Gesellschaft | Szene

Ausgefeiert

Die Halle 28 in der Bozner Schlachthofstraße schließt endgültig ihre Tore. 5 Jahre lang belebte sie die Kultur- und Musikszene. Über die Schwierigkeiten von Alternativen.

Für viele war die alte Lagerhalle in der Bozner Schlachthofstraße 28 schon beinahe zu einem zweiten Zuhause geworden. Nach über fünf Jahren ist nun Schluss. Wie am Mittwoch über Facebook bekannt gegeben wurde, schließt die Halle 28 endgültig ihre Tore. Das Veranstaltungsgebäude muss einem Büroturm weichen. Wehmut nicht nur beim Pächter Werner Gutgsell – er hatte ein halbes Jahrzehnt mit großem Einsatz versucht, eine Alternative zu den traditionellen Diskotheken im Land zu schaffen. Sondern auch bei Besuchern und Stammgästen, die Gutgsell über Facebook und persönlich für die Stunden in der alten Lagerhalle danken. Dazu mischt sich auch Unverständnis. Unverständnis darüber, dass die alternative Kulturszene in der Stadt und im Land nun um eine weitere Attraktion ärmer ist. “Sicuramente una perdita per lo scenario del nightlife Bolzanino, un posto che ha fatto la storia delle serate underground e di tendenza negli ultimi anni”, schreibt ein User auf Facebook. “Bozen stirbt jedes mal ein bisschen mehr”, bedauert ein weiterer. “Wohin sollen wir jetzt gehen?”, fragen sich nicht wenige. Und immer wieder die Frage nach dem Warum?


Feiern im Monatstakt

Begonnen hat die Geschichte der Halle 28 im Jahr 2010. Die alte, leerstehende Lagerhalle befindet sich im Besitz einer Eigentümergesellschaft. Man erlaubt Werner Gutgsell, das Gebäude für Veranstaltungen anzumieten.“Anfangs war es ein kurzfristiges Projekt”, erzählt er am Telefon. Und stellt klar: “Es war von vornherein nie eine sichere Sache, am Anfang hatten wir eine Erlaubnis für drei Monate. Diese wurde dann immer wieder verlängert, aber die Sache war nie sicher genug, um etwas Langfristiges aufzubauen. Es hat immer geheißen: Sobald die Halle abgerissen wird, müsst ihr raus.” Trotzdem lässt sich Gutgsell nicht abbringen. Er macht sich ans Werk, lässt die Halle renovieren, Nottüren einbauen, bezahlt einen eigenen Security-Dienst – alles, um die auferlegten Auflagen zu erfüllen. Finanziert werden die Umbauarbeiten aus eigener Tasche, Beiträge von Gemeinde oder Land gibt es nicht. “Die wollte ich auch nicht”, gesteht Gutgsell, “ich wollte immer unabhängig bleiben”.

Das Gebäude der Halle 28: Vom kurzfristigen Projekt zur Institution. Foto: Facebook/Halle 28

Man will eine Alternative zu den eher auf kommerzielle Events und Musik ausgerichteten Diskotheken bieten. Regelmäßig wird die Halle 28 heimischen und auswärtigen Veranstaltern zur Verfügung gestellt, bietet vielen bekannten und weniger bekannten Kollektiven aus der Underground-Szene eine Plattform. “Wir hatten die Erlaubnis von der Gemeinde Bozen, 25 Veranstaltungen im Jahr auszutragen”, berichtet Gutgsell. Der Erfolg lässt nicht auf sich warten. “Im Laufe der Zeit hat sich die Halle 28 zu einer Institution entwickelt, die Bozen und die heimische Partyszene maßgeblich für mehr als fünf Jahre belebt hat”, sagt Gutgsell nicht ohne Stolz. Häufiger Gast ist das DJ- und Künstler-Kollektiv wupwup, das aus Südtiroler und internationalen Künstlern besteht. Einer von ihnen ist Arno Parmeggiani. Er erinnert sich, dass nicht immer alles so reibungslos verlief: “Die Halle war in den letzten Jahren Opfer von massiven und teilweise willkürlichen Schikanen.” Gutgsell bestätigt: “Ja, wir hatten des öfteren Probleme mit Anrainern und Gemeindebeamten.”


Die Halle muss weichen

Die Wende kommt dann im Frühjahr dieses Jahres, als alle Anteile an dem Gelände an einen einzigen Eigentümer übergehen. Dieser wiederholt sogleich die alte Voraussetzung: Falls ein Investor gefunden wird, der das bereits genehmigte Bauprojekt auf dem Gelände finanziert, wird das Grundstück samt Gebäude verkauft. Solange es aber nicht soweit ist, darf die Halle weiterhin für Veranstaltungen genutzt werden. Dafür ist Gutgsell bereit, weitere, strengere Auflagen einzuhalten. Der Eigentümer fordert Garantien von der Stadt Bozen. Im Sommer kommt es zu mehreren Gesprächen mit Luigi Spagnolli. Begleitet wird der Bürgermeister von Tobe Planer. “Wir wollten zeigen, dass uns, also der Gemeinde, die Halle 28 ein wichtiges Anliegen war”, erklärt Planer. Ein strengerer Auflagenkatalog wird ausgearbeitet, Gutgsell ist einverstanden, diesen zu akzeptieren. Für Ende August ist ein Lokalaugenschein mit den Technikern der Gemeinde geplant. Doch soweit kommt es nicht. Einen Tag bevor die Kontrollen durchgeführt werden sollen, sagt der Eigentümer den Termin ab. Er habe einen Käufer für den Grund gefunden. Einen Monat lang ist nichts zu hören, am 7. Oktober dann die Meldung.

Veranstaltung im Jänner 2015: “Die Halle 28 hat ihre treue Szene gefunden.” (Werner Gutgsell) Foto: Facebook/Halle 28

“Nun ist es traurige Gewissheit: Die Halle 28 ist Geschichte.” Die Zeilen werden auf dem Facebook-Profil der Eventlocation veröffentlicht. Man erfährt, dass bereits in den kommenden Wochen mit den Abrissarbeiten begonnen werden soll und Bagger “Südtirols größten freien Veranstaltungsraum dem Erdboden gleich machen”. Ein Aufschrei geht durch die Fanszene. Seit langem gab es Gerüchte über eine mögliche Schließung, doch niemand wollte so recht daran glauben. “Ich war doch überrascht von den vielen Reaktionen, die es auf die Schließung gab”, sagt Gutgsell. Auch wupwup spricht ihm und seinem Team einen großen Dank aus: “Die Halle wird uns fehlen”, gesteht Parmeggiani. Doch gleichzeitig mahnt er die Politik: “Ich hoffe die Gemeinde Bozen und allgemein die Entscheidungsträger erkennen, welches Vakuum entsteht ohne diesen wichtigen Veranstaltungsraum in der Landeshauptstadt.” Diese Hoffnung haben auch andere. “Klar bin ich traurig und frustriert – in Bozen fehlt nun total ein solches Lokal für die Underground-Szene”, bemerkt Werner Gutgsell nachdenklich. Aber er will trotz allem nicht aufgeben, ist bereits auf der Suche nach einer neuen Halle.

Leiser Abschied

“Doch es wird schwierig hier in Bozen.” Ins Grübeln ist auch Arno Parmeggiani gekommen: “Man hatte oft das Gefühl, dass die Bozner Entscheidungsträger nie wirklich für die Subkultur und Kreativwirtschaft Stellung bezogen und das Thema eher stiefmütterlich behandelt haben.” Das soll sich so schnell wie möglich ändern, wünscht sich zumindest Tobe Planer: “Alle gemeinsam müssen wir uns jetzt stark machen, dieses Vakuum so schnell als möglich zu beheben!”, sein Appell. Seit Jahren ist die Gemeinde Bozen schon auf der Suche nach Nachfolger-Räumlichkeiten für das Kulturzentrum KU.BO. Bislang erfolglos.

Abschiedsfeier wird es in der Halle 28 keine geben, “auch wenn wir uns gerne mit einem rauschenden Fest bei all unseren Freunden, Gästen, Fans, Organisatoren und Helfern bedankt und uns standesgemäß verabschiedet hätten”, gesteht Gutgsell. Der Eigentümer habe das nicht erlaubt – “aus nicht weiter definierten Gründen”. Was bleibt, ist ein großes Loch. Jenes in der Schlachthofstraße 28 wird bald aufgefüllt, wie erwähnt wird dort ein neuer Büroturm errichtet. Wie schnell das weitere Loch, das laut Gutgsell und vielen anderen nach der Schließung der Halle 28 “in der eh schon bescheidenen Ausgehwelt” klafft, geschlossen wird, bleibt abzuwarten.

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Mensch Ärgerdi… Do., 08.10.2015 - 17:29

Wenn das Konzept wirtschaftlich ist und gut funktioniert wieso soll es dann nicht an einen anderen Ort weitergeführt werden?

Do., 08.10.2015 - 17:29 Permalink