Operation Zelger
Kennen Sie Marco Di Maio?
Wenn nicht, dann sind Sie wahrscheinlich nicht allein. Der 31jährige Radiojournalist und Medienunternehmer aus Forlì hat eine fulminante politische Karriere hingelegt. Im April 2005 wird Di Maio Stadtviertelrat von Carpinello-Villa Rotta-Castellaccio in Forlì. Acht Jahre später bei den Parlamentswahlen 2013 zieht der Youngster dann für den PD in die Abgeordnetenkammer ein. Als politischer Hinterbänkler erfolgt am 8. April 2014 eine Beförderung. Weil Maria Elena Boschi zur Ministerin ernannt wird, zieht Marco Di Maio in die Verfassungskommission der Kammer ein.
Genau in dieser Kommission sollte vergangene Woche der Abgeordnete aus der Emilia Romagna still und leise der Südtiroler Volkspartei in einer parteiinternen Personalfrage aus der Patsche helfen. Der Plan ging aber in die Hose. „Es ist mir gelungen, diesen Handstreich zum zweiten Mal abzuwenden“, sagt der Südtiroler SEL-Abgeordnete Florian Kronbichler nicht ohne Stolz.
Lässt man die ganze Geschichte von Beginn an Revue passieren, kann man den Gemütszustand des oppositionellen Südtiroler Parlamentariers durchaus nachvollziehen.
Hans Zelger ist ein Urgestein der SVP. Der am 2. November 1942 geborene Jurist war Gemeindesekretär und jahrzehntelang Bürgermeister von Deutschnofen. Zelger war innerhalb der SVP der Fachmann für Gemeindepolitik. So war der Deutschnofner von 1990 bis 2000 auch zehn Jahre lang Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes.
Am 2. Mai 2000 – Zelger hatte als Bürgermeister inzwischen abgedankt – folgte die Beförderung des SVP-Parteisoldaten. Der Landtag ernennt an diesem Tag allein mit den Stimmen der SVP den langjährigen Parteikollegen zum Richter am Bozner Verwaltungsgericht.
Hans Zelger ist ein durchaus versierter Jurist. Was seine Kritiker aber von Anfang an bemängeln, ist ein latenter Interessenskonflikt. Laut Landesstatistikinstitut (Astat) betreffen 46,1 Prozent der Verfahren vor dem Bozner Landesgericht die Bereiche „Bauwesen und Urbanistik“, 21,7 Prozent den Bereich „Öffentliche Verwaltung und öffentlicher Dienst“. Beim allergrößten Teil dieser Verfahren gehen Bürger gegen Maßnahmen der Gemeinden vor.
Der Gemeindeverband ist aber die Interessenvertretung und die Lobby der Gemeinden. Zelger stand somit jahrzehntelang auf einer Seite. Und jetzt plötzlich soll er unabhängig und unparteiisch sein? Man stelle sich vor: Der Generalsekretär einer Gewerkschaft wird über Nacht zum Arbeitsrichter ernannt. Die Wirtschaft würde kopfstehen.
Der Generalsekretär einer Gewerkschaft wird über Nacht zum Arbeitsrichter ernannt. Die Wirtschaft würde kopfstehen.
Hans Zelger ist innerhalb der SVP aber für Höheres berufen. 2008 wird der ehemalige SVP-Gemeindenchef auf Drängen der SVP in Rom von der Regierung als Staatsrat vorgeschlagen. Weil der römischen Verwaltungsgerichtsbarkeit die Hausberufung aus der Brennerstrasse aber suspekt ist, wird die Ernennung politisch blockiert. Fast vier Jahre dauert es, bis Hans Zelger seinen Job als Staatsrat antreten kann. Erst im Sommer 2012, als die Regierung Monti die SVP-Stimmen braucht, wird er zum Staatsrat ernannt.
Unerwartete PensionierungDoch dann passiert etwas, mit dem man in der SVP-Parteizentrale nicht gerechnet hatte. Kaum hat sich Hans Zelger im römischen Staatsrat eingewöhnt, scheint sein Ausflug in die höchste Ebene der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit auch schon wieder zu Ende zu sein.
Im Sommer 2014 behandelt das Parlament die Reform der öffentlichen Verwaltung. In dem Gesetzespaket findet sich auch ein Bestimmung, mit der das Pensionsalter der Verwaltungsrichter von 75 Jahren auf 70 Jahre gesenkt wird. Nach dieser Bestimmung müsste Hans Zelger Ende 2015 in Pension gehen.
Weil der Deutschnofner Jurist aber unbedingt in Rom bleiben will oder weil ihn seine Partei anscheinend im Staatsrat braucht, bewegt sich die SVP-Fraktion umgehend. Die SVP-Abgeordneten bringen im Verfassungsausschuss einen Abänderungsantrag ein, mit dem für Südtirol eine Ausnahmebestimmung genehmigt werden soll. Südtiroler Verfassungsrichter sollen bis zum 75. Geburtstag tätig sein dürfen. Damit könnte Hans Zelger bis zum November 2017 Staatsrat bleiben.
Eingebracht wird der Abänderungsantrag ausgerechnet vom SVP-Parlamentarier Manfred Schullian. Der Kalterer Anwalt ist auch einer der renommiertesten Verwaltungsrechtler Südtirols. Ein Großteil seiner Fälle spielt sich demnach am Verwaltungsgericht Bozen und am Staatsrat in Rom ab. Doch diese schiefe Optik stört in Südtirol anscheinend niemanden.
In Rom aber macht Florian Kronbichler gegen die geplante Zelger-Rettung mobil. Als der Antrag in einer gemeinsamen Nachtsitzung des Justiz- und Verfassungsausschusses der Kammer am 25. Juli 2014 behandelt wird, hält der Südtiroler SEL-Abgeordnete eine Brandrede gegen die geplante Sanierung unterm Edelweiß. Und er schafft es im Ausschuss eine Mehrheit zu bekommen. Der Abänderungsantrag wird abgelehnt.
Hans Zelgers Verlängerung als Staatsrat scheint für die SVP eine besonders wichtige Angelegenheit in Rom zu sein. Nur so ist es erklärlich, dass man in Rom einen zweiten Anlauf macht. Diesmal will man es verdeckt und besonders geschickt machen.
Weil ein SVP-Antrag der Opposition auffallen könnte, spannt man den PD-Politiker Marco Di Maio ein.
Der Anlass ist das sogenannte „milleproroghe“- Gesetz, das derzeit im Verfassungsausschuss behandelt wird. In diesem Sammelgesetz finden sich Tausende verschiedener Gesetzesinitiativen, die bereits verabschiedet wurden, deren Inkrafttreten aber verlängert werden muss. Darunter auch die geplante Pensionsreform der Verwaltungsrichter.
Marco Di Maio hat jetzt einen unscheinbaren Abänderungsantrag zu Artikel 2 des Gesetzes eingebracht. Der Antrag ist für einen Außenstehenden kaum und für einen Politiker zumindest schwer verständlich. Der gesamte Text ist ein Satz:
„Al comma 1, alla lettera a), premettere la seguente:
0a) all'articolo 1, comma 3-ter, le parole: «31 dicembre 2015» sono sostituite dalle seguenti: «30 giugno 2017»;.“
Die Erklärung: Die Pensionsfrist für die Verwaltungsrichter oder Staatsräte, die bereits 70 Jahre alt sind, soll von Ende 2015 auf Ende Juni 2017 verlängert werden. Es ist genau das, was die SVP unbedingt für Hans Zelger erreichen will.
Ein Zufall? Wohl kaum.
Doch jemand dürfte Florian Kronbichler nicht nur auf den unscheinbaren Abänderungsantrag des PD-Abgeordneten hingewiesen haben, sondern auch auf die politischen Hintergründe.
Das Gesetz und der Abänderungsantrag stehen in der ersten Februarwoche in der Verfassungskommission der Kammer auf der Tagesordnung. Florian Kronbichler liegt aber ausgerechnet vergangene Woche mit einer schweren Grippe im Bett. „Ich habe deshalb verschiedene Mitglieder der Kommission und auch Regierungsvertreter per Email auf diese SVP-Aktion hingewiesen und energisch dagegen protestiert“, sagt der Südtiroler Oppositionelle.
Die Aktion hat Erfolg. Marco Di Maio zog den Abänderungsantrag vor der Behandlung wieder zurück.
Eine Frage bleibt: Warum soll Hans Zelger unbedingt bis 2017 Staatsrat bleiben?
Eine mögliche Antwort: Er soll Platzhalter spielen. Spätestens Anfang 2018 endet in Rom die laufende Legislatur und dann...
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?
Bravo, Flor!! Genau dafür
Bravo, Flor!! Genau dafür haben wir dich gewählt, um solchen Knalltüten das Handwerk zu legen. Chapeau!
Für wen könnte er Platzhalter
Für wen könnte er Platzhalter spielen?
(Kenne mich nich aus mit SVP internen Schachzügen)