Flüchtlinge: "Italien muss endlich Hausaufgaben machen"
1500 Flüchtlinge und Migranten, die seit Jahresbeginn auf ihrem Weg in den Norden Europas am Brenner von den österreichischen Behörden nach Italien zurückgewiesen wurden: Eine Meldung, für die in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Tage vor allem ein Buhmann identifiziert wurde: die Österreicher. Selbst Landeshauptmann Luis Durnwalder wünschte sich nach der Sitzung der Landesregierung am Montag, mehr Großzügigkeit von der Schutzmacht im Norden. „Ich denke, wenn menschliche Schicksale am Tisch sind, sollte man auch manchmal über Formalitäten hinwegsehen und den Mensch in den Mittelpunkt stellen“, erklärt er auch gegenüber salto.bz.
Unerwarteter Widerspruch kommt dazu von der Caritas Bozen. Der Leiter der Flüchtlingsberatung Leonhard Volltmer würde sich zwar eine Überarbeitung der sogenannten Dublin-Vereinbarung wünschen, mit der geregelt wird, dass jenes Land, in dem ein Flüchtling das erste Mal EU-Territorium betritt, für die Abwicklung der Asylverfahren zuständig ist. Aus Sicht dieser Menschen wäre es sicher positiv, wenn sie mit einer entsprechenden Motivation begründen können, in welchem EU-Land sie um Asyl ansuchen wollen, meint er. „Denn wenn wir plötzlich alle aus Europa nach Afrika flüchten müssten, würden wir uns auch ein möglichst reiches Land aussuchen, das uns die besten Zukunftschancen bietet.“ Doch abgesehen davon, würde sich Österreich vollkommen regelkonform und korrekt verhalten, wenn es Flüchtlinge, die aus Italien kommen, im Zehn-Kilometer-Korridor rund um die Grenze aufhalten. „Das ist so, wie wenn jemand bei der Grenzkontrolle keinen Pass hat“, meint er, „dann wird er eben zurückgeschickt.“
Zu wenig Unterkünfte, zu wenig Verantwortung
Das größte Problem sieht der Leiter der Caritas-Flüchtlingsberatung vielmehr bei Italien, das die internationalen Vereinbarungen in Sachen Flüchtlingspolitik in mehrerlei Hinsicht nicht einhalte. Im konkreten Fall Brenner zeige sich dies schon darin, dass Menschen, die von Österreich als Asylwerber zurückgeschickt werden, nicht als solche aufgenommen würden. „Statt dessen werden sie nach einer kurzen Überprüfung wieder mit der Aufforderung entlassen, sich innerhalb von fünf Tagen bei Quästur zu melden, um ihren Aufenthaltsstatus zu klären.“ Laut Volltmer müssten ihnen die Behörden jedoch bereits in dem Moment die Rechte gewähren, die in internationalen wie europäischen Vereinbarungen vorgesehen sind. Sprich: Aufnahme, Ausstellung von Papieren und – bei Bedarf - Bereitstellen einer Unterkunft.
Doch auch bei diesen gäbe es in Italien einen chronischen Mangel. „Österreich oder Deutschland reagieren bei Unterkünften dagegen immer sehr flexibel und richten die Plätze nach den jeweiligen Bedarf aus“, sagt Volltmer. Angesichts der weit höheren Zahl von Asylansuchen in Nachbarländern wie Deutschland oder Österreich sieht er auch die Befürchtung als überzogen, dass das Land wegen der Flüchtlingsströme über Lampedusa tatsächlich überlastet wird. „Es gibt auch viele Flüchtlinge, die per Flugzeug und mit einem Touristenvisum in die Zielländer einreisen und dann um Asyl ansuchen“, sagt er.
Problem Obdachlosigkeit
Und wie konkret sieht die Situation nun für einen Asylwerber aus, der in vom Brenner aus nach Bozen kommt und als solcher anerkannt wird? Sofern er eine Unterkunft benötigt, muss diese prinzipiell vom Staat zur Verfügung gestellt werden, sagt Volltmer. Dies geschieht über ein Verteilungssystem in Rom; doch nachdem es immer wieder keine Plätze gibt, stellt auch Südtirol Aufnahmeplätze zur Verfügung. 132 sind es derzeit, zwischen dem Erstaufnahmezentrum in der Bozner Rittnerstraße mit 22 Plätzen, der Gorio-Kaserne in Bozen mit 65 Plätzen und dem Haus Arnika in Meran mit 45 Plätzen. Derzeit sind bis auf die Gorio-Kaserne alle Strukturen bis auf den letzten Platz belegt. Insbesondere im Aufnahmezentrum gäbe seit Jahren eine Warteliste. Die Folge? Einige der Asylwerber werden damit gezwungenermaßen zu Obdachlosen. Gerade hier geht der Appell der Caritas in Richtung der politisch Verantwortlichen auf Landesebene: „Wir sollten zumindest dafür sorgen, dass alle Menschen, die bis 20 Uhr ohne Unterkunft sind, ein Dach über dem Kopf geboten wird.“