Weiße Stimmzettel
Der Ex-Bürgerlistler Leander Moroder träumt immer noch von einer parteiübergreifenden Liste für ganz Gröden. Junge Leute wolle sich unabhängig von Parteien in die Gemeindepolitik einbringen, sagt der Teldra Bürgerlistenkandidat Hans Rieder. „Eine Gemeinde braucht eine politische Verwaltung, aber keine parteipolitische Verwaltung“, stimmt ihm Eppans Bürgerlisten-Bürgermeister Wilfried Trettl zu. Eine der vielen Umsetzungsmöglichkeiten für die höchst populäre Vision parteiloser Gemeindeverwaltungen wird seit langem in Vorarlberg gelebt.
Überall, wo dort keine Partei oder Liste kandidiert, kann laut dem Wahlgesetz des westlichsten österreichischen Bundeslands eine Mehrheitswahl durchgeführt werden. Dabei können Wählerinnen und Wähler auf einem leeren Stimmzettel jene GemeindebürgerInnen eintragen, die sich ihrer Meinung nach am besten für die Verwaltung ihrer Gemeinde eignen würden. Pro Stimmzettel sind doppelt so viele Namen zugelassen wie es Sitze gibt. Gewählt sind schließlich wie beim herkömmlichen System jene Personen, die am meisten Stimmen erhalten – zumindest sofern sie ihr Mandat annehmen. Die gewählten Gemeindevertreter wählen dann in ihrer ersten Sitzung aus ihrer Mitte einen neuen Bürgermeister bzw. eine Bürgermeisterin.
„Wahlen in die Gemeindevertretung in Ermangelung von Wahlvorschlägen“ wird dieses österreichweit einzigartige System, das vor allem bei kleinen Gemeinden beliebt ist, im Vorarlberger Gemeindewahlgesetz genannt. Im fernen 1984 war die Mehrheitswahl vom österreichischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben worden. Seit einer Verfassungsreform im Jahr 2000 ist sie wieder zulässig. Auch bei den Gemeinderatswahlen Mitte März wurde immerhin in 16 der insgesamt 96 Vorarlberger Gemeinden mit leeren Wahlzetteln gewählt. In zehn davon erhielten die amtierenden Bürgermeister trotz freier Wahl die meisten Stimmen. Doch so mancher Erste Bürger wurde auch von Newcomern auf hintere Ränge verdrängt, wie etwa der Bürgermeister der Walser Gemeinde Laterns. Spannend ging es auch in der 485-Seelen-Gemeinde Schnepfau im Bregenzer Wald zu. Dort wurde im Vorfeld der Wahlen heftig wegen einer geplanten Kiesgrube gestritten. Das größte Vertrauen als künftige Gemeindeverwalter wurde auf den Stimmzetteln schließlich den Initiatoren einer Unterschriftenaktion gegen das Projekt ausgesprochen.
Bei der mühsamen KandidatInnen-Suche der vergangenen Wochen wäre wohl auch hierzulande so manchem Listenverantwortlichen eine Mehrheitswahl gelegen gekommen. Wie viele der auf Wunsch der WählerInnen gewählten Kandidaten in Vorarlberg ihre Wahl nicht annehmen, wäre eine ausführlichere Recherche wert. Doch wie leicht vorzustellen ist: Wer schon einmal gewählt ist, sagt schwerer Nein als wer für eine Kandidatur gewonnen werden muss.