der Bombardierung des Westens in Chaos (IS-Terrorismus, Flüchtlinge usw.) versank? Und stimmen Sie der Aussage zu, dass eine der Hauptflüchtlingswellen von Afrika nach Europa nach der Bombardierung Libyens durch die NATO und der Absetzung Gaddaffis eingesetzt hat? In Südtirol hat man nicht oft die Gelegenheit mit einem Botschafter a.D. und Afrikakenner zu sprechen, also nehm ich die Gelegenheit wahr, ich hoff es waren nicht zuviele Fragen auf einmal.

Mi., 08.07.2015 - 09:13 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 08:32

Gerne wird behauptet, dass die wohlhabenden Länder eine Verpflichtung haben die Entwicklung der ärmeren Länder voranzubringen und wir damit die Flüchtlingswellen stoppen könnten. Inzwischen gibt es zahlreiche Afrikaner wie Andrew Mwenda, George Ayittey, Moeletsi Mbeki die die Verlogenheit der florierenden Hilfsbranche anprangern, die die passive Lebenseinstellung von Bedürftigen eher noch fördert. Zahlreiche karitative Organisationen suchen in Afrika ihre Daseinsberechtigung und ihr materielles Auskommen. Wie ein Land durch bessere Steuerpolitik und ein investitionsfreundliches Klima erfolgreich sein kann zeigen Ruanda, Botswana und Mauritius. Dort wird ausreichend investiert, es gibt ein gutes Bildungssystem, genug Energie, ein funktionierende Infrastruktur, Rechtssicherheit. Aus diesen Ländern will kaum jemand nach Europa.Die Herkunftsländer werden durch den Abfluss von zumeist jungen und leistungsfähigen Männern permanent schwächt. Sie versprechen sich ein besseres Leben. Bei uns gibt es Mitleid und soziale Fürsorge. Die afrikanischen Sender informieren regelmäßig über die Flüchtlinge in Europa und wie sie es geschafft haben. Das führt -wegen der Hoffnung auf Teilhabe am westlichen Wohlstand- zu so genannten Kettenzuwanderung aus dem selben Land. Auch die Programme der BBC und Radio France International-die 24 Stunden non stop für Afrika senden- sind sehr beliebt. Deshalb sind Afrikaner sehr gut über Löhne und Sozialleistungen informiert. Wenn es dem Westen nicht gelingt, diese Regime von der Notwendigkeit von Reformen zu überzeugen, ist Entwicklungshilfe ist kein Mittel um die Menschen aus Afrika abzuhalten nach Europa zu kommen.Wir müssen die Verantwortung für unsere Hilfe übernehmen. Es wäre besser wir würden die Hilfen aktiv kontrollieren. Es gibt in der Tat Länder wo der Wille zur Veränderung von den Afrikanern selbst ausgeht , dort kann Entwicklungshilfe zur Erfolgsgeschichte werden. Aber mehr Geld bedeutet nicht mehr Entwicklung.Wer sich für Afrika interessiert findet unter www.Bonner-Aufruf.eu stets aktuelle Informationen zu allen Bereichen.
Volker Seitz, Botschafter a.D/Buchautor

Mi., 08.07.2015 - 08:32 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 08.07.2015 - 10:58

Antwort auf von Volker Seitz

Kann Herrn Seitz nur zustimmen. Man liest hier und da, dass auch bei den großen Hilfsorganisationen ca. ein Drittel der Spendensummen in "Verwaltung" verloren geht. Da stellt sich schon doch oft die Frage ob die Organisation nicht erst mal sich selber hilft, bevor sie anderen hilft...

Mi., 08.07.2015 - 10:58 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 12:56

Sehr geehrter Herr Stephan H.,
gerne beantworte ich Ihre Fragen. Den Libyern ging es unter Gaddafi nicht schlechter als den Menschen in anderen arabischen undemokratischen Regimen ohne Meinungsfreiheit. Sein brutales und korruptes Regime hat allerdings unter politischen Gegnern zu zahlreichenOpfern geführt. (Sein Vermögen, das im Ausland noch versteckt ist, wird auf bis zu 40 Milliarden Euro geschätzt.) Gaddafi war für die Terroranschläge auf Flugzeuge (Lockerbie 1988 und UTA über Niger 1989) verantwortlich. 15 Jahre später hat er dies anerkannt und Entschädigungszahlungen gezahlt. In meinem Buch habe ich eine Reise von Gaddafi nach Ghana im Juli 2007 mit seiner Karawane von 103 Geländewagen, Kamelen , die mit 8 Transportflugzeugen herangeschafft wurde,beschrieben.
Der in einem Kommentar genannte Jean Ziegler gehörte zu seinem Bewunderern und lies sichvon ihm mit einem Preis auszeichnen.
Die Bombadierung Libyens war ein großer Fehler insbesondere von dem damaligen französischen Präsidenten Sarkozy. Einer großen Scharfmacher war und ist Bernard-Henry Lévy. Er sieht bis heute nicht ein, dass die Bombadierung zu dem Chaos geführt hat und viele Staaten um Libyen herum destabiliert wurden. Manchmal muß man mit den "Teufel" paktieren , um Schlimmeres zu verhindern. Mit den Schleuser-Praktiken werden heute auch terroristische Netzwerke finanziert. Die Unruhen in Mali wurden nach Gaddafis Tod mit Waffen aus Libyen (und lt. französischen Medien mit Geld aus Katar) geführt.
Es gibt z.B. in Libyen Milizen, die Schleuser-Organisationen schützen. Flüchtlinge werden auf seeuntaugliche Boote ohne ausreichend Wasser und Nahrungsmittel verfrachtet.In Frankreich haben sich nach Pressemeldungen Schleuserorganisationen darauf spezialisiert, Migranten aus dem frankophonen Afrika ins Land zu holen. Es sind dieselben Organisationen, die den Markt für Schwarzarbeit in den großen Städten kontrollieren.
Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen beantwortet.

Mi., 08.07.2015 - 12:56 Permalink
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Stephan H. Mi., 08.07.2015 - 13:38

Antwort auf von Volker Seitz

Vielen, vielen Dank für die klaren Antworten auf meine Fragen. Besonders bestärkt in meiner Meinung über die Krisen des islamischen Raumes, hat mich Ihre Aussage mit dem notgedrungenen Paktieren mit dem "Teufel", die auch auf Syrien und Assad zutreffen könnte. Dazu haben sich ja auch schon viele Experten ähnlich wie Sie geäußert. Interessant ist auch, dass der erwähnte Bernard-Henry Lévy scheinbar öfters (auch in Tunesien?) eine etwas undurchsichtige Rolle bei diesen Konflikten spielt, so könnte man dies jedenfalls laut Berichten aus dem Internet interpretieren. Bernhard-Henry Lévy gehört interessanterweise genau zu jenen 89 Personen aus der EU, die seit Mai nicht nach Russland einreisen dürfen, das könnte vielleicht seine Gründe haben, Stichwort Farbrevolutionen...? Peter Scholl-Latour meinte ja immer, dass die derzeitige Poltik der USA und des Westens (besonders wegen Libyen und Syrien) den ganzen islamischen Raum in ein nicht enden wollendes Chaos mit Krieg und Terror stürzen wird, ich habe dazu sein letztes Buch "Der Fluch der bösen Tat" gelesen. Diese westliche Politik hat natürlich diese aktuell enorme Flüchtlingswelle ausgelöst. Es ist eine Freude hier auf Salto mit Menschen diskutieren zu dürfen, die Jahrzehnte im diplomatischen Dienst vor Ort waren, das ist eine enorme Bereicherung aus der man nur lernen kann.

Mi., 08.07.2015 - 13:38 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 13:28

Sehr geehrte Frau Brugger,
bitte lesen Sie die Mitteilungen der EU Kommission zur Entwicklungshilfe kritisch.
Beispiel: Anfang Oktober 2013 berichteten mehrere deutsche und französische Medien, dass im Kongo mindestens eine Milliarde Euro an Steuergeldern versickert sind . Der damalige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy versuchte, Nachrichten über die Verschwendung von EU-Steuergeldern herunterzuspielen weil er sich um das Image der EU-Kommission sorgte.
Es gab in den letzten Jahren in einigen wenigen Staaten Verbesserungen. Aber gemessen an dem, was möglich wäre, schneiden die meisten afrikanischen Staaten schlecht ab. Zu lange haben EU Kommission und internationale Entwicklungshilfe-Organisationen keine oder nur unzureichende Rechenschaft über ihre Erfolge oder Misserfolge abgelegt.

Bei keinem mir bekannten Projekte wurden bereits zu Beginn klare Ausstiegsszenarien definiert und die Regierung des Gastlandes zur entschlosseneren Umsetzung der Reformen und zu verstärkter Eigenleistung zu gedrängt. Reformen kann man nicht kaufen. Man kann sie nur mit Geld unterstützen, wenn der politische Wille da ist. Ohne wirtschaftliche Vernunft kann man keinen flächendeckenden und dauerhaften Wohlstand schaffen.
Es gibt -wie in Griechenland- auch in Afrika einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und der Qualität von Institutionen. Wo ein Staat nicht effizient und ungerecht ist, wo der Rechtsstaat und die Korruption im Wege stehen, wird die Jugend in die Emmigration getrieben. Um mit Hermann Hesse zu sprechen: Schicksal ist nichts, das von irgendwo herkommt, es wächst im eigenen Innern.

Mi., 08.07.2015 - 13:28 Permalink
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Martin Daniel Mi., 08.07.2015 - 15:08

Wäre interessant zu verstehen, welche Ursachen mehr verantwortlich für die Ist-Situation haben: Die Afrika-internen, welche die in den Kommentaren beschriebenen Verhaltensweisen von Regierenden ("Staatsversagen") und der Einstellung ("Wille zur Veränderung") der Bevölkerung umfassen oder die externen Ursachen, wie sie u.a. von der europäischen Landwirtschaftspolitik und dem Agieren westlicher Multis dargestellt werden.
Ein Problem scheint, dass letztere und Staaten wie China scheinbar als einzige bereit sind, große Investitionen zu tätigen und dadurch einen häufig ausbeuterischen Eingriff tätigen, der langfristig mehr Schaden als Nutzen für die betroffene Bevölkerung (v.a. Bauern) hervorruft. Könnten Infrastrukturprojekte oder Bildungseinrichtungen auch von einem Zusammenschluss demokratischer Staaten angestoßen und finanziell mitgetragen werden? Oder wird das schon gemacht?

Mi., 08.07.2015 - 15:08 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 15:54

Antwort auf von Martin Daniel

Zur EU Landwirtschaftspolitik:Die  Agrarexportsubventionen wurden bereits 2009 gestrichen. Landwirtschaftliche Produktförderung durch die EU gibt nicht mehr. Restzusagen werden noch abgewickelt, neue Zusagen nicht mehr gemacht. Als weiterer Grund für die Not in Afrika wird fälschlicherweise oft angeführt, dass es keinen fairen Zugang zu den Märkten der Industrieländer gibt. «Everything but Arms»(«Alles außer Waffen») heißt aber ein Programm der EU, das im Jahr 2001 zur Unterstützung der am wenigsten entwickelten Ländereingeführt wurde – 34 von ihnen liegen in Afrika. Das Programm garantiert diesen Ländern den zollfreien Zugang zu den EU-Märkten für alle Güter– außer Waffen. Die Welthandelsorganisation sieht eine Ausnahme vor, die eine einseitige Marktöffnung erlaubt. Danach dürfen sie alle Produkte außer Waffen zollfrei in die EU exportieren. Bereits Bill Clinton unterzeichnete den African Growth and Opportunity Act (AGOA). Seither darf ein großer Teil aller Waren aus Afrika zu bevorzugten Konditionen in die USA exportiert werden, auch Textilien genießen Vergünstigungen. Das Problem bleibt aber, dass diese Staaten oft gar keine wettbewerbsfähigen Produkte anbieten können.
Bildung:Es fehlt in vielen Staaten an einem Bildungssystem , das Chancen für Jugendliche schafft, indem sie für potentielle Arbeitgeber ausgebildet werden. Viele Afrikaner sind mit dem Bildungsangebot der Schulen und Hochschulen nicht zufrieden, weil sie nicht darauf vorbereitet werden, sich für die Verbesserung der eigenen Lebenssituation engagieren zu können. Die Bildungsmisere ist die Ursache der Probleme vieler afrikanischer Staaten, weil die Regierungen nicht in die menschlichen Fähigkeiten investieren. Würden sie das tun, bräuchten sie vermutlich viel weniger Hilfe. Mit Eigeninitiative lässt sich aber auch in Afrika weiterkommen. Nicht zuletzt ist der Zugang zu Informationen und Lernstoff in den Städten viel einfacher geworden. Deshalb sind die Lehrveranstaltungen der ETH Lausanne(wie ähnliche englischsprachige Programme von US Universitäten) , die kostenlos im Internet abgerufen werden können, eine konstruktive Initiative. Diese Studienförderung die das Selbstbewusstsein und das Eigenwertgefühl der Menschen aufbauen kann, hilft -nach meinen langjährigen Erfahrungen- wirklich.
Ein "Problem" gibt es allerdings: Der südafrikanische Wissenschaftler Moeletsi Mbeki ist überzeugt, dass "einige afrikanische Machthaber Angst vor zu viel Bildung haben, denn damit werden sie automatisch zunehmend hinterfragt." Mit Bildung werden die Bürger selbständiger. Sie hinterfragen etablierte Strukturen und erkennen immer mehr, wie die Politik in ihren Ländern abläuft und nicht unbedingt jede Entscheidung die bestmögliche für möglichst viele ist, sondern in den Personen liegender und dem Gemeinwohl zuwiderlaufender Faktoren sie beeinflussen.
Statt auf Hilfe von außen zu warten, , gründete der 38-jährige Ghanaer Fred Swaniker die «African Leadership Academy» in Johannisburg. Eine Kaderschmiede für die künftige Elite, der nicht nur ihre eigene Karriere, sondern das Wohl des Kontinents am Herzen liegt.African Leadership Academy» – einer Schule für Jugendliche vom ganzen Kontinent. Der Kontinent dürfe sich nicht länger auf ausländische Investitionen und Entwicklungshilfe verlassen". «Afrika muss sein Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen.» Dazu brauche man vor allem eines, «Führungspersönlichkeiten». Politiker, die als die neuen Nelson Mandelas für Frieden, Stabilität und Demokratie sorgen. Wissenschaftler, die Impfungen gegen Malaria und Ebola entwickeln. Unternehmer, die «afrikanische Googles und Microsofts» gründen.

Mi., 08.07.2015 - 15:54 Permalink
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Volker Seitz Mi., 08.07.2015 - 16:02

@Oskar Egger
Hierzu Wikipedia:Der Internationale Gaddafi-Preis für Menschenrechte war eine von 1989 bis 2010 jährlich vergebene Auszeichnung, gestiftet von und benannt nach dem damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi.[1] Vergeben wurde der Preis nach Angaben der Organisation unter anderem an Personen, die sich dem friedlichen Kampf für die Freiheit von Menschen und Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hätten und gegen rassistische Diskriminierung kämpften.[2]

Der Preis wurde in den ersten Jahren von der Schweizer Nichtregierungsorganisation (NGO) Nord-Süd XXI auf Mandatsbasis gemanagt. Deren Aufgabe war es, unter anderem, Preisträger vorzuschlagen. Genannte NGO wurde von der Schweizer Stiftung Institut Nord-Sud pour le dialogue interculturel unterstützt, als deren Vizepräsident Jean Ziegler von 2002 bis 2009 fungierte. Dieser bezeichnete den Gaddafi-Menschenrechtspreis als „Anti-Nobelpreis der Dritten Welt“. Damalige Medienberichte, wie zum Beispiel der Nachrichtenagentur UPI oder dem Time Magazine, er habe der Preisjury angehört, weist er heute als „objektiv falsch“ zurück. Auch den ihm selbst 2002 zugesprochenen Preis habe er abgelehnt.[3][4] Der NZZ zufolge soll Ziegler allerdings bereits 1989 als Mitglied nicht nur des Preiskomitees, sondern auch des siebenköpfigen Exekutivbüros der Preisauslober genannt und noch im September 2010 als Mitglied des Exekutivbüros aufgeführt worden sein.[5]

Mi., 08.07.2015 - 16:02 Permalink
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Oskar Egger Do., 09.07.2015 - 07:27

Antwort auf von Volker Seitz

Jean Ziegler mag kontrovers sein, er ist aber einer der großen Denker (die sich immerhin irren dürfen) und zu @VolkerSeitz: Süddeutsche Zeitung " 21. September 2012, Jean Ziegler im Gespräch "Zu Kuba stehe ich

Eine gute Entwicklung?

Absolut. Die WTO war die Speerspitze der Ultraliberalisierung. Auf ihren Druck hin haben Länder wie Haiti ihre Schutzzölle für Reis dreimal herunterfahren müssen. Heute wird Haiti von amerikanischem Reis überschwemmt, oder Mexiko von amerikanischem Mais. Das ruiniert die Bauern in diesen Ländern. Das Projekt der WTO - Wohlstand durch ungebremsten Freihandel plus Privatisierung der öffentlichen Sektoren - ist gescheitert. Und das ist gut so.

Bei Ihrem Kampf für die Armen der Erde sind Sie oft für Ihren Kontakt mit antiwestlichen Politikern kritisiert worden: Bereuen Sie Ihre Nähe zu undemokratischen Staatsführern, die Sie im Zuge Ihrer Arbeit eingenommen haben: Ihr Lob für Kuba ...

... das halte ich total aufrecht!

... der Gaddafi-Preis ...

Nein, nein, das ist falsch. Das ist eine internationale Desinformationskampagne.

Aber Sie saßen 1989 im Preiskomitee ...

Nein, das ist ein Fabrikat bestimmter proisraelischer Organisationen wegen meines Berichtes über Unterernährung in den besetzten Gebieten. Das ist absolut erwiesen.

(Anm. d. Red.: Zieglers Rolle bei dem vom libyschen Diktator gesponserten "Gaddafi-Preis für Menschenrechte" ist heftig umstritten. Mit dem Preis wurden vor allem Gegner der US-Politik ausgezeichnet - darunter 2002 der Holocaust-Leugner Roger Garaudy. Laut Neuer Zürcher Zeitung war Ziegler aktiv an diesem Projekt beteiligt, auch Organisationen wie der Jüdische Weltkongress halten ihm seine Kontakte zu Gaddafi vor. Ziegler beschuldigt im Gegenzug Israel, sich dafür rächen zu wollen, dass er den Besatzern Schuld am Hunger in den Palästinensergebieten gegeben hatte.)

Aber zu Kuba stehe ich. Die sozialen Errungenschaften in Sachen Bildung, medizinischer Versorgung, Hungerbekämpfung sind unglaublich. Die Lebenserwartung liegt so hoch wie in der Schweiz! An der sozialen Front wurde der Prozess gewonnen, an der demokratischen Front braucht es Verbesserungen.

Weiter muss er sich erst mal nicht rechtfertigen: Eine Hotelangestellte unterbricht das Gespräch. Auch Zieglers Taxi zum Flughafen ist da. Vorher muss er aber noch sein Buch signieren. Wem er die Unterschrift denn widmen solle, fragt Ziegler die Hotelangestellte. Dem Hotel? "Nein, das sind ja Menschen!". Dem "Team" des Hotels, schlägt die junge Frau vor. Nicht mit dem alten Antiimperialisten: "Team? Nein, das ist amerikanisch, das will ich nicht." Am Ende schreibt er "Mitarbeiter". Letzte Fragen.

Ein Satz noch zu Gaddafi. Er hatte mal einen Status in der Linken.

Da haben Sie recht.

Aber er war immer brutal.

Nein, er war der neue Nasser (ehemaliger ägyptischer Präsident und Schlüsselfigur des modernen arabischen Nationalismus; Anm. d. Red.).

Haben Sie ihm das abgekauft?

Es gibt Fakten: Er hat mit den Freien Offizieren das Erdöl verstaatlicht. Er hat den korrupten König Senussi gestürzt und die größte amerikanische Militärbasis auf dem Kontinent aufgelöst. In der ersten Zeit war das eine der nationalistischen Revolutionen - wenn man die Befreiungsbewegungen unterstützte, war das durchaus positiv. Nachher kam die totale Perversion.

Hat er sich denn je für sein Volk interessiert?

Ja! Aber nachher ist er verrückt geworden. Er hat seine Genossen aus dem Revolutionsrat einen nach dem anderen eliminiert. Am Anfang war die Solidarität der europäischen Linken gerechtfertigt. Als blutrünstiger Henker ist er gestorben."

Do., 09.07.2015 - 07:27 Permalink
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Profil für Benutzer Waltraud Astner
Waltraud Astner Mi., 08.07.2015 - 21:27

Afrika wird es auch nicht erspart bleiben sich den Bedingungen der restlichen Welt anzupassen. Die Globalisierung und die offenen Märkte machen nämlich auch vor Afrika nicht halt. Die Erlöse vom Ausbeuten der Ressourcen, die jetzt skrupellose Kleptokraten in die eigene Tasche stecken, müssen endlich einmal als Mehrwert der Bevölkerung zugute kommen, z.B. für flächendeckende Schulbildung. Es ist nämlich bequem wenn das Gros der Bevölkerung die Begründung für ihre eigene Armut nicht durchschaut, weil die Potentaten nicht imstande sind oder nicht wollen, dass die Reichtümer Afrikas allen zum Nutzen werden können. Aber bevor in Afrika nicht stabile Verhältnisse und demokratische Systeme zum Tragen kommen, wird es keine internationalen Investitionen und keine Wirtschaft geben, die global gesehen Bestand hat. Jenen, die ständig die sog. Ausbeutung Afrikas bemühen, sei gesagt, dass genau dasselbe überall auf der Welt passiert, mit dem Unterschied, dass z.B. Asien und Südamerika zumindest auf dem Weg sind durch ihre Wirtschaftspolitik einen relativen Wohlstand für alle zu schaffen. Denn wenn mit den Erlösen ständig Milizen ausgerüstet werden, die Stammesfehden ausfechten, anstatt für Bildung zu sorgen, ist es kein Wunder dass keine geregelte Wirtschaft entstehen kann. Deshalb werden auch Gelder für Entwicklungshilfe im großen Stil nichts fruchten, allenfalls kann durch kleinere überschaubare Projekte, die größte Not der Bevölkerung gelindert werden. Deshalb möge man mit der großflächigen Entwicklungshilfe aufhören, damit sich Afrika endlich selbst helfen muss.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kommentar-warum-afrika-dank-entwi…
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kommentar-warum-afrika-dank-entwi…

Mi., 08.07.2015 - 21:27 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Do., 09.07.2015 - 07:08

Bezüglich Beteilung von Frauen an den Diskussionen: anfangs gab es etliche, meiner Ansicht nach wurden sie durch eine retrograde Gesprächs(un)kultur von offensichtlich pseudointellektuellen männlichen Diskussionsteilnehmern hinausgebissen. Eine Kostprobe von dem beschriebenen Niveau haben Sie in den auch schon zu spüren bekommen. Nur, haben die meisten Frauen nicht Ihre Stärke und sind durch den Alltagskleinkrieg schon so geprüft, daß sie einfach keine Lust auf Debatten mehr haben. Oft fehlt auch der Wille, sich an der res publica zu beteiligen. Und mache haben sich wohl, zwecks Steigerung der Autorität, zur virtuellen Geschlechtsumwandlung entschlossen :)

Do., 09.07.2015 - 07:08 Permalink
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Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher So., 12.07.2015 - 11:52

Binyavanga Wainaina zählt zu den markantesten Intellektuellen Afrikas. Im Monatsmagazin Geo 05/15 (wohl in allen Bibliotheken) gibt es lesenswertes Interview mit ihm. Einige kurze Aussagen (Ausschnitte):
"Unglaublich, dass sich eine Gesellschaft entschieden hat, sich einfach abzuschließen (....) Dabei ist klar, dass der europäische Kontinent junge Leute braucht. Bei uns sitzt die Kraft, die Europäer kapieren das bloß nicht. Selbst für qualifizierte Zuwanderer ist es oft einfacher, zu Fuß die Sahara zu durchqueren, als legal nach Europa zu kommen."
Es gibt ein Grundbedürfnis nach Bewegung. Jede Gesellschaft kennt Märchen, in denen junge Männer sich aufmachen, um sich anderswo zu erproben.(...) Und: Diejenigen , die durch die Sahara gehen, sind keine hinterwäldlerischen Analphabeten, sondern gebildete, offene Leute, die sich Gedanken über ihre Zukunft machen."
"All die neuen Häuser in Dakar sind vom Geld der Emigranten gebaut. Ich bin mir sicher, dass 80 Prozent von ihnen illegal nach Europa gegangen sind"
Binyavanga Wainaina spricht weiters auch noch vom Umbruch in Afrika, der neuen Freiheit, von der jungen Kraft, die sich in Afrika entwickelt, aber auch über die dort entstehende neue Wirtschaft, die Informatisierung, aber auch über Probleme.

So., 12.07.2015 - 11:52 Permalink